Mein erster Preisfehler

Neulich wurde ich Zeuge einer Diskussion in Wolkenkuckucksheim. Es ging um die Veränderung in der Weinhändlerlandschaft der Republik, speziell um die zahlreichen neuen Internet-Weinhändler. Es sei bedauerlich und Ausdruck des Zeitgeistes, dass sich hier mit Risikokapital ausgestattete Elite-Uni-Absolventen an Geschäftskonzepten von der Stange versuchten, in denen Wein lediglich eine Ware wie jede andere sei, von Möbeln oder Schuhen nur durch die Form zu unterscheiden.

Der gediegene Weinfreak möchte seinen Wein gerne von einem Gleichgesinnten erwerben, möglichst einer Ikone der Szene, der sein halbes Leben darauf verwendet, die besten Winzer zu finden und ihre Produkte liebt wie seine eigenen Kinder. Ich war ganz still. Ich hörte nur zu  – oder las mit, die Diskussion fand selbstverständlich im Internet statt. Da ich dem elektronischen Handel seit jeher beruflich verbunden bin, mochte ich in das Klagen nicht einstimmen – das hätte etwas von einem Nestbeschmutzer gehabt. Außerdem bin ich längst mindestens teilweise in das Lager der Internet-Weinbesteller übergelaufen. Doch um die Zukunftsaussichten des stationären Handels soll es hier gar nicht gehen.

Zufälligerweise am selben Abend begegnete mir eine angenehme Begleiterscheinung der Entwicklung: mein erster deftiger Preisfehler beim Weinkauf. Falsch ausgezeichnete Preise in Internetshops sind ein weit verbreitetes Phänomen. Millionen junger Deutscher jagen und teilen sie auf eigens dafür bekannten Blogs. Das führende, MyDealz aus Berlin, kommt auf vier bis fünf Millionen monatliche Besucher. Dort dauert es meist nur Minuten, bis ein falsch eingestellter Gutschein, ein unvorhergesehener Rabatt oder schlicht ein fehlerhaft eingegebener Verkaufspreis die Runde macht. Meldungen auf MyDealz haben auch schon die Bestellserver von Firmen wie Dell in die Knie gezwungen.

Bei Wein ist mir ein solcher Preisfehler noch nie begegnet. Doch irgendwann ist immer das erste Mal. Ich zappte mich gerade durch das Sortiment eines neuen Wein- und Genuss-Händlers, als mich etwas unruhig machte. Beim zweiten Hinschauen merkte ich, was es war: Schäfer-Fröhlich, 2011, Halenberg, Riesling Großes Gewächs, 21 Euro. Da stimmten gleich zwei Dinge nicht. Erstens hatte ich den Wein nicht kaufen können, weil er weit vor Freigabe im Herbst 2012 ab Weingut ausreserviert war und zweitens lag der Ab-Hof-Preis irgendwo bei 35 Euro.

Regelmäßige Leser dieses Blogs wissen um meine Liebe zum Halenberg und die Schäfer-Fröhlich’schen fehlen gleich aus mehreren Jahrgängen im heimischen Gewölbe. Also bestellte ich sofort. Das war zu schön um wahr zu sein. Und natürlich: es war auch erst mal nicht wahr. Die Bestellkommunikation lief vorbildlich: Bestellbestätigung, Bestätigung der Verfügbarkeit, Versandbestätigung – da benutzte jemand modernste Shop-Software und hatte das Elite-Uni-Wissen erfolgreich auf seinen Bestellprozess angewandt. Doch das verhinderte nicht, dass im Paket, das wenige Tage später bei mir eintraf zwar drei Flaschen Halenberg steckten, jedoch leider der einfache Lagenriesling vom Weingut Emrich-Schönleber.

Doch Service schreiben die allermeisten Startups groß. Auf meine Nachfrage, dass dieser Wein weder ein GG noch von Schäfer-Fröhlich sei, kam eine freundliche Entschuldigung für den Irrtum, sowie die Auskunft, der Wein sei leider auch nicht ersatzweise zu liefern. Er sei ausverkauft. Man bat mich um etwas Geduld. Zwei Tage später kam dann die Nachfrage, ob ich mit der Lieferung wahlweise des Jahrgangs 2009 oder 2012 einverstanden sei. Ich war! 2012 Halenberg GG für 21 Euro, das nenne ich einen Deal. Die Weine kamen, ebenso wie eine Rücksendemarke für die fälschlich gelieferten Weine und die Aufforderung einen von denen doch als Ausgleich für die mir entstandenen Unannehmlichkeiten zu behalten.

Keine Ahnung, woher die Weine stammten – aber bei drei GGs und einen Bonuswein für eben über 60 Euro hatte ich kein Interesse nachzuforschen. Meine ganze Aufmerksamkeit widmete ich einer spontan aufgerissenen Flasche Weißwein. Es war – na, Sie ahnen es.

HalenbergSchäfer-Fröhlich, Halenberg, Riesling GG, 2012, Nahe. Am ersten Tag in der Nase noch Gärtöne und dazu Aprikose, ziemlich verschlossen aber ganz angenehm. Am Gaumen sehr fest, da mischen sich Mineralik/Phenolik und Schwefel. Der Wein ist sehr klar, sehr hell und sehr filigran, zeigt keine Hinweise auf überreife Trauben, feine Säure, ziemlich trocken und sehr tief. Der Abgang ist lang. Am zweiten Tag taucht auf einmal dieser Spontistinker auf, für den das Weingut bekannt ist: eine Mischung aus faulen Eiern und verbranntem Schießpulver. Ich kann das gut ab, aber ginge ich vor die Tür und zwänge die ersten zehn Passanten, denen ich begegne, mit mir den Halenberg zu trinken – ich fände keine neuen Freunde. Das Mundgefühl wird dafür etwas opulenter und weicher. Am dritten Tag ist der Halenberg cremig, die Säure tritt sehr weit zurück und macht einer Süße Platz, die mir etwas plump erscheint. Dafür hat sich der Stinker etwas zurückgezogen und der Wein aromatisch noch weiter aufgefächert: Mandarine und Apfel tauchen auf. Das ist sehr lecker, was aber auf diesem Niveau ein vergiftetes Lob darstellt. Ich habe genügend Halenberg getrunken um guter Hoffnung zu sein, dass das mal ein großer wird, alle Anlagen hat er. Und in den besten Momenten hat er auch jetzt schon sehr viel Spass gemacht.

In Sack und Flasche

Ich finde Bocksbeutel doof, jene altdeutsche Flaschenart, in der traditionsbewusste Franken ihren Wein füllen. Bocksbeutel kann man nicht stapeln, Bocksbeutel nehmen in der Kühlschranktür den Platz von zwei Flaschen ein, Bocksbeutel kreiseln wie beim Flaschendrehen, will man sie liegend lagern und Bocksbeutel dienen viel zu vielen Winzern als Ausrede weiter auf Korken zu setzen (dabei gibt es ihn mit Schraubgewinde und Glasverschluss). In Sack und Flasche weiterlesen

Höllisch gut

Frohes neues Jahr, allerseits.

Das abgelaufene Jahr war für mich als Blogger ein sehr aufregendes. Ich konnte viele Menschen treffen, die etwas über Wein zu erzählen haben und viele Weine trinken, die horrende Summen kosten oder nicht auf offiziellen Preislisten stehen. Das bot einerseits Stoff für pompöse Geschichten, die vielen Lesern gefallen haben, andererseits war es dem Alltag entrückt, dem Blog wesensfremd.

Im neuen Jahr will ich versuchen wieder häufiger über Weine zu schreiben, die ich mir aus dem Keller geholt und glücklich genossen habe. Zwar werde ich nicht zu kommentarlosen Verkostungsnotizen zurückkehren, aber es muss auch mal ein Anekdötchen reichen.

Den Anfang macht ein Wein, dessen Anekdötchen ich mir bisher verkniffen habe. Es handelt von meiner ersten Begegnung mit den Weinen von Chat Sauvage, jenem Rheingauer Gut, das vermutlich als einziges im Anbaugebiet keinen Riesling produziert, sondern ausschließlich auf Spätburgunder und Chardonnay setzt. Es war 2008 beim Hamburger Weinsalon, als mir schon beim Betreten des Gebäudes ein Fremdkörper auf dem Ausstellerparkplatz auffiel: zwischen all den Mercedes Sprintern und Kombis mit süddeutschem stand ein Ultraluxusgefährt (Bentley, Rolls Royce oder so) mit Hamburger Kennzeichen. Drinnen ließ sich dann sofort erkennen, wem der gehören musste. An allen Präsentationstischen standen Winzer und Weingutsverwalter, die genau so aussahen, wie man sich Winzer und Weingutsverwalter gemeinhin vorstellt. Nur hinter dem Tisch des erstmals ausstellenden Gutes Chat Sauvage saß ein in auffallend edlen Zwirn gekleideter offensichtlich branchenfremder Herr. Neben ihm stand ein junger Mann.

Berührungsängste sind mir fremd, also ließ ich meiner Neugier freien Lauf. Es stellte sich heraus, dass der jüngere, leicht nervös wirkende Mann der Gutsverwalter und der sitzende Herr der Besitzer des Weingutes war. Das Bild war gewöhnungsbedürftig. Chat-Besitzer Günter Schulz war mit allen Insignien finanzieller Potenz ausgestattet, von der brillantbesetzten Krawattennadel bis zur sehr großen und sehr goldenen Bulgari Uhr, saß schweigend da, ließ den jungen Mann seine Weine präsentieren und streute lediglich hier und da Bemerkungen der Art ein, man wolle das ,deutsche Romanée-Conti’ werden. Sein Weißwein trug den Namen ‚Clos de Schulz‘. Geschmäcker sind verschieden und manche Menschen verspüren einen stärkeren Drang als andere ihren Erfolg in der Welt zu präsentieren. Die Weine waren aber gut und ich bestellte mir ein paar.

Sollte dem geneigten Leser jetzt der Gedanke kommen, dass solcherlei Lästerei diesem Blog und seinem Autor schlecht zu Gesicht stehen, so will ich stante pede einlenken. Ich halte Häme als Stilmittel auch für deplatziert außer in einem Fall: in Verbindung mit sofortiger Abbitte. Und die will ich leisten. Denn dieser Tage machte ich mir nach längerer Pause einen der Chat. Sauvage Pinots auf und es war um mich geschehen.

Ein Bekannter sagte einmal, es gäbe Weine, die seien so gut, dass man sich das Hemd vom Leib reißen, auf die Knie sinken und erst dem Herrgott und dann dem Winzer danken möchte, dass es so was in Flaschen zu kaufen gibt. Solches spielte sich in meiner Küche ab – mit zwei Änderungen. Das Hemd ließ ich an und ich dankte als drittem noch Herrn Schulz, dass er dieses Weingut gegründet hat. Wer einen Teil seines Reichtums für so ein Projekt aufwendet, der kann sich für den Rest seiner Kohle meinetwegen den Koh-I-Noor-Diamanten auf seine Bulgari nieten lassen, das tut meinem Respekt keinen Abbruch.

Chat_Sauvage_HöllenberChat Sauvage, Assmannshäuser Höllenberg, Spätburgunder Erstes Gewächs, 2006, Rheingau. In der Nase ein Riesenpaket: Kirsche, Rauch, Thymian und Rosmarin, Brot, Blut und dann sagt das Hirn: hör auf zu suchen, schnuppere und sei glücklich. Am Gaumen die gleiche Prozedur: Pflaume, Kirsche, Himbeere, Speck, Rauch, Holz und rohes Fleisch, Bleistiftspäne und Schluss (vorzeitig). Das Mundgefühl ist voll aber saftig – und fest, ich will die Zähne zusammenbeißen um den Wein zu knacken, so stramm ist er. Der Abgang ist sehr lang und steht Nase und Gaumen in Nichts nach, der eigentlich moderate Alkohol (13%) entfacht ein tolles Feuer. Wahnsinn! Vor 18 Monaten hatte ich schon einmal eine positive Begegnung mit diesem Höllenberg. Damals notierte ich ‚Um groß zu sein mangelt es dem Spätburgunder an Tiefe‘ – die hat er jetzt und ich finde ihn groß. Zum Niederknien.

Mein erster A. de. L.

Legenden gehören zum Wein wie Butter auf’s Brot. Wenn Sie dieser Satz stutzig macht, Sie Verfechter von Margarine oder der Meinung sind, zwischen Wurst und Backware gehöre gar nichts, dann sind wir mitten beim Thema. Denn die Frage, ob man legendäre Weine – für entsprechend legendäre Preise – benötigt, lässt sich auch ganz schnöde mit ‚Nö‘ beantworten.

Ich persönlich genehmige mir einen moderaten Butterkonsum. Und ich bin für Weinlegenden und legendäre Weine anfällig – ebenfalls in Maßen. Daher schlummern in meinem Keller ein paar Flaschen Wein aus der Kategorie ‚ultrapremium‘ oder ‚Icon Wines‘ wie die denglische Bezeichnung lautet. Es handelt sich bis auf ganz wenige Ausnahmen um deutsche Icon Wines und wenn Ihnen jetzt die spöttische Bemerkung auf der Zunge liegt ‚deutsch‘ und ‚Icon‘ sei ja wohl ein Widerspruch in sich, dann sind wir uns zwar ein zweites Mal uneins, Sie aber noch lange kein schlechter Mensch.

Wenn Sie einmal – mir zuliebe, ist schließlich mein Blog – für eine Sekunde dem Konzept ‚deutscher Icon Wine‘ folgen mögen (sonst hören Sie einfach auf zu lesen), dann können Sie sich vorstellen, wie viel Freude es mir macht, eine solche Ikone ihrer Bestimmung zuzuführen. Dieser Tage war das gleich zwei mal der Fall.

Der erste Wein findet sich erst nächste Woche in einem Beitrag. Er ist moderat bepreist, geschmacklich speziell (weil halbtrocken) und daher einer kleinen Zielgruppe vorbehalten. Sein Preis ist kein Exklusivitätsmerkmal. Das sieht beim zweiten etwas anders aus.

Das Weingut Emrich-Schönleber gehört zu den besten Deutschlands, sein Großes Gewächs aus dem Monzinger Halenberg zählt Jahr für Jahr zu den aufregendsten trockenen Rieslingen. Seit 2005 lege ich mir regelmäßig die Weine des Gutes in den Keller, Halenberg und Frühlingsplätzchen sind die einzigen GGs aus dem Jahrgang 2010, die Einzug ins Gewölbe fanden. Wie aufregend fand ich es da, als ich 2009 einen Brief aus dem Weingut bekam, in dem die Schönlebers einen neuen Wein ankündigten, der noch oberhalb der bisherigen trockenen Spitze angesiedelt sein sollte.

Auf der Lay hieß ein Teil des heutigen Halenbergs vor der Reform deutscher Lagennamen im Jahr 1971. Es ist eine Parzelle, deren Boden sich vom Rest des Halenbergs unterscheiden soll. Mit dem Jahrgang 2008 entschlossen sich die Winzer (das Gut wird von Vater und Sohn bewirtschaftet) die Weine der älteren Reben dieser Parzelle wieder separat auszubauen. Dabei wollen Sie besonderen Aufwand betreiben, den Weinberg noch aufwändiger als andere Parzellen pflegen und nur das beste Lesematerial für ihren Wein verwenden. Wie viel davon Marketing ist und wie viel Realität: ich kann es aus der Ferne nicht beurteilen – immerhin: in schwächeren Jahren wie 2010 wird der Wein nicht produziert.

Der A. de. L. darf nicht ‚Auf der Lay‘ heißen, weil die ehemaligen Weinlagen auf Etiketten Tabu sind. (Diese Vorschrift steht kurz vor der Abschaffung.) Also behalfen sich Schönlebers mit dem Kunstgriff Abkürzung. Um die Exklusivität zu steigern erscheint der Wein nur in Magnumflaschen (und davon nur 180 Stück) sowie einer Hand voll Doppelmagnums und diese kann der geneigte Weinfreund nicht bestellen, er muss sie ersteigern. Also steigerte ich. Mit etwas unter 140 Euro pro Magnum erzielte der Wein einen Preis deutlich über den Großen Gewächsen war aber – umgerechnet auf die Normalflasche – immer noch zweistellig. Meine Liebe zu Icon Wines endet, wenn es dreistellig wird. Also war alles gut.

A.de.L.2009Da ich mir eine Magnum nicht zum Abendbrot aufmache, sind die Gelegenheiten für diese Weine rar. Als ich jetzt ein Essen für zwölf gab, erschien mir der A. d. L. ein guter Aperitif. Ich entschied mich für den 2009er aus Gründen, die ich im Blog schon einmal thematisiert habe.

Emrich-Schönleber, Riesling trocken ‚A de L‘, 2009, Nahe. In der Nase angeschlagener Feuerstein und Apfel, fruchtig, würzig aber nicht außergewöhnlich. Am Gaumen erscheint der Wein erst fröhlich und harmlos: Apfel und viel Zitrus, doch dann kommt eine tiefe, rauchige Note, die spannend ist und der Riesling wirkt enorm dicht und kompakt. Das Mundgefühl ist sehr fest, wahnsinnig phenolisch/mineralisch und man ist versucht den Wein wie ein Stück Fleisch zu kauen, wenn das nicht so albern aussähe. Der lange Nachhall kitzelt den Schlund mit feinen Gerbstoffen und einem Hauch Kreide. Der Jahrgang meldet sich auch zu Wort: über allem liegt zunächst der Eindruck vorzeitiger Reife, als tränke man parallel einen zweiten, alten Wein. Doch das belüftet sich nach zwei Stunden weg. Danach hat der A. de. L. etwas kristallines, ist schwer zu fassen, animierend und eine tolle Erfahrung.

Es klingt ein bisschen komisch aber man meint,den Aufwand schmecken zu können, den die Winzer mit dem Wein betrieben haben. War vermutlich Ultrapremiumaufwand.

Barfuß in Berlin

Wie vor kurzem schon berichtet, hat sich meine Begeisterung für Weingutsbesuche merklich abgekühlt. Die Geschichten, die man hört, sind immer die gleichen und orientieren sich eher daran, was der Kunde hören will als an der tatsächlichen Entstehung des Weines der jeweiligen Produzenten – Ausnahmen bestätigen die Regel. Glücklicherweise lebe ich in Berlin und da gibt es reichlich Veranstaltungen, bei denen man in einem Rahmen auf Winzer trifft, der zu mehr Offenheit und echtem Informationsgehalt einlädt. Gleich zwei durfte ich letzte Woche besuchen. Als jeweils einziger geladener Amateur profitierte ich dabei von der Atmosphäre, die die ebenfalls geladenen Sommeliers und Weinhändler im Handumdrehen erzeugen, sobald sie unter sich sind. Das Gefühl mich bei einer Veranstaltung eingeschlichen zu haben, bei der ich eigentlich nix zu suchen habe, kann ich mittlerweile ganz gut unterdrücken.

Den Anfang machte eine kleine Soiree beim Berliner Weinenthusiasten Martin Zwick, bei der die Geschwister Melanie Stumpf-Kröger und Matthias Stumpf vom Weingut Bickel-Stumpf gleich 18 Weine aus verschiedenen Jahrgängen und Qualitätsstufen präsentierten – bis auf den Pinot-Sekt zum Start und den Fränkischen Gemischten Satz zum Abschluss samt und sonders aus der Silvaner-Traube gekeltert. Die kleine Runde von sieben Personen erlaubte intensive Gespräche und konzentriertes Kosten. Da durfte ich einiges lernen, etwa dass mir Silvaner vom Buntsandtsein deutlich besser gefällt als vom Muschelkalk. Die Unterschiede zwischen den Standorten waren über mehrere Jahrgänge so deutlich schmeckbar, dass ich glauben will, der Silvaner kann seine Herkunft ebenso gut abbilden wie der Riesling (dem man gemeinhin nachsagt, er könne das besser als irgendeine andere Rebe). Und eine Erkenntnis, an der ich schon lange nage, wird allmählich zur Gewissheit: Alles, was nicht Riesling oder Sauvignon Blanc ist, darf für mich gerne in ein Eichenfass gefüllt werden – nicht unbedingt ein kleines französisches aber irgendein leicht aromatisierendes bitte.

Die knackigen Guts- und Ortssilvaner der Geschwister finde ich zwar mehr (Muschelkalk) oder weniger (Buntsandtsein) begeisternd, die Lagenweine aus dem Kapellenberg (VDP Erste Lage) und Mönchshof (VDP Grosse Lage, also GG) mit ihren teils intensiven Eichenholzaromen sind für mich aber Weißweine zum Niederknien, insbesondere das 2012er GG. Die geringe Größe der Runde ermutigte mich wieder zum Reste-Schnorren, weswegen ich letzteren in der angebrochenen Flasche mit nach Hause nehmen durfte. Interessanterweise haben die Geschwister Stumpf mit ihrem Stil regelmäßig Probleme bei den sensorischen Prüfungen für das GG. Ich behaupte ja, wir Deutschen werden als Volk immer lockerer und liebenswürdiger, unsere Unart, jede Form von Eigenwilligkeit erst nach mehreren Jahren zu akzeptieren, sollten wir aber dringend noch ablegen.

Bickel-Stumpf in BerlinBleibt die Frage nach den Insiderinformationen: Manches, was besprochen wurde, verbuchte ich sofort in der Kategorie ,What happens in Vegas, stays in Vegas‘. Denn ein bisschen verstehe ich die Winzer, die in der Öffentlichkeit nur Geschichten vom perfekten Wein erzählen: die wahren Berichte von kleinen und großen Reparaturmaßnahmen verselbständigen sich im Zeitalter von Facebook zu leicht und mutieren zum veritablen Chemie-Unglück. Dass die Stumpfs vielfach auf Reinzuchthefen zurückgreifen, 2010 entsäuert haben oder bei nur 1000 produzierten GG-Flaschen den Ausstattungsrichtlinien des VDP nicht zu akzeptablen Kosten nachkommen können, sind sicher zitierfähige Anekdoten. Und dann gibt es da noch eine trinkbare: der Silvaner, der spontan vergoren aber leider nicht durchgehalten hat. Bei 12 Gramm Restzucker blieb er stehen. Also füllten ihn die Geschwister separat, nannten ihn ,Barfuß‘ und schickten Dirk Würtz eine Probeflasche. Der bekämpfte damit seinen Politfrust und machte eine schöne Geschichte für sein Blog draus. Die Stumpfs freuten sich über die positive Resonanz und ich über die Headline (ich schnorre nicht nur angebrochene Flaschen, sondern gelegentlich auch Überschriften). Der Barfuß festigte eine andere sich entwickelnde Erkenntnis bei mir: Halbtrocken und Holz geht auch – wenn ein Könner und/oder der Zufall am Werk ist.

Doch über allem schwebt der Mönchshof. Das ist große Kunst – ganz ohne Zufall.

Bickel-Stumpf, Mönchshof GG, Silvaner, 2012, Franken. In der Nase Eichenholz, Rauch, Quitte, Kräuter und Stroh. Am Gaumen zeigt der Wein Aromen von Nashi-Birne, ist würzig, kommt mit relativ viel Holz daher ohne buttrig zu sein. Der schönen Säure hat der Fass-Aufenthalt nicht geschadet. So erzeugt der Silvaner ein sehr volles aber nicht breites Mundgefühl mit Druck und Wucht aber trotzdem saftig. Etwas Gerbstoff, feine Mineralik, spürbarer aber passender Alkohol (13,5 %): das ist schon jetzt perfekte Balance, wenn man Holz mag und wenn nicht, deutet sich an, dass die Barrique-Noten nicht auf ewig die erste Geige spielen werden.