Third Party Trüffelschwein

In meiner Branche sind zwei Verhaltensweisen weit verbreitet: das Auslagern von Tätigkeiten an Drittfirmen und das Sprechen von grausamem Denglisch, weshalb man bei ersterem auch lieber outsourct, und zwar an eine Third Party. Der Schnutentunker ist insofern Abbitte für meine beruflichen Sünden, als dass ich versuche, das Deutsche ein wenig zu pflegen. Auf das Auslagern von Tätigkeiten mag ich hingegen nicht ganz verzichten – aber der Reihe nach.

2001 haben Peter und Susan Close aus Nordengland sich ihren Traum vom Süden erfüllt und Chateau Camplazens übernommen. … Begeisterung für das Terroir von La Clape, niedrige Hektarerträge, schonende Verarbeitung der Trauben – das Ergebnis sind ansprechende, würzige Weine mit Charakter und Tiefgang.

Und ich möchte hinzufügen: Rotweine mit den typischen Merkmalen guter Südfranzosen, die mit 13% Alkohol auskommen, wofür ich persönlich Peter und Susan gar nicht genügend danken kann.

Dass ich hier von Peter und Susan und ihrer Liebe zu La Clape berichten kann, habe ich Laureen Koch zu verdanken, denn sie ist die Urheberin obiger Zeilen und sie hat den Wein auch für mich gefunden. Das ist Ihr Job, denn sie ist Weinhändlerin und zwar eine sehr gute, wenn ich das einmal sagen darf. Und so habe ich die Trüffelsuche abseits meiner Hauptvorlieben Riesling und Spätburgunder an ihr Unternehmen ausgelagert. Ihre diversen Entdeckungen bereichern regelmäßig mein Weinleben. Frau Koch betreibt über ihren Online Shop Le Gourmet Weine nämlich auch einen Weinclub. Sechs Mal im Jahr verschickt sie ihre neuesten Entdeckungen begleitet von ein wenig Infomaterial. Viele Erstbegegnungen mit Weinen, denen ich normalerweise keine Aufmerksamkeit schenkte, sind so zustande gekommen. Meinen ersten Bacchus (positive Verblüffung inklusive) habe ich ebenso von Frau Koch wie auch meinen ersten Vouvray, Jurancon Sec, Muscadet, Malvasia und und und…

Aus logistischen Gründen habe ich letzte Woche mein Abonnement dieser vinophilen Horizonterweiterung gekündigt. Da fand ich es an der Zeit, die Quelle einmal angemessen zu würdigen. Das tue ich am besten mit einem Wein, also wieder zurück zu Peter und Susan und ihrer Liebe zu La Clape.

Chateau Camplazens, La Garrigue, La Clape rouge AOC, 2007, Coteaux du Languedoc. Eine Cuvée aus 60% Syrah, 30% Grenache und 10% Carignan. In der Nase viel Frucht, vor allem schwarze Johannisbeere, Pflaume und Holunder, dazu Kräuterwürze (Thymian). Am Gaumen ist der Wein weich und rund mit viel Johannisbeere und Pflaume, Kakao und etwas schwarzem Tee. Zum weichen Erscheinungsbild gehört auch der zurückhaltende Alkohol von 13%. Trotzdem ist der Wein voll und ausreichend druckvoll. Der Abgang ist sehr lang. Ein wunderbarer Wein, bei dem die Hand ununterbrochen zum Glas will.

Der Rallye-Wein

Ich bin nur ein Gelegenheitsteilnehmer bei der Weinrallye, jener schönen Aktion, bei der alle deutschsprachigen Blogger eingeladen sind, am selben Tag zum selben Thema zu bloggen. Allzu oft fällt mir kein zum Thema passender Wein ein und wenn dann nicht der Zufall mitspielt, wie letzten Freitag bei Bernhard Fiedlers Etappe, findet die Rallye wieder ohne mich statt.

Umgekehrt gibt es Weine, zu denen fielen mir viele Weinrallye-Themen ein. Nur leider ruft die niemand aus, wenn ich gerade das Bedürfnis verspüre, den Wein zu entkorken. Der Pinot Meunier vom Weingut Steinmetz aus Brauneberg beispielsweise ist in so vielerlei Hinsicht ungewöhnlich, dass mir gleich ein halbes Dutzend Rallye-Themen einfiele, auf das der Wein passte. Beispiele gefällig?

  • Das kommt mir Spanisch vor – Deutsche Gran Reservas; über Weine, die (geschätzte) 30 Monate im Fass reifen
  • Drei Farben: Rot – Multitalente; über Weine aus Rebsorten, die in allen drei Variationen Weiß (Blanc de Noir), Rosé und Rot ausgebaut werden
  • Kleiner Mann ganz groß –Juniorpartner auf Solopfaden; über reinsortige Füllungen von Weinen, die normalerweise den kleineren Part in einer Cuvée spielen
  • Was machst Du denn hier? – Autochton am falschen Ort; über Weine aus Rebsorten, die zwar im Herkunftsland autochton aber nicht typisch für das Gebiet/die Appellation sind
  • Wenn das Schnäppchen zweimal klingelt – Barrique-Rotweine unter 10 Euro; über genau solche Weine, die herausragende Qualität bieten

und schließlich

  • Personal Jesus – Da werde ich zum Prediger; über Weine, die man anderen gerne mal mit missionarischem Eifer ans Herz legen möchte.

Soweit die Folklore, hier noch ein paar Fakten: Der Pinot Meunier ist berühmt als Bestandteil vieler Champagnercuvées. In Deutschland heißt er eigentlich Schwarzriesling (seltener Müllerrebe) und kommt zu drei Viertel aus Württemberg. Die Mehrzahl der Schwarzrieslinge aus deutschen Landen ist eher leichter Natur. Über den Steinmetz’schen Barrique-Schwarzriesling habe ich hier im Blog schon einmal geschrieben. Jetzt kam der Nachfolgejahrgang ins Glas.

Günther Steinmetz, Pinot Meunier * (im Barrique gereift), 2007, Mosel. In der Nase sehr fruchtig mit Brombeere, Johannis- und Blaubeere, dazu Lakritz und Holz/Rauch. Am Gaumen zeigt der Schwarzriesling viel süße Frucht (Kirsche und Zwetschge), eine leicht ätherische Wacholdernote und eine sehr präsente Säure. Von der Textur eher schlank, steckt der Wein 13% Alkohol problemlos weg. Der Abgang ist lang und verhalten mineralisch. Mir gefällt der Wein am besten leicht gekühlt. Der Holzeinsatz ist sehr dezent. Der Wein passt gut zu rustikalen Speisen.

Er ist noch erhältlich und wie oben angedeutet, will ich ihn all jenen ans Herz legen, die ein Minimum an Sympathie oder zumindest Neugierde für hiesigen Rotwein hegen. Denn eines bleibt er: ein deutscher Rotwein. Die Kraft eines sizilianischen Tropfens oder die Tannine eines jungen Duero-Weines sucht man hier vergeblich. Es ist – wie schon der 2005er – ein Rotwein mit der Struktur eines grandiosen Weißweines (das wär schon wieder ein Rallye-Thema).

Weinrallye #41: Die Silvaner-Stulle

Sandwich-Weine lautet das Motto der heutigen Weinrallye und ich konnte mit dem Thema zunächst wenig anfangen. Dass ich teilnehme, verdanke ich einer Verkettung von Zufällen. Aber der Reihe nach: Es geht um Weine, die nicht blutjung und nicht steinalt getrunken werden sollten. Bernhard Fiedler lässt offen, ob dies an der Rebsorte oder dem Ausbaustiel liegt. In seinen eigenen Worten liest sich das so:

Wie schmecken solche “Sandwich-Weine” zwischen unbändigem Jugendcharme und der noblen Größe des Alters? Welche Sorten und/oder Weinstile präsentieren sich in dieser Entwicklungsphase besonders schön? Und welche weniger?

Nachdem mich dies zunächst kaum inspirierte, wollte es der Zufall, dass ich einen Sandwich-Wein im doppelten Sinne ins Glas bekam. Ich hatte ihn ausgewählt, weil mir mal wieder nach Silvaner war. Ob meiner geringen Erfahrung mit dieser Rebsorte (gerade mal zwei Exemplare habe ich in diesem Blog in 20 Monaten beschrieben) ging ich ein bisschen auf Recherchetour im Internet und fand ein schönes Video.

 

Silvanervideo

Der Silvaner ist demnach eine Rebsorte, die bevorzugt in einer von zwei Stilrichtungen Auftritt: federleicht und trinkig oder mächtig und eher als Essensbegleiter konzipiert. Da waren sie also, die obere und untere Scheibe meines Sandwiches, die sich exakt so auch in meinen hier und hier geschilderten Begegnungen mit der Rebsorte widerspiegelten, und mein Wein bewegte sich ziemlich in der Mitte. Wie man in meiner norddeutschen Heimat sagen würde: ’ne Silvaner-Stulle.

Mittelalt ist er als 2007er sowieso und auch die Einkaufsgeschichte ist eine Sandwich-Story. Jedes Jahr geht das Weingut Wirsching mit einigen anderen Gütern (darunter Knipser, Künstler und Salwey) auf eine Deutschland-Tour und präsentiert in mehreren Großstädten seine Kollektion. Und jedes Mal, wenn ich dort Wirschings Weine probier(t)e (drei oder vier Mal bisher) sticht die Spätlese heraus. Sie ist deutlich ernsthafter als der Kabinett und viel charmanter als die Grossen Gewächse, die bei diesem Winzer einige Jahre Flaschenreife brauchen. Deswegen steht sie jedes Mal auf dem Bestellzettel.

Hans Wirsching, Iphöfer Kronsberg Silvaner Spätlese trocken, 2007, Franken. Ein Silvaner mit sehr typischer Aromatik: in der Nase Heu, Birne, Banane, Kräuterwürze. Am Gaumen opulent mit Quitte, Banane, viel Würze, etwas Mineralik, gut integriertem Alkohol von 13% und einer alles ordnenden, dem Wein die nötige Frische verpassenden Säure. Der Wein hat ausreichend ‚Bumms‘, um auch kräftigere Speisen zu begleiten, ist aber nicht behäbig,. Das ist ein perfekt ausbalancierter Silvaner mit mittellangem Abgang.

Ein Sandwich-Wein, wie ich jetzt gelernt habe.

Simple Genüsse (1)

Eine kleine Neuerung im neuen Jahr. Die Artikel, die bisher ‚Füllwein‘ übertitelt waren, haben eine neue Überschrift. Ansonsten gilt auch für die simplen Genüsse: Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für besonders befunden habe.

Chateau La Rousselle, 2005, Fronsac, Bordeaux. In der Nase sehr fruchtig mit Cassis, Brombeere und Himbeere, dazu Leder, Kaffee und deutlicher Alkohol. Am Gaumen ebenfalls sehr fruchtig mit reifen Beeren, Kirsche und wiederum Kaffee und Bitterschokolade. Der relativ kräftige Holzeinsatz ist schmeckbar, eine leichte Teer-Note gesellt sich zu kräftigem aber nicht unangenehmem Tannin. Der Wein ist von mittlerem Volumen, kräftig aber nicht breit, trotzdem könnte die Säure akzentuierter und der Alkohol (13,5%) zurückhaltender sein. Der Abgang ist sehr lang aber etwas holzig. Insgesamt ein sehr guter Wein, der mir in ein paar Jahren vielleicht mal richtig großartig schmecken wird. Verträgt derzeit etliche Stunden Luft.

Lothar Kettern, Piesporter Spätburgunder trocken ‚Barrique‘, 2007, Mosel. In der Nase zeigt der Wein sehr viel Holz, daneben verblassen die anderen Eindrücke von Erdbeere, Grenadine und Blut fast. Am Gaumen ist der Wein mitteldick und mittelmäßig druckvoll. Er kombiniert eine straffe Säure mit viel Frucht: Kirsche, Himbeere, (gekochte) Erdbeere. Der Wein ist leicht mineralisch, wird mit Wärme etwas cremig und zeigt eine deutlich rauchige Holznote. Der Alkohol von 13,5% tritt dezent auf, der Abgang ist lang. Vom ganzen Typus ist dieser Wein so etwas wie der kleine Bruder von diesem hier.

Günther Steinmetz, Kestener Paulinsberg, Riesling Kabinett trocken, 2007, Mosel. In der Nase eine Stinkbombe. Man kann versuchen, es höflich als ‚Spontangärungsnote‘ zu umschreiben, aber ich will das Kind beim Namen nennen: der Wein riecht nach faulen Eiern – und zwar so heftig, dass für manch Weinfreund hier schon Schluss ist. Mir macht der Geruch weniger aus (wenngleich er meine Schmerzgrenze touchiert), und so kann ich auch etwas zum Gaumen schreiben: ein sehr trockener, gelbfruchtiger und recht mineralischer Kabinett mit schöner schlanker Struktur und krasser Säure (auch die flirtet mit meinem persönlichen Grenzwert). Vier Tage nach dem Öffnen hat sich die Stinkbombe kaum verzogen, es sind jedoch erste Aprikosennoten darunter zu erahnen. 12% Alkohol sind vollständig integriert. Ich glaube, das wird noch mal ein ganz toller trockener Kabi. Der Wein zeigt eine solche Frische, dass ich ihm die ewige Haltbarkeit unterstellen möchte, die viele dieser ‚Extrem-Spontis‘ an den Tag legen.

Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs

…war eine innovative aber nur mäßig erfolgreiche Band, die zum Soundtrack meiner Jugend ungefähr ein halbes, leicht vernebeltes Konzert in irgendeiner Schulaula beisteuerte. Trotzdem trage ich den Namen in meinem Gedächtnis, vermutlich weil er in einem Wort/Satz eine geistige Haltung seiner Epoche zusammenfasste: Ostprodukte sind ungesund. Die Eier bei Aldi kamen damals angeblich aus der DDR und den Hühnern wurde Karotin unters Futter gemischt, damit das Dotter leuchtend Orange ist – so raunte man sich zu.

‚Opa erzählt wieder vom Krieg‘ mag manch Leser jetzt denken und überhaupt: was hat das bitte mit Wein zu tun? Wenig – ich kann mich einfach nicht gegen diese Gedankenschübe wehren, die ich mal als (sehr) freie Assoziationen bezeichnen möchte. Denn ‚Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs‘ dachte ich neulich spontan, als ich bei ebay eine Auktion beobachtete, in der ein Sechserkarton mit Großen Gewächsen aus einer der renommiertesten Lagen der Ex-Täterä zum Dumpingpreis wegging. Normalerweise gehen GGs aus dem Jahrgang 2007 bei ebay zum Listenpreis bis hin zu 20% Aufschlag weg, Weine von Keller schaffen schon mal 100% Aufschlag, weniger bekannte bleiben auch eine ganze Ecke unter Ursprungspreis. Die Ossis jedoch haben es ganz schwer. Da kommt es zu massiven Abschlägen. Ich glaube, das liegt an alten Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs-Vorurteilen.

Einige Ost- GGs sind von Natur aus günstig. Das hier besprochene kostete gerade mal 19€. Da werden die absoluten Zuschlagpreise atemberaubend. Bei eben über 10€ pro Flasche (inklusive Porto!) ging die von mir beobachtete Auktion zu Ende. Normalerweise wäre ich vor Sorge um den ostdeutschen Weinbau zerflossen, wenn sich der Egoist in mir nicht so schamlos über sein Schnäppchen gefreut hätte. Der Zuschlag ging an mich.

Lützkendorf, Karsdorfer Hohe Gräte, Riesling Große Gewächs, 2007, Saale-Unstrut. In der Nase fruchtig mit Aprikose und Banane sowie mit einer herrlich cremigen Vanillenote und etwas Pistazie. Am Gaumen ist der Wein frisch, mit kräftiger Säure und schönem Spiel, Aromen von Apfel, Mandarine, Rhabarber. Er ist nicht sehr dick, eher elegant, wobei das keine höfliche Umschreibung für ‚dünn‘ sein soll, sondern uneingeschränkt positiv gemeint ist: mineralisch, zupackend und mit Tiefgang aber eben kein Bulldozer, was auch an den gut verdaulichen 12,5% Alkohol liegen mag. Dazu kommen ganz dezente Bitterstoffe, die den Wein animierend machen. Der sehr lange Abgang klingt mit kräftiger Säure aus. Ein hervorragender Wein und eine willkommene Abwechslung unter den GGs.

Ich bin mir sicher: Der macht keinen Krebs. Der macht ja nicht mal `nen dicken Kopf.