Ich war an der Mosel, Weingüter besuchen. Das mache ich seit neun Jahren regelmäßig. Dieses Jahr stellte ich die Reise unter ein Motto: ‚Neues und Liegengebliebenes‘. Ich wollte Güter besuchen, die ich schon lange auf dem Zettel aber nie geschafft hatte und ich wollte Neues entdecken. Fünf Weingüter hatten sich entlang dieser Kriterien auf meiner Liste eingefunden. Zwei fielen in die Kategorie ‚längst überfällig‘ eines in die Kategorie Ausflug an die Mosel (1) weiterlesen
Schlagwort: 2012
VDP Großes Gewächs Präsentation Wiesbaden (3)
Der dritte Teil meiner Berichterstattung widmet sich wie angekündigt dem Spätburgunder. Während meine Erwartungen an die Rieslinge aus 2013 eher verhalten waren, mich dann die erreichte Qualität oft positiv überraschte, war es beim Spätburgunder anders herum. Wenn Petrus die Winzer nicht mit der Regenpeitsche zur Ernte treibt, scheinen es sich etliche auf dem Sofa bequem zu machen und zu denken: ach, wird das alles herrlich reif. VDP Großes Gewächs Präsentation Wiesbaden (3) weiterlesen
Unterwegs im Elsass (2)
Die Aufgabe von PR ist es, Zusammenhänge, Situationen oder Ereignisse möglichst positiv darzustellen und Themen in den Medien zu platzieren, die ohne PR dort nicht auftauchen würden. Die Aufgabe des Journalismus ist es darauf nicht hereinzufallen. So einfach wäre die Welt, wenn zwischen Schwarz und Weiß nicht noch dieses merkwürdige Grau existierte. Besonders grau wird die Situation, wenn es sich beim Journalismus um solchen zu den Themen Reise, Kochen oder Wein dreht. Unterwegs im Elsass (2) weiterlesen
Mein erster Preisfehler
Neulich wurde ich Zeuge einer Diskussion in Wolkenkuckucksheim. Es ging um die Veränderung in der Weinhändlerlandschaft der Republik, speziell um die zahlreichen neuen Internet-Weinhändler. Es sei bedauerlich und Ausdruck des Zeitgeistes, dass sich hier mit Risikokapital ausgestattete Elite-Uni-Absolventen an Geschäftskonzepten von der Stange versuchten, in denen Wein lediglich eine Ware wie jede andere sei, von Möbeln oder Schuhen nur durch die Form zu unterscheiden.
Der gediegene Weinfreak möchte seinen Wein gerne von einem Gleichgesinnten erwerben, möglichst einer Ikone der Szene, der sein halbes Leben darauf verwendet, die besten Winzer zu finden und ihre Produkte liebt wie seine eigenen Kinder. Ich war ganz still. Ich hörte nur zu – oder las mit, die Diskussion fand selbstverständlich im Internet statt. Da ich dem elektronischen Handel seit jeher beruflich verbunden bin, mochte ich in das Klagen nicht einstimmen – das hätte etwas von einem Nestbeschmutzer gehabt. Außerdem bin ich längst mindestens teilweise in das Lager der Internet-Weinbesteller übergelaufen. Doch um die Zukunftsaussichten des stationären Handels soll es hier gar nicht gehen.
Zufälligerweise am selben Abend begegnete mir eine angenehme Begleiterscheinung der Entwicklung: mein erster deftiger Preisfehler beim Weinkauf. Falsch ausgezeichnete Preise in Internetshops sind ein weit verbreitetes Phänomen. Millionen junger Deutscher jagen und teilen sie auf eigens dafür bekannten Blogs. Das führende, MyDealz aus Berlin, kommt auf vier bis fünf Millionen monatliche Besucher. Dort dauert es meist nur Minuten, bis ein falsch eingestellter Gutschein, ein unvorhergesehener Rabatt oder schlicht ein fehlerhaft eingegebener Verkaufspreis die Runde macht. Meldungen auf MyDealz haben auch schon die Bestellserver von Firmen wie Dell in die Knie gezwungen.
Bei Wein ist mir ein solcher Preisfehler noch nie begegnet. Doch irgendwann ist immer das erste Mal. Ich zappte mich gerade durch das Sortiment eines neuen Wein- und Genuss-Händlers, als mich etwas unruhig machte. Beim zweiten Hinschauen merkte ich, was es war: Schäfer-Fröhlich, 2011, Halenberg, Riesling Großes Gewächs, 21 Euro. Da stimmten gleich zwei Dinge nicht. Erstens hatte ich den Wein nicht kaufen können, weil er weit vor Freigabe im Herbst 2012 ab Weingut ausreserviert war und zweitens lag der Ab-Hof-Preis irgendwo bei 35 Euro.
Regelmäßige Leser dieses Blogs wissen um meine Liebe zum Halenberg und die Schäfer-Fröhlich’schen fehlen gleich aus mehreren Jahrgängen im heimischen Gewölbe. Also bestellte ich sofort. Das war zu schön um wahr zu sein. Und natürlich: es war auch erst mal nicht wahr. Die Bestellkommunikation lief vorbildlich: Bestellbestätigung, Bestätigung der Verfügbarkeit, Versandbestätigung – da benutzte jemand modernste Shop-Software und hatte das Elite-Uni-Wissen erfolgreich auf seinen Bestellprozess angewandt. Doch das verhinderte nicht, dass im Paket, das wenige Tage später bei mir eintraf zwar drei Flaschen Halenberg steckten, jedoch leider der einfache Lagenriesling vom Weingut Emrich-Schönleber.
Doch Service schreiben die allermeisten Startups groß. Auf meine Nachfrage, dass dieser Wein weder ein GG noch von Schäfer-Fröhlich sei, kam eine freundliche Entschuldigung für den Irrtum, sowie die Auskunft, der Wein sei leider auch nicht ersatzweise zu liefern. Er sei ausverkauft. Man bat mich um etwas Geduld. Zwei Tage später kam dann die Nachfrage, ob ich mit der Lieferung wahlweise des Jahrgangs 2009 oder 2012 einverstanden sei. Ich war! 2012 Halenberg GG für 21 Euro, das nenne ich einen Deal. Die Weine kamen, ebenso wie eine Rücksendemarke für die fälschlich gelieferten Weine und die Aufforderung einen von denen doch als Ausgleich für die mir entstandenen Unannehmlichkeiten zu behalten.
Keine Ahnung, woher die Weine stammten – aber bei drei GGs und einen Bonuswein für eben über 60 Euro hatte ich kein Interesse nachzuforschen. Meine ganze Aufmerksamkeit widmete ich einer spontan aufgerissenen Flasche Weißwein. Es war – na, Sie ahnen es.
Schäfer-Fröhlich, Halenberg, Riesling GG, 2012, Nahe. Am ersten Tag in der Nase noch Gärtöne und dazu Aprikose, ziemlich verschlossen aber ganz angenehm. Am Gaumen sehr fest, da mischen sich Mineralik/Phenolik und Schwefel. Der Wein ist sehr klar, sehr hell und sehr filigran, zeigt keine Hinweise auf überreife Trauben, feine Säure, ziemlich trocken und sehr tief. Der Abgang ist lang. Am zweiten Tag taucht auf einmal dieser Spontistinker auf, für den das Weingut bekannt ist: eine Mischung aus faulen Eiern und verbranntem Schießpulver. Ich kann das gut ab, aber ginge ich vor die Tür und zwänge die ersten zehn Passanten, denen ich begegne, mit mir den Halenberg zu trinken – ich fände keine neuen Freunde. Das Mundgefühl wird dafür etwas opulenter und weicher. Am dritten Tag ist der Halenberg cremig, die Säure tritt sehr weit zurück und macht einer Süße Platz, die mir etwas plump erscheint. Dafür hat sich der Stinker etwas zurückgezogen und der Wein aromatisch noch weiter aufgefächert: Mandarine und Apfel tauchen auf. Das ist sehr lecker, was aber auf diesem Niveau ein vergiftetes Lob darstellt. Ich habe genügend Halenberg getrunken um guter Hoffnung zu sein, dass das mal ein großer wird, alle Anlagen hat er. Und in den besten Momenten hat er auch jetzt schon sehr viel Spass gemacht.
Weinentdeckungsgesellschaft: Liebesheirat
Der neue Entdeckerwein ist da. Carsten Henn veröffentlicht einmal im Jahr einen Wein, der neue Erkenntnisse bringen soll. Diese Nochniedagewesenen sind immer ein besonderes Vergnügen. Wer mehr zum Projekt wissen will, der findet hier eine Erklärung, in der Weinliste finden sich unter W (wie Weinentdeckungsgesellschaft) alle bisherigen Entdeckerweine.
Dieses Jahr geht es um den Müller-Thurgau und den Versuch, den besten je produzierten auf die Flasche zu bringen. Wenn man Erbsen zählt, kann man bemängeln, dass es diese Idee schon gab. Der Weinkritiker Stuart Pigott hat bereits einen Müller-Thurgau (auch Rivaner genannt) mit der Sorgfalt eines Großen Gewächses ausgebaut. Den gab es nicht zu kaufen und ich habe ihn nie getrunken. Die ihn getrunken haben und mir davon berichten mochten, haben alle die Worte ‚Monster‘ und ‚Frankenstein‘ in den Mund genommen, wenn sie von Pigotts Rivaner sprachen. Das Experiment ist wohl nicht so erfolgreich gewesen.
Jetzt also die Entdeckungsgesellschaft in Kollaboration mit dem Weingut Huber: Viel Mühe haben sie sich gegeben aber den Rivaner Rivaner sein lassen – also keine extrem späte Ernte und Überreife. 40 Jahre alte Reben, im Ertrag reduziert und durch Traubenteilung noch ein paar Grad Öchsle mehr raus gekitzelt aber nicht in Rieslingdimensionen gepeitscht. Im September gelesen und in drei Partien ausgebaut. Ein neues Barrique war mit im Spiel, dazu ein gebrauchtes und ein Stahltank. Im Holz wurde der Müller-Thurgau wie ein dicker Chardonnay behandelt, mit Hefe aufrühren und allem, was dazu gehört. Im Stahltank durfte der Rivaner er selber sein, mit Säure und Kohlensäure. Huber und Henn haben auf Zucker verzichtet, sowohl beim Most wie auch beim Wein: nicht angereichert und durchgegoren auf vier Gramm Restzucker. Dann wurde vermählt und ein bisschen gedopt, mit einem Schuss Chardonnay und Muskateller.
Der Wein besitzt die Textur eines großen Weines aber nicht seine aromatische Tiefe. Landauf landab wird in den nächsten Wochen der Ruf erschallen: ‚Das ist Müller-Thurgau? So viel kann man aus dieser Rebsorte rausholen?‘ Doch ich vermute, keiner wird sagen: was für ein Schnäppchen. Oder anders gesagt: für einen Müller-Thurgau ist das ein Hammer, für einen 24-Euro-Wein nicht unbedingt. Dazu fehlt die Vielschichtigkeit. Da stößt das Experiment an seine Grenzen. Die Bäume wachsen nicht in den Himmel für den Müller-Thurgau. Wie weit sie wachsen können, das wollte ich schon immer wissen und jetzt durfte ich es entdecken. Dafür ist die Weinentdeckungsgesellschaft da. Mission accomplished.
Weingut Huber & Deutsche Wein-Entdeckungs-Gesellschaft, ‚Liebesheirat’, Müller-Thurgau, 2012, Baden. Farbe ist für mich kein Qualitätskriterium, trotzdem finde ich die Farbe des Weines erwähnenswert, er ist fast farblos. Die Nase ist sehr angenehm: die duftige Blumigkeit des Müller-Thurgau ist da, die Muskatnote eher nicht, da ist das Holz vor, das aber auch nur dezent durchscheint., Frucht ist da aber nicht leicht zu benennen, Apfel, Birne, sucht Euch was aus, Kräuter tauchen auch noch auf. Am Gaumen unmittelbar nach dem Öffnen ein echter Rivaner, Leichtwein, süffig, schlotzig. Mit zwei Stunden Luft wird es sehr viel spannender, da kommt eine starke, süße Frucht durch, dazu Nuss, etwas Holz, Nougat. Schöne Textur und Mineralik/Phenolik, plus Gärkohlensäure, plus Frische, plus etwas Gerbstoff – das ergibt enorm viel Volumen im Mund, das weder von Alkohol, noch von Zucker stammt. Das ist hochspannend und gleichzeitig einfach zu trinken. Was auffällt ist der extrem lange Abgang.
Und weil in den letzten Jahren in den Kommentaren zu den WEG-Artikeln immer Fragen kamen, hier die Gebrauchsanweisung: Wer jetzt einen aufmachen will, sollte ihm zwei Stunden Luft gönnen, einfach ein kleines Glas nach dem Öffnen einschenken und probieren, den Rest für zwei Stunden zurück in den Kühlschrank. Ich habe die angebrochene Flasche mit auf Reisen genommen. Dabei wurde die gesamte Kohlensäure aus dem Wein geschüttelt. Das hat ihm gar nicht gut getan. Also verzichten Sie auf die Karaffe. Der Wein benötigt keine weitere Flaschenreife, sondern präsentiert sich jetzt so, wie er vermutlich gedacht ist. Wer nur eine Flasche hat, sollte sie nicht ewig liegen lassen.