B wie Brot&Butter

Das Thema dieser Ausgabe der Weinrallye, vom Weinreich-Blog ausgetragen, ist für mich eigentlich eines zum Pausieren: In meinem Keller finden sich vermutlich so viele Brot-und-Butter-Weine wie Trachtenjanker in der Technodisko. Ich bin bei den Winzern eher für die Wurst zuständig.

Von einigen Moselwinzern wie Jörg Thanisch oder Stefan Steinmetz habe ich das ganze Sortiment im Keller. Doch sind das klassische Kollektionen: Kabinett, Spätlese, Auslese. Da müsste ich den Brot-und-Butter-Wein erst recherchieren. Ich stelle mir das spannend vor. Anruf im Weingut: Guten Tag Herr Thanisch, können wir kurz über den Deckungsbeitrag Ihres Kabinetts sprechen, ich möchte da was im Internet veröffentlichen…

Also bleibt wieder nur der Spätburgunder, bei dem ich mich ja erst kürzlich als Liebhaber des Einfachen geoutet habe. Im Rotwein-Kellerbuch fand ich denn auch den geeigneten Kandidaten: den Spätburgunder ‚B‘, weithin verfügbarer, gehobener Einstiegswein von Pinot-Papst Friedrich Becker. Dass er ‚B‘ heißt, wie Becker oder Burgunder, hatte ich immer als etwas plump empfunden. Aber jetzt hab sogar ich es begriffen: das ‚B‘ steht in Wahrheit natürlich für Brot und Butter. Ich Dummerchen…

Friedrich Becker, Spätburgunder ‚B‘, 2007, Pfalz. In der Nase ist der Wein sehr Deutsch (auch wenn ein Teil der Trauben aus Frankreich stammt): Holz, Kirsche, Pflaume, gekochte Beeren und Rauch. Ein Jahr lag der Wein in kleinen Holzfässern aber ich möchte wetten, dass das weitgehend als Nachmieter geschah, denn am Gaumen halten sich Frucht und Holz die Balance. Es sind durchaus ein paar dunkle Teer-Aromen vorhanden (nicht dass ich schon mal in Teer gebissen hätte, aber wer je einen ‚dunklen‘ Spätburgunder oder Barolo getrunken hat, erahnt, was ich meine) aber es steht dem einiges an Frucht gegenüber: Kirsche und Himbeere, gepaart mit einer feinen Säure. Der Abgang ist lang. Mineralisch fand ich den Wein eher nicht aber Hey, das ist auch nur der Brot-und-Butter-Wein. Dafür ist der ‚B‘ schon ziemlich großes Kino.

Virales Marketing mal anders

Es gibt Menschen, die sind bestens vernetzt mit den bekanntesten Winzer und Weinhändlern, mit vielen gar per Du und immer auf dem neuesten Stand. Als Insider hören sie manches, was der Normalsterbliche via Gault Millau und Vinum erst erfährt, wenn es zu spät (weil der betreffende Wein längst ausverkauft) ist. Freundlicherweise teilen manche dieser Insider ihre Informationen aber im intimen Kreis des Internets mit ein paar tausend Freunden, zum Beispiel in Weinforen.

Eines Tages gab einer, der einen direkten Draht irgendwohin hatte (ob Händler oder Weingut erinnere ich nicht) die Information preis, dass im Weingut Rebholz ein weiteres ‚Großes Gewächs‘ im Entstehen begriffen sei und das der entsprechende Wein im Jahr 2007 ausnahmsweise und letztmalig als Spätlese gefüllt worden wäre. Da gäbe es ein echtes Schnäppchen zu machen, ein wahres GG für 18€.

Mit Rebholz habe ich so meine Probleme, denn eigentlich finde ich sein Basis- und Mittelsegment meist enttäuschend, ebenso wie die Roten – es begeistern mich einzig die weißen GGs aus Riesling und Weißburgunder. Also musste ich bei diesem Schnäppchen zuschlagen. Bei meiner regulären GG-Bestellung bei einem Händler, der Rebholz im Programm hat, landeten auch zwei Flaschen der Spätlese trocken ‚vom Muschelkalk‘ auf dem Einkaufszettel.

Dieser Tage war es dann soweit. Ich zog einen der Weine auf und ob des Eintrags ‚Ab nächstem Jahr GG?‘ der exakt so in der ‚Bemerkungen‘-Spalte meines Kellerbuches stand, fiel mir die Geschichte wieder ein. Der Wein allerdings war so gar kein GG, eher eine schöne aber zu teure Spätlese. Da musste ich doch mal nachschauen. Laut Internet gibt es ihn immer noch, den Riesling ‚vom Muschelkalk‘, seit dem Jahrgang 2008 ist er mit einem angehängten ‚S‘ bekleidet, was wohl daran liegt, dass VDP-Betriebe das Prädikat Spätlese nur noch für süße Rieslinge verwenden. Ob ich Opfer eines Wichtigtuers geworden bin, oder der notorische ‚Whistleblower‘ auf einen des viralen Marketings mächtigen Winzer oder Händler hereinfiel, werde ich nie herausfinden. Der Schaden hält sich aber in Grenzen, schlechte Weine schmecken schließlich anders.

Ökonomierat Rebholz,‚vom Muschelkalk‘, Riesling Spätlese trocken, 2007, Pfalz. In der Nase etwas Thymian, Aprikose und ganz viel Grüner-Apfel-Shampoo. Am Gaumen ist der Wein balanciert, saftig mit zurückhaltender Säure und Aromen von Apfel, etwas würzig und mit leicht prickelnder Mineralik. Er ist aber auch auf eine nicht ganz passende Art cremig/laktisch und lässt Frische vermissen. Der Abgang ist recht lang aber der Wein nicht der große Wurf. Sehr ordentlich aber nicht begeisternd.

Rantrinken (3)

Es ist paradox. Drei Viertel der von mir getrunkenen Weine sind Weißweine, darunter deutlich mehr als die Hälfte Rieslinge. Dabei bin ich ein Snob, Literrieslinge besitze ich nicht, die Zahl der Gutsweine in meinem Keller kann man an einer Hand abzählen, selbst wenn man durch einen Unfall Finger verloren hätte.

Beim Rotwein hingegen, dem verbleibenden Viertel, sind mehr als die Hälfte Spätburgunder und darunter eine erhebliche Zahl einfacher Qualitäten. Ich wiederhole mich, will aber noch einmal die Vorzüge eines leicht geholzten Spätburgunders mit mittlerer Dichte als Begleiter zu Gegrilltem betonen.

Doch auch ohne Speisen entwickle ich bei einigen dieser Weine einen gefährlichen Trinkfluss. Wenn je ein Folterknecht vor mir stünde und offenbarte, er habe eine schlechte und eine gute Nachricht, und die schlechte wäre, ich müsste mich zu Tode trinken, die gute, ich dürfte mir aussuchen womit – ich wählte wohl einen Wein wie diesen hier.

Günther Steinmetz, Mülheimer Sonnenlay, Spätburgunder Spätlese trocken, 2007, Mosel. In der Nase ist der Wein grün, Kerbel, Brennnessel, Gras aber auch ein wenig Himbeere. Am Gaumen ist der Wein frisch und saftig, wiederum mit Himbeere aber auch mit Stachelbeere. Aus einem schwarzen Glas genossen, würde ich ihn vielleicht für einen fülligen Sauvignon Blanc halten (man sollte seine Grenzen kennen). Die Struktur ist von dezentem Holz und ein wenig Mineralik geprägt, der Abgang ist sehr lang. Vermutlich nicht jedermanns Sache aber mir besonders lieb.

Rantrinken (2)

Er sei ‚durch‘ mit den Grossen Gewächsen, erzählte mir mein Alter Herr dieser Tage bei einem gemeinsamen Glas Wein (jenem zuletzt beschriebenem Schönleber). Das hatte nichts mit Todesahnung zu tun, sondern war die Erkenntnis eines Mannes, der nach 50 Jahren Weinkonsum weiß, was ihm schmeckt und was nicht. In ihrer Jugend beeindruckten sie ihn mit viel Potential, fuhr er fort, doch wenn sie die nötige Reife erlangten, seien sie ihm regelmäßig zu opulent. Als Jungwein zu teuer, als reifer Wein zu fett – er belasse es jetzt bei den Spätlesen.

Tja, dachte ich bei mir: wieder einer, der sich abwendet. Irgendwann bin ich vielleicht der einzige in meinem Freundeskreis, der noch GGs trinkt (und nicht bloß verkostet). Obwohl – als es jetzt darum ging, den ersten Riesling nach Wochen zu öffnen, war mir von vornherein klar, dass das ein mittelalter, mittelgewichtiger Lagenwein oder eine trockene Spätlese sein würde. Ein gereiftes GG zu zücken, wäre mir zu viel des Guten gewesen. Dass der Wein dann gleich so stimmig war, weckt in mir die Befürchtung, ich könnte mich meinem Alten Herren früher anschließen, als meine Kellerbestände guthießen.

Dönnhoff, Felsenberg, Riesling QbA, 2007, Nahe. In der Nase Aprikose, mürber Apfel und Rhabarber, schön und sortentypisch, mit einer kleinen Reifenote. Am Gaumen sehr voll, der Wein hat viel Bumms, ohne dass er dies einer übertriebenen dienenden Restsüße verdankte. Die Säure ist akzentuiert und genau passend, 12,5% Alkohol fallen nicht negativ ins Gewicht. Aromen von Aprikose, Pistazie und eine würzige Reifenote überfluten den Gaumen, denn dieser saftige Brummer ist dichter als manch mittelmäßiges GG. Mehr Kraft muss ein Riesling gar nicht haben. Der Abgang ist sehr lang und fruchtig (Boskop). Wenn der Wein ein bisschen mehr Mineralik zu bieten hätte, wäre er groß, so ist er immer noch außergewöhnlich gut.

Rantrinken (1)

Sieben Wochen war ich von richtig guten Weinen abgeschnitten. Sieben Wochen hatte ich keine Veranlassung, einen Stift zur Hand zu nehmen und Notizen zu einem Wein anzufertigen. Also hieß es ‚ranrobben‘ an die alten Tätigkeiten. Mal gemütlich auf der Terrasse einen schönen Weißburgunder trinken, ohne Notizen zu machen; als ersten Riesling etwas Mittelgewichtiges wählen; einen Spätburgunder der einfacheren Art probieren.

Ein Ergebnis vorweg: Verkostungsnotizen schreiben sich anders, wenn man einen Wein am Durchschnitt aller je getrunkenen guten Weine einer Sorte misst. Und auf das reduziert sich meine Vorstellung: schlägt der Wein die Saiten an, die in meinem Gedächtnis und Herzen wohlklingend mit dieser Rebsorte verbunden sind? Sieben Wochen Abstinenz reichen, um ‚den Cache zu leeren‘ – um ein Bild aus der PC-Welt zu verwenden. Ich vergleiche nicht mehr mit dem Wein gleichen Anbaugebietes von vor drei Tagen, gleichen Jahrgangs von letzter Woche oder gleichen Winzers von letztem Monat. Natürlich bleibt vieles im Gedächtnis und abrufbar, aber es fließt anders in die Bewertung.

Also will ich dieses Blog mit einem flüchtigen Eindruck wiederbeleben, nicht mit einer fertigen Verkostungsnotiz. Zu den ersten Weinen aus eigenem Keller, die ich heuer trinken durfte zählte ein Grauburgunder ‚S‘ aus dem Jahr 2007 von Emrich-Schönleber. Gut gekühlt war er, wir tranken ihn zwanglos auf der Terrasse als Aperitif. Ich empfand ihn von den Aromen her als sehr sortentypisch, dazu mit einer schönen Säure ausgestattet, die ihm eine ordentliche Struktur verlieh. Der Wein war schmelzig, vom Alkohol her zurückhaltend, im Abgang lang. Ein hervorragender Wein, der alle Mittrinker sehr erfreute. Ich war zwar glücklich, wieder in diesen Sphären genießen zu können, konnte aber nicht umhin, zwei Schwachpunkte im Wein auszumachen. Die Weine, die meinen persönlichen Maßstab in dieser Kategorie bilden, sind etwas holzgeprägt und trockener. Es ist wunderbar, ein Blog über Luxusprobleme schreiben zu dürfen.