Das E-Wort

Wenn ich beim abendlichen nachhause kommen meinen Briefkasten leere, könnte ich leicht zu dem Schluss gelangen, ein ganz besonderer Mensch zu sein: So viele Angebote aus der tagsüber eingeworfenen Werbung sind ‚exklusiv‘ für mich reserviert. Exklusive Busreisen, Ausflüge und Gewinne zeigen vor allem eines: das Wörtchen Exklusiv meint heutzutage meist das Gegenteil. In Sippenhaft genommen sind all jene, die wirklich exklusive Vergnügen und Produkte anbieten, denn es gibt leider keinen adäquaten Ersatz in unserer Sprache. Und sollte sich einer entwickeln, so wird auch der alsbald von der Heizdeckenindustrie gekidnappt werden.

Lothar Kettern Riesling Terroir Exclusiv
Besonders besonders

In der Weinwelt gibt es eine exklusive Entsprechung: das Wörtchen ‚Terroir‘. Mittlerweile meint auch diese Bezeichnung allzu oft das Gegenteil: Masse und Maschinen. In Sippenhaft sind hier die ernsthaft um eine Interpretation des Begriffes bemühten Winzer. Die verwenden (so zumindest mein Eindruck) den Begriff immer sparsamer auf Etiketten und kommunizieren den Terroir-Gedanken lieber über Preislisten und Kundenbriefe. Umso erstaunlicher finde ich den Namen eines dieser Tage genossenen Weines, ist der Erzeuger doch eigentlich einer, der wirklich sehr um handwerkliche Spitzenwein-Erzeugung bemüht ist. Wenn ich richtig informiert bin, ist der Name des Tropfens eine Erfindung seiner im Betrieb mitarbeitenden Eltern. Tja, Abnabelung findet in Schüben statt…

Lothar Kettern, Piesporter Goldtröpfchen, Riesling Spätlese ‚Terroir Exclusiv‘, 2009, Mosel. In der Nase Apfel, Mango, Grapefruit, Aprikose, Hefe, ein Hauch Kräuter und Blüten. Am Gaumen ordentliches Spiel von praller Süße, zurückhaltender Säure und einigen Gerbstoffe, dazu klassische Riesling-Zutaten, wie man sie von süßen Mittelmoselspätlesen kennt: Apfel, Aprikose und dezente Mineralik. Der Wein ist im Abgang noch etwas austrocknend. Zu ernsthaft, um ihn einfach weg zu schlürfen; zu jung, um schon richtige Konturen zu haben. Ich glaube, in zwei Jahren macht diese fruchtsüße Spätlese als Dessertwein vor allem denjenigen Spaß, denen Auslesen etc. zu üppig sind. 86 Punkte

2011 wird frischer

Wie jedes Jahr beginnt mein Weinjahr mit einer kleinen Kellerinventur, einer Rückschau auf das abgelaufene Jahr und ‚guten Vorsätzen‘, wie ich das kommende Jahr hinsichtlich meines Weinkonsums gestalten will. Während ich letztes Jahr im Januar etwas weinerlich feststellen musste, dass ich ab sofort ein ‚Muss-Weg-Regal‘ in meinem Keller brauche, bin ich heuer geneigt, es wieder außer Dienst zu stellen. Die Zahl der 2005er GGs ist immer noch ziemlich groß aber bei denen kommt es auf ein Jahr mehr oder weniger wohl nicht an. Alle anderen zum Verzehr bereitgelegten Weine sind vertilgt.

Während die Kellerinventur keinen Anlass zu Vorsätzen gibt, tut es aber die Geschmackslage. Ich stelle fest, dass ich im Moment ein Bedürfnis nach Frische habe. 2010 war ein Jahr, in dem ich für meinen Geschmack ein bisschen zu viele gereifte Weine, vor allem gereifte dicke Brummer getrunken habe. Als ich dieser Tage einen frischen ‚einfachen‘ Lagenwein (also kein Großes Gewächs) eines VDP Winzers aus 2009 aufzog, hatte ich spontan das Gefühl: ‚das mach ich viel zu selten‘. Allerdings besitze ich aufgrund gesteigerter Einkaufsdisziplin nicht viele Weine dieser Art aus den letzten beiden Jahren. Die vorhandenen Exemplare dürften dieses Jahr nicht überleben.

Schäfer-Fröhlich, (Schlossböckelheimer) Felsenberg, Riesling trocken, 2009, Nahe. In der Nase Aloe Vera und Aprikose, sehr rein und sehr reif (nicht der Wein, der ist jung; es ist der Eindruck von ganz reifem und gesunden Lesegut, der sich einstellt). Am Gaumen ein Ausbund von Saftigkeit, ganz rein und klar, mäßig trocken, mit zurückhaltender Säure, nur leicht kalkig mineralisch, etwas blumige Aromen, dazu Pistazie und Aprikose. Der Alkohol von 13% ist sehr gut eingebunden. Sehr langer Abgang. 89 Punkte.

Wenn man unbedingt etwas kritisieren möchte, kann man die Typizität vermissen. Der Wein könnte von fast überallher stammen, sein Ursprungsgebiet springt mir nicht gerade ins Gesicht.

Kritik der reinen Vernunft

Gestern hatte ich die aktuelle Vinum im Briefkasten, die eine neue Ausgabe der Liste Deutschlands 100 bester Weingüter enthielt. Damit ist auch das letzte Jahres-Ranking erschienen, das Deutschlands Weingüter in Klassen einteilt. Herr Eichelmann hatte wie gewohnt den Anfang gemacht, der Gault Millau 2011 kam Ende November. Erstmals mit einer großen GG-Verkostung am Start war die deutsche Ausgabe des Falstaff-Magazins, ein Weingutsranking veröffentlicht das Magazin (noch) nicht. Die Weinwelt bot vermutlich auch eine GG-Verkostung, ich gehöre allerdings nicht zu deren Lesern und weiß es daher nicht genau. Kritik der reinen Vernunft weiterlesen

Was trinkt man zum Grünkohl…

…wenn es kein Bier sein soll? Die Suche nach dem richtigen Wein zu diesem irgendwie weinfeindlichen Gericht treibt mich schon eine ganze Weile um. Bei mir gibt es Grünkohl semiklassisch mit allerlei geräucherten Fleischwaren und kleinen, ganzen, etwas karamellisierten Röstkartoffeln. Das ‚semi‘ ist der Tatsache geschuldet, dass ich lieber geräucherte Putenbrust als Kasseler verwende und auch die Kohlwürste aus Geflügel sind.

Geräuchertes Fleisch und die leicht erdigen Noten des Grünkohl: Damit würde sich auf den ersten Blick ein südfranzösischer Rotwein mit Unterholz-Aromen anbieten, jedoch mag ich zu diesem Gericht nicht auf Senf verzichten. Und die Vermählung von Senf mit Rotwein steht auf meiner persönlichen Liste der Kombinations-Verbrechen auf einem unangefochtenen Spitzenplatz – noch vor der von meiner Frau gelegentlich vorgenommenen Paarung Salami mit Marmelade.

Also versuche ich es seit jeher mit Weißwein, und zwar mit solchen, die ein Holzfass von innen gesehen haben. Ein von einem Freund geschenkter ‚Cuvée de Blanc‘ von Stodden (das ist ein Riesling aus dem Barrique) passte vor Jahren ganz ordentlich, ist aber kein Wein, von dem ich ein erstes Glas als Aperitif oder ein letztes als Abschluss des Abends trinken würde. Dieses Wochenende habe ich es mit Dönnhoffs Doppelstück probiert, von dem ich im September schon kurz berichtete. Am ersten Tag hat der frisch geöffnete Wein eine überbordende Frucht gezeigt, die vor und nach dem Essen großen Spaß bereitete, die Grünkohl-Kombi bekam von mir aber als Schulnote eine Drei minus. Am Zweiten Tag zeigte der Wein mehr Holzeinfluss und passte besser – ich gebe eine glatte Zwei. Der Wein für sich verdient mindestens eine Zwei plus. Wer Bedenken gegenüber Holzfass-ausgebauten Deutschen Weinen hat, der sollte sich diesen mal als Einstiegsdroge gönnen: nicht zu dick, nicht zu alkoholisch, nicht zu holzig (das Doppelstück ist ein 2400-Liter-Fass), nicht zu ‚international‘ (oder beliebig) und vor allem: nicht zu teuer (14€).

Dönnhoff, Weißburgunder&Grauburgunder QbA ‚Doppelstück‘,2009, Nahe. Am ersten Tag entströmt dem Glas ein sehr fruchtiger Duft mit grünem Apfel, Birne und Mandarine, dazu nur ein Hauch Vanille vom Holzfassausbau. Auch am Gaumen dominiert Frucht, hier vor allem Birne und etwas Mandarine. Der Wein ist sehr balanciert: ein bisschen cremig, spürbare, harmonische Säure, leichte Mineralik und nur ein wenig Holz. Relativ langer Abgang. Am zweiten Tag zieht sich die Frucht etwas zurück und Holz- und Röstaromen werden spürbarer. Das macht den Wein nicht besser oder schlechter, sondern lediglich anders. 13% Alkohol sind zu jeder Zeit gut integriert.

Füllwein (19) – MSR Edition

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für erwähnenswert befunden habe.

St. Urbanshof, Ockfener Bockstein, Riesling Auslese (Halbflasche), 2006, Mosel (Saar). In der Nase cremig und frisch, Honig, Aprikose. blitzsauber: Riesling mit leichter Botrytis – keine modrigen 2006er-Töne. Am Gaumen mit relativ milder Säure aber trotzdem schönem Spiel. Ich kenne die Analysewerte nicht, aber der Wein hat vermutlich nicht ganz so viel Restzucker, dafür 9,5% Alkohol, die jedoch nicht ins Gewicht fallen. Wiederum sehr sauber und saftig: Aprikose, Rhabarber, Honig, Vanille; langer Abgang, der jedoch einige Bittertöne hat, die mir in der 2006er-Kollektion des St. Urbanshof öfter begegnet sind – ansonsten eine Bilderbuchauslese die noch einige Jahre vor sich hat.

Lothar Kettern, Piesporter Falkenberg, Riesling ‚Mineral‘ feinherb, 2009, Mosel. In der Nase noch mit Gäraromen und Hefe, darunter liegt viel exotische Frucht: Maracuja, Banane, Mango, Sternfrucht aber auch Rhabarber, entscheidender ist aber der Gaumen, denn der Wein ist ungemein saftig, süffig süß und mit viel Spiel – die Art von feinherbem Wein, die einen enormen Sog entwickelt. Die Hand geht ständig zum Glas. Das ist nicht ganz ungefährlich, weil der Riesling perfekt integrierte 11% Alkohol hat, die man leicht übersieht. Aprikose und Banane treffen auf eine feine Mineralik, die in diesem jungen Stadium dezent daher kommt. Wird bestimmt im Alter ernsthafter, jedoch werden meine Vorräte vorher ausgetrunken sein. Ein toller Wein.

Van Volxem, Wiltinger Braunfels, Riesling QbA, 2004, Mosel (Saar). Ich weiß nicht, ob der Wein analytisch trocken oder halbtrocken ist, das Etikett verrät nichts. Die Nase ist sehr vielversprechend: ein schöner reifer Riesling mit viel Aprikose und einer rauchigen Note. Am Gaumen ist der Wein saftig und fruchtig mit Aromen von Boskop-Apfel, Quitte und Pfirsich. Bei sehr reifer, dezenter Säure wirkt der Wein etwas süßlich, entwickelt am Gaumen nur mäßigen Druck und wirkt dadurch im mittellangen Abgang trotz nur 12% etwas alkoholisch. Der Braunfels ist mäßig mineralisch aber dafür sehr süffig. Fairer Wert.