Simple Genüsse (8) – Weihnachtsweine

Lese ich in der zweiten Dezemberhälfte in deutschen Weinblogs und -foren, kommt mir ein Gedanke: Weihnachten ist für viele Weininteressierte willkommener Anlass für eine Keller-Leistungsschau. Da gibt es nichts zu kritisieren und keine Moralkeule zu schwingen: jeder soll es halten, wie er es mag. Allein für mich ist das nichts. Ich bin kein religiöser Fundamentalist aber trotzdem mag ich an Weihnachten nicht mit Stift und Zettel vor der Weinflasche knien. Der Aufwand, den ich an vielen Tagen des Jahres um meinen Wein veranstalte, mag weinfremden Menschen – und nun greife ich tief in die Fundamentalismuskiste – wie Götzenverehrung vorkommen, es kommt mir manchmal selbst so vor. Deswegen ist Heiligabend ein Tag, an dem es nur ganz einfache Weine gibt und keine Notizen gemacht werden. Trotzdem sollen die Weine Genuss bringen – schlechter Stoff würde dem Anlass ja auch nicht gerecht. Also gab es an Heiligabend im fünften Jahr in Folge den Chardonnay Duett 2006 von Bernhard Fiedler. Die Rotweintrinker erhielten einen einfachen Cotes du Rhone von Guigal.

An den beiden Feiertagen kommt irgendwas Leckeres auf den Tisch und wenn es passt, mache ich auch ein paar Notizen (wie gesagt, ich bin kein Fundamentalist). Aber auch diese Weine spielen unter der GG-Klasse, denn das Hauptaugenmerk liegt auf Tannenbaum, Kinderlachen und ein bisschen innerer Einkehr. Drei Weine will ich aber dokumentieren.

Battenfeld-Spanier, Hohen Sülzen Riesling -S-, 2007, Rheinhessen. In der Nase ganz viel ganz reife Frucht: Maracuja, Erdbeere, Melone; etwas Tabak – insgesamt schwülstig wie die weihnachtliche Ausstrahlung von ‚Dr. Schiwago‘. Am Gaumen ist der Riesling ebenfalls sehr mächtig, eher halbtrocken mit leicht spürbaren 13% Alkohol und wieder viel Frucht: Orange, Grapefruit, Aprikose, dazu eine kräftige Mineralik und im ausgesprochen langen (aber auch leicht klebrigen) Abgang etwas Malz. Ich denke, der Wein soll mit seiner Fülle beeindrucken und er beeindruckt. Ich finde ja, solche Brummer haben absolut ihre Berechtigung und trinke sie sehr gerne, wenngleich mir kleine Dosen reichen. Das erste Glas ist einfach großartig. Danach gab‘s was Rotes zum Essen und das war gut so.

Reinhold & Cornelia Schneider, Spätburgunder trocken *** -C-, 2005, Baden. Der Wein braucht noch ungefähr eine Stunde Luft, um seine volle Pracht zu entfalten. In der Nase verhaltene Frucht (Himbeere und Kirsche) dazu Holz, Thymian und Rosmarin, Blut – insgesamt vielschichtig aber nicht sehr dicht. Am Gaumen ist der -C- ein sehr eleganter Burgunder, getragen von kräftiger Säure, dezentem Holzeinsatz, feinen und zurückhaltenden Tanninen, zeigt er etwas Mineralik, rohes Fleisch, Kirsche und Himbeere. Der lange Abgang ist von Frucht und Säure getragen. Wenn ein Winzer in einem Jahr wie 2005 einen reifen Spätburgunder am Kaiserstuhl produziert, der nur 13% Alkohol aufweist, dann war er im Weinberg besonders fleißig, so mein laienhaftes Verständnis vom Weinbau. Die Arbeit hat sich in jedem Fall gelohnt, denn der zurückhaltende Alkohol ist ein großes Plus dieses sehr eleganten Weines.

Molitors Versteigerungsspätlese

Markus Molitor, Zeltinger Sonnenuhr, Riesling Spätlese, 2005, Mosel. Es handelt sich um die Versteigerungsspätlese. Die ist in der Nase ganz schön dicht und wuchtig: hochreife Aprikose, Rhabarber, Honig und Aloe Vera. Das erinnert eher an eine Beerenauslese. Am Gaumen zeigt sie dann aber zum Glück keine mastigen Botrytismuskeln oder gar Schärfe. Ein leicht cremiges Mundgefühl und opulente Süße legen zwar den Schluss nahe, dass es sich hier um einen Ausgangsmost der gehobenen Auslese-Klasse handelte, der Wein hat aber auch eine gewisse Klarheit und Saftigkeit, die einen ordentlichen Trinkfluss erlaubt. Auch die bei Molitor oft zu findenden Bitter- und Gerbstoffe sind da und erzeugen mit der ordentlichen Säure und feinen Mineralik einen guten Kontrast zu all dem Zucker. Honig, Vanille und Aprikose machen das Bild vom eher edel- als fruchtsüßen Riesling komplett. Der Abgang ist lang und verhalten mineralisch. Auch hier begeistert mich ein erstes Glas, ohne dass ich sofort nachschenke.

Schwere Jungs

Mein Geschmackssinn gibt mir Rätsel auf. Das ist wohl der Grund, warum ich ein Weinblog schreibe. So bin ich angehalten, kontinuierlich Notizen zu machen und dabei über das getrunkene und geschmeckte zu reflektieren. Allzu groß ist der Erkenntnisgewinn bisher nicht. Eines allerdings kann ich festhalten: Ich bin zutiefst ungerecht. Manchmal begegne ich Weinen, denen ich eine gewisse Klasse attestieren muss, und sie können mich trotzdem nicht überzeugen und manchmal trinke ich mit Begeisterung einen Wein, den man – vermutlich nicht ganz zu Unrecht – mit einem Satz pauschal verunglimpfen könnte, und komme aus dem Schwärmen nicht heraus.

Es wäre wünschenswert, wenn ich dabei ein Muster an den Tag legte, dann könnte ich von Vorlieben sprechen. Aber leider ist es nicht so einfach. Selbst innerhalb eng gefasster Parameter ist die Varianz meiner Wahrnehmung beträchtlich. Tagesform taugt als Erklärungsansatz nur bedingt, da ich die meisten Weine, zu denen ich mich hier äußere, über mehrere Tage trinke. Von Etiketten bin ich nur selten beeindruckt (manchmal bestimmt), denn im vorliegenden Fall müsste das Urteil sonst andersherum ausfallen. Konkret hatte ich dieser Tage wieder zwei fette Brummer im Glas, von denen ich den einen im Endeffekt etwas ermüdend fand, während das vermutlich plumpere Exemplar mich restlos überzeugt hat.

Joachim Heger, ‚Vitus‘ Weissburgunder, 2009, Baden. Der Wein stammt vom Weinhaus, nicht dem Weingut Dr. Heger, ist aber trotzdem eine Erzeugerabfüllung. Ich dachte immer, nur die unter dem ‚Dr. Heger‘ Etikett produzierten Weine kämen aus eigenen Trauben und das ‚Weinhaus‘-Label wäre für zugekauftes Material reserviert, aber dem ist offenbar nicht so. Ich hatte den Wein nach einer Probe gekauft und wusste, was mich erwartet. In der Nase sehr viel frisches Holz, etwas Birne und Mandarine, sehr cremig, buttrig aber auch leicht ranzig und ordinär, wie Weissburgunder manchmal ist. Am Gaumen ist der Wein ebenfalls ausgesprochen cremig, mit Orange und Haselnuss, sehr viel Holz und Rauch, etwas Mineralik und feiner Säure. Der Weissburgunder ist so üppig, dass er 14,5% Alkohol wacker verdaut, wenngleich eine alkoholische Süße den Abgang prägt, ohne jedoch den Vitus brandig erscheinen zu lassen. Der Ausklang ist sehr lang, der Wein ungemein schmelzig. Er trinkt sich gut zum Essen (nimmt es mit den Kapern in Königsberger Klopsen spielend auf) und macht auch solo anschließend eine gute Figur.

Empfindlichere Weinfreunde nennen sowas vielleicht ein alkoholisches Holzmonster, ich nenne das einen Klassewein.

Hochheimer Hölle EG 2005Künstler, Hochheimer Hölle, Riesling Erstes Gewächs, 2005, Rheingau. Fünf Jahre Vorfreude ergossen sich ins Glas, denn ebenso lange reifte der Wein in meinem Keller. Dass Künstler keine schlanken EGs macht, war mir wohl bekannt. In der Nase überreife Aprikose und Bratapfel, Muskat, etwas Malz und eine leichte Reifenote. Am Gaumen ist der Riesling ziemlich fett. Nicht, weil er besonders viel Restsüße mit sich rumschleppt, sondern eher, weil 13,5% Alkohol, viel Frucht und etwas Zucker nicht ausreichend von Säure und Mineralik abgepuffert werden. Dabei ist er durchaus mineralisch und tief, vor allem aber von überreifer Frucht (wiederum mürber Apfel und Dörraprikose) geprägt. Das beeindruckt beim ersten Glas und ermüdet beim zweiten. Damit will ich nicht sagen, dass der Wein ein Blender wäre; er ist grandios – aber eben so raumgreifend, dass es irgendwann anstrengend wird, selbst wenn man die Flasche über drei Tage streckt. Vielleicht eher ein Wein für kühle Herbstabende oder eine größere Runde.

Simple Genüsse (5) – Riesling

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für besonders befunden habe.

Alexander Laible, Riesling ‚Alte Reben‘ trocken ***, 2007, Baden. In der Nase Blüten, Malz, Bratapfel, aufregende Mischung mit einem Hauch von Hefe. Am Gaumen ausgesprochen mineralisch, frisch, mit kräftiger Säure, trocken, leicht schmelzig, Apfel, Nashi-Birne. Der Riesling wirkt etwas verschlossen, deutet aber an, dass da noch einige kommen könnte (man kann das auch ‚Tiefe‘ nennen, wenn man mag). Der Abgang ist sehr lang, der Wein ist hervorragend.

Koehler-Ruprecht, Kallstadter Saumagen, Riesling Kabinett trocken, 2007, Pfalz. In der Nase sehr von reifer Frucht geprägt: Aprikose, Apfel und Quitte, dazu etwas Aloe Vera und Malz. Das wirkt ungemein opulent. Am Gaumen ist der Wein dann aber unaufdringlich. Saumagenrieslinge sind gerne mal kompliziert, dieser hier ist ganz einfach und klar: Aprikose und Apfel, eine sehr balancierte Säure, nicht sehr üppig, nicht sehr druckvoll, ziemlich trocken. Leicht zu trinken und leicht zu verstehen, auch wenn die spürbare Mineralik einen Tick Exklusivität verströmt. Der Abgang ist mittellang. Es gibt Tage, da ist sowas das schönste, was ich mir vorstellen kann. Glücklicherweise hatte ich ihn an genau so einem Tag im Glas.

Josef Rosch, Klüsserather Bruderschaft, Riesling Spätlese feinherb, 2009, Mosel. Ich hielt die Nase ins Glas und dachte: ‚mollig warm‘. Der Wein war kalt, aber die Assoziationen nicht. Das lag vermutlich an der kräftigen Marzipanaromatik, die sich zu Aprikose und Quitte gesellte. Am Gaumen war der Riesling ziemlich süß, die Säure eine Spur zu zurückhaltend. Malz, Aprikose eine mäßige Mineralik – das wirkte alles eine Spur fett und ich würde nicht wetten wollen, dass der Wein frei von Botrytis ist. Die noch prägende Kohlensäure heitert den Wein etwas auf, der Abgang war lang. Guter Riesling – aber ich habe von Rosch gerade in dieser Kategorie schon größere Weine aus kleineren Jahrgängen getrunken.

Nennt mich Sisyphos!

Ich habe mir einen Ruck gegeben und eine Weinliste angelegt. Als vierter Reiter oben in der Navigation soll sie all denjenigen helfen, die einen bestimmten Wein in diesem Blog suchen. Es war eine viehische Arbeit, die 150 Links händisch zu setzen, aber je länger ich damit gewartet hätte, desto mühsamer wäre es geworden. Zu dieser zeitraubenden aber recht einfachen Arbeit gab es auch etwas zu trinken: einen angemessenen Arbeitswein, wie sich herausstellen sollte.

Salwey, Eichberg ‚R‘, Spätburgunder, 2005, Baden. In der Nase vor allem Holz, dazu Himbeere und etwas Erdbeere. Am Gaumen mollig, warm und ebenfalls mit vielen Holz- und Röstaromen. Der Wein hat eine kräftige Säure, schönes Kirsch- und Beerenaroma, ist aber insgesamt ziemlich rustikal. Der Abgang ist lang und verhalten mineralisch. So, wie das Holz vielleicht etwas dominant ist, ist der Alkohol mit nur 13% erfreulich unauffällig. Insgesamt ein sehr schöner, wenngleich kein großer Wein.

Füllwein (18)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für erwähnenswert befunden habe.

Dr. Bürklin-Wolf, Deidesheimer Langenmorgen ‚PC‘, Riesling QbA trocken, 2007, Pfalz. Ich habe schon lange keine ambitionierte Spätlese eines VDP Weingutes mehr getrunken, fiel mir auf, als ich den Korken aus dieser Flasche zog. Um es auf den Punkt zu bringen: mit 13,5% Alkohol ist dieser Wein nicht weniger wuchtig, als die meisten GGs aus 2007, die ich bisher getrunken habe. Aber er ist trotzdem sehr elegant. In der Nase erscheint er noch recht verschlossen mit viel Hefe und viel Zitrus, dazu etwas Aloe Vera und eine dezent süßliche Note. Am Gaumen ist er sehr balanciert: saftig mit mittlerem Druck, erscheint sehr trocken, was auch an dezenten Gerbstoffen liegen mag. Aromen von Aprikose und Apfel dominieren die Frucht, der Abgang ist sehr mineralisch – irgendwie gleichzeitig pfälzisch-barock und doch verspielt. Hat was Magisches.

Bernhard Huber, Malterdinger Spätburgunder QbA, 2004, Baden. In der Nase gekochte Beeren, Sellerie, einige grüne Noten, etwas Rauch. Am Gaumen ist der Wein sehr fruchtig, mit gekochter Erdbeere, Kirsche und Himbeere. Er glänzt dazu mit rescher Säure und sehr dezenten Holzaromen (der Wein ist in zweit- und drittbelegten Barriques ausgebaut). Es stellt sich eine schöne Balance zwischen Süffigkeit und Komplexität ein. 13,5% Alkohol stören nicht weiter, solange der Wein nicht warm wird. Überhaupt ist dieser Spätburgunder von der Sorte, die unheimlich in die Breite gehen, wenn sie Zimmertemperatur erreichen – dann wird’s brandig und marmeladig. Kleine Portionen zügig zu vertilgen, ist eine wunderbare Alternative bei diesem gelungenen Wein.

Günther Steinmetz, Brauneberger Juffer *, Riesling Auslese feinherb, 2003, Mosel. Ich sei kein großer Fan der Rieslinge dieses exzellenten Rotweinproduzenten, schrieb ich vor geraumer Zeit. Das ist ein pauschales Urteil, zu dem es Ausnahmen gibt. Ausgerechnet im Problemjahr 2003 ist Stefan Steinmetz ein hervorragender Riesling der etwas schwereren Kategorie gelungen. In der Nase immer noch mit Spontan-Noten aber auch mit Mango und Aloe Vera, kommt der Riesling am Gaumen relativ süß daher. Trotzdem zeigt er viel Spiel. Zu Aromen von Karamell, Kemmschen Kuchen und Ananas gesellt sich eine rauchige Mineralik. Im sehr langen Abgang spürt man etwas die 11,5% Alkohol.