Das Gesellschaftsspiel

Eine kleine Warnung vorab: Da Eigenlob bekanntlich stinkt, könnte es dem Leser nötig erscheinen sich beim Lesen dieser Zeilen die Nase zuzuhalten.

Ich habe vor ein paar Tagen eine Weinprobe veranstaltet. 12 Flaschen Großes Gewächs und vergleichbares vom Riesling aus dem Jahrgang 2007 schenkte ich zehn Weinfreunden zur Begutachtung ins Glas. Es handelte sich um eine Blindverkostung, das Thema war zwar bekannt, die teilnehmenden Weine jedoch nicht. Solche Proben können viel Spass machen oder auch in langweiliges und übertriebenes Wein-Sezieren abdriften. Dazu sitzen zu solchen Gelegenheiten bei mir Menschen mit unterschiedlichem Erfahrungsschatz beieinander und die Gruppe zerfällt im schlimmsten Fall nach dem zweiten Wein in die Schweiger und die Experten.

Dieses Mal war einiges anders. Ich habe ein Experiment gestartet, dass ich als geglückt betrachte. Da ich im Jahr 2008 einem Anfall von Shopping-Wut erlegen bin, stapeln sich in meinem Keller viele Weine des Jahrgangs 2007. Insgesamt über 50 verschiedene Rieslinge eigneten sich für das Probenfeld. Also fertigte ich eine Liste an und ließ diese jedem Teilnehmer mit der Aufgabe zukommen, er möge sich einen Wein aussuchen, den anderen Teilnehmern gegenüber aber Stillschweigen über seine Wahl walten lassen.

Zum Start der Probe gab ich dann das Motto aus, jeder dürfe nur dann seinen Wein ausposaunen, wenn er der Meinung sei, er habe ihn gerade im Glas. Zusätzlich forderte ich dazu auf – jedoch explizit ohne Zwang – jeder möge sich das bitte im Laufe des Abends trauen. Um selber blind mit probieren zu können, bitte ich meine sehr viel bessere Hälfte immer die Weine in neutrale Flaschen umzufüllen und durchzunummerieren. Dieses Mal manipulierte ich diesen Prozess jedoch so, dass mein eigener Wunschwein an erster Stelle stand. So konnte ich mit gutem Beispiel voran gehen und schon nach dem ersten Wein behaupten, ich glaubte zu erkennen was das ist. Ich habe die Manipulation sofort nach Ende der Probe gestanden.

Der Effekt war prima. Die weniger versierten Weintrinker empfanden das ganze als schönen Spass. Den Profis schien die bevorstehende Aufgabe ein wenig Demut einzuimpfen – wenngleich das ein sehr starkes Wort ist, meine Gäste sind keinesfalls vorlaute Weinschnösel und die Beschreibung der Situation ist bitte mit dem größtmöglichen Wohlwollen zu verstehen. Insgesamt kam ein flüssiges Gespräch in sehr entspannter Runde zustande. Erkannt wurde eigentlich nur ein Wein, der spätere zweitplatzierte von Molitor. Der war allerdings der süßeste im Feld und kam als letzter, was die Sache etwas einfacher machte. Ich konnte noch einen Wein von Leitz erahnen, kannte aber das gesamte Teilnehmerfeld und deren Alkoholwerte (bei dem der Leitz herausstach), weswegen das keine große Kunst war.

Meine Proben-Notizen veröffentliche ich hier nicht. Ich habe verschiedentlich darüber geschrieben, wie wenig geeignet ich mich für die Bewertung von Wein anhand eines Probeschlucks halte. Ein paar generelle Eindrücke will ich aber schildern. Ich habe in den letzten zwei Jahren sehr viele mittelgewichtige Rieslinge aus 2007 getrunken. Regelmäßigen Lesern dürfte das kaum verborgen geblieben sein, ebenso wenig wie die Tatsache, dass ich mit dem Jahrgang ausgesprochen glücklich bin. Die mittlerweile verbreitete Skepsis gegenüber 2007 ist für mich nicht nachzuvollziehen. Diese Probe war für mich die erste größere Inspektion der GGs des Jahres und auch die machen mich richtig glücklich. Eine offensichtlich kaputte Flasche war dabei, eine weitere, die unerklärlich schwach war. Doch alle anderen fand ich mindestens sehr gut. Sogar der zehntplatzierte, mein Wunschwein, gefiel mir noch ausnehmend gut. Die Runde sah das nicht ganz so euphorisch, Einigkeit herrschte aber bei den Gewinnern des Abends. Mit einigem Abstand siegte ein Durbacher Plauelrein GG von Andreas Laible, dann kam der Wein von Molitor, gefolgt von einem Pechstein GG von Buhl. Die weiteren Ergebnisse fallen verschieden aus, sobald man die statistische Auswertungsform verändert. Der Molitor ist vermutlich nicht gesetzlich trocken, insofern kann man darüber streiten, ob er als letzter Wein in einer solchen Probe einen unzulässigen Vorteil hat. Nicht darüber streiten sollte man, dass es ein Klassewein ist. Ich habe mittlerweile eine weitere Flasche davon getrunken – über mehrere Tage in Ruhe. Jetzt kann ich auch was halbwegs sinnvolles dazu schreiben.

Markus Molitor, Niedermenniger Herrenberg Auslese (tr.) **, 2007, Mosel. In der Nase frisch und süß, Aprikose, Aloe Vera, ein bisschen Ananas. Am Gaumen etwas zu süß für trocken (der Wein trägt die Bezeichnung ,trocken‘ nicht offiziell, wird aber als trockene Auslese verkauft), dafür herrlich saftig, frisch, mit milder aber präsenter Säure, leicht cremig aber nicht diffus, sehr mineralisch, fruchtig, tief. Alles drin, alles dran, sehr langer, harmonischer Abgang mit einem kleinen Bitterl, das einem angenehm das Mund im Wasser zusammenlaufen lässt.

Investitionsruine?

Neulich hatte ich im Rahmen des Vinocamp die Gelegenheit, ein Riesling Großes Gewächs aus dem Jahr 2009 zu trinken. Es war zwar ein Genuss aber vor allem verwirrend, strömte mir aus dem Glas doch ein reifer Duft entgegen. In einer Blindverkostung hätte ich vermutlich auf ein Exemplar aus dem Jahrgang 2005 getippt. Der neben mir stehende Dirk Würtz bemerkte meine Verwirrung und kommentierte diese mit den Worten: ,Die schmecken jetzt alle so‘. Ich bekam Schnappatmung – ich habe noch einiges aus 2009 im Keller, dass jetzt zu trinken nicht auf der Agenda steht. Sollte aber die Mehrheit der 2009er GGs ein solches Reifestadium zeigen, wie dieses aus dem Rheingau, dann muss ich etliches zwischenschieben, was eigentlich irgendwann in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts den Weg in mein Glas finden sollte.

Wie jeder Otto-Normalweintrinker bin auch ich auf die Berichte der Fachleute angewiesen, wenn es jedes Jahr im September eines Jahres um die Frage geht, soll ich in den Jahrgang investieren oder nicht. Dabei gibt es mittlerweile ein erstaunlich stringentes Muster: unmittelbar nach erscheinen der ersten Weine eines Jahrgangs wird dieser in den Himmel gelobt, was sicher damit zu tun hat, dass geübte Kritiker sich noch bedeckt halten und eher diejenigen aktiv werden, die mit kraftvollen Aussagen Aufmerksamkeit erregen wollen. Zum September hin, nach der Präsentation der GGs, kommen verhalten positive Meinungen in der Art ,viel Licht aber auch Schatten‘. Man konnte in den letzten Jahren die Uhr danach stellen – mit Ausnahme des Jahres 2010 in dem ein sich weit aus dem Fenster lehnender Manfred Klimek mit seinem mittlerweile geflügeltem Wort vom ,Arschjahr‘ für unterhaltsame Diskussionen sorgte.

Es gibt ein paar feine Abstufungen, 2008 wurde etwas verhaltener kommentiert – ausgerechnet das Jahr, das sich anschickt, im weiteren Reifeverlauf unerhörte Klasse ins Glas zu bringen. 2011, konnte ich zwischen den Zeilen lesen, ist in der Spitze bei den Juroren ebenfalls auf mäßige Begeisterung gestoßen. 2009 war ein Jahr mit oft eher verhaltener Säure, das manch Meinungsmacher in der Art bei 2005 verortete. Da ich mit dem Jahrgang viel Genuss verbinde, trieb mich ein moderater Einkaufswahn dazu, gut 70 Flaschen Riesling GGs einzukellern. Sollten die jetzt alle in Rekordzeit in der Flasche zerfallen, stellte mich das vor massive Probleme. Den Jahrgang 2006, der ein ähnliches Bild bot, konnte ich ob geringerem Kellerumfangs noch notschlachten. 2009 wäre aber wohl nur durch die Veranstaltung einer GG Party im größeren Freundeskreis in den Griff zu kriegen.

Aus Geisenheim zurück griff ich mir daher drei GGs, um die Probe aufs Exempel zu machen. Leider fiel ein Exemplar, Marienburg Rothenpfad von Clemens Busch, aufgrund des ,Dreckskork‘ aus – total verseucht. Zwei Exemplare von der Nahe ließen mich mit sehr gemischten Gefühlen zurück.

Doennhoff_Hermannsberg_BuschDönnhoff, Riesling Hermannshöhle GG, 2009, Nahe. Unmittelbar nach dem Öffnen eine sehr verhaltene Nase, mit etwas Luft kommt klassische Rieslingfrucht und Muskat, angenehm, dicht, würzig – könnte ich ein Nasenbad drin nehmen. Am Gaumen ist der Wein großartig, von enormer Dichte ohne zu opulent zu sein, mit süßer Frucht aber ohne Zuckerschwänzchen, beißend mineralisch und auf angenehme Art mächtig. Die 13% Alkohol geben Statur und sind spürbar. Ich weiß kein anderes Wort als ,fest‘ um das Mundgefühl zu beschreiben und weiß, dass man ein paar Liter Riesling im Leben getrunken haben muss um zu wissen, was ich meine – ich bedaure das, kann‘s aber nicht ändern. Mineralisch, dicht, mit einem animierendem Bitterle, ewig lang aber nicht perfekt, dazu fehlt ihm ein bisschen Rasse, denn die Säure der 2009er Hermannshöhle ist eher zahm. Am zweiten und dritten Tag verflacht der Wein rapide, wird breit, angenehm fruchtig aber auch ein bisschen banal und tatsächlich übermäßig reif.

Gut Hermannsberg, Riesling Hermannsberg GG, 2009, Nahe. Der Wein ist unmittelbar nach dem Öffnen voll da, wird dann aber binnen 30 Minuten karg. In der Nase Malz, Karamell, Milchschokolade, sehr erdig und rauchig. Am Gaumen zeigt er sich ebenfalls fest, ziemlich geizig, was Fruchtaromen angeht, ist aber vollmundig, leider etwas zu süss. Der Wein deutet an, dass er viel mehr kann und noch um einiges zu jung ist. Am zweiten Tag geht der Wein dann aber ebenfalls in die Breite, verliert dieses zupackende Mundgefühl, dass den Speichelfluss anregt und wird deutlich zu süß.

Den Dönnhoff kenne ich aus den letzten zehn Jahrgängen in allen möglichen Altersstufen. Der ist definitiv frühreif. Anders beim Hermannsberg, den ich zum allerersten Mal im Glas habe. Ich habe die Hoffnung, dass der sich noch lange hält und positiv entwickelt, wenngleich GGs aus den Jahren 2007 oder 2008 in ähnlich jungem Stadium getrunken, ihre Statur immer über mindestens drei Tage gehalten haben.

Ich freue mich, sollte der eine oder andere Leser die Zeit finden in den Kommentaren seine jüngsten Erfahrungen mit den GGs des Jahrgangs zu hinterlassen. Ich plane derweil die Notfallparty…

Wittmann aufhängen

Vor vielen Jahren begegnete ich einer Frau, die Einkaufstüten sammelte. Dabei ging es ihr nicht darum, möglichst viele Einkaufstüten zusammen zu tragen, die dann alle mit ,Penny‘ oder ,Lidl‘ bedruckt sind, sondern um eine Auswahl möglichst exklusiver Beutel mit Aufdrucken von ,Chanel‘ oder ,Tiffany‘. Diese Tüten, erzählte mir die Freundin, die mich mit dieser Frau bekannt gemacht hatte, schmückten die Wände ihrer Wohnung und wurden voller Stolz ausgestellt. Das war so ziemlich das albernste Hobby, dem ich je in meinem Leben begegnet bin.

Gut festmachen...
Ein merkwürdiges Etwas…

Fast die Hälfte meiner Freunde – das sind diejenigen, die meinen Weinfimmel teilen – sammelt leere Weinflaschen. Dabei geht es nicht darum, möglichst viele Flaschen zusammen zu tragen, die dann mit ,Gallo‘ oder ,Torres‘ bedruckt sind, sondern um eine Auswahl möglichst exklusiver Flaschen mit Aufdrucken wie ,Mouton‘ oder ,Latour‘. Diese Flaschen schmücken die Schränke in den Küchen und Esszimmern meiner Freunde und werden voller Stolz ausgestellt. Das ist so ziemlich das normalste von der Welt und ich würde selbstverständlich mitmachen, wenn – ja wenn ich nicht damals dieser Frau mit den Tüten begegnet wäre und mir außerdem viel zu viele Gedanken darüber machte, wie mein Tun auf andere (weniger weinverrückte) wirken könnte. Ein paar Flaschen zieren einen einzelnen Schrank daheim aber das sind eher besonders hübsche oder solche mit einer interessanten Geschichte als teure und bekannte.

Das wird jetzt anders!

Immer wenn ich denke, ich hätte meine Weinliebhaberei derart übertrieben, dass meine Frau demnächst ihre Sachen packt und sich einen unterhaltsameren Gefährten sucht, überrascht Sie mich mit einem vinophilen Liebesbeweis. So schenkte sie mir einst, nachdem ich mein verabredetes Weinbudget aufs unverfrorenste überzogen hatte und Entmündigung fürchtete, eine Flasche Roederer Cristal, mein erster Wein jenseits der Hundert-Euro-Marke überhaupt (und ja, der steht auf dem Schrank – aber nur wegen der Geschichte). Dieser Tage war es einmal mehr so weit. Ich hatte gerade besonders viel in Sachen Wein unternommen, da kaufte meine sehr viel bessere Hälfte eine Lampe für unsere Küche. Sehr unscheinbar sah sie aus, verlangte aber nach einer Aufhängung, die 25 Kilo tragen kann. Dabei war das Paket nicht besonders schwer.

…entpuppt sich zum Lieblingsspielzeug

Um es kurz zu machen: es ist die perfekte Lampe für mich. Sie nutzt Weinflaschen als Mittel zur Lichtstreuung – ganze 22 Stück sogar. Um sie vernünftig zu verwenden, muss ich also 22 Weinflaschen sammeln und dort hinein hängen. Niemand wird sich wundern, dass ich leere Weinflaschen ausstelle, die Unbedarften werden denken, die hätten zum Lieferumfang der Lampe gehört. Die Insider werden sich stundenlang meine Lampe anschauen und ich kann die Zahl der gehorteten Flaschen mehr als verdoppeln. Das einzige Problem, das ich plötzlich habe, ist ein Mangel an leeren Flaschen. Und wie man die herstellt, weiss ich glücklicherweise. Hier ist gleich mal eine, die in meine neue Lampe gehört.

Wittmann, Riesling Kirchspiel GG, 2005, Rheinhessen. In der Nase von mittlerer Intensität mit Aprikose, Pistazie und getrockneten Kräutern. Ich weiss, dass Steine keinen Duft absondern, aber trotzdem kommt die Assoziation auf, dass der Wein nach Stein riecht. Am Gaumen ist es nicht ganz so extrem: der Riesling ist sehr mineralisch aber nicht mehr als viele Weine dieser Bauart auch. Dazu bietet das Grosse Gewächs feine Frucht (Mandarine, Aprikose, Ananas), viel Würze, kräftige Säure, reichlich Bumms. Aber der Kirchspiel ist nicht übertrieben dick oder konzentriert, 13% Alkohol sind akzeptabel integriert. Das ist alles sehr rund und schön. Was der Wittmann vielen guten 2005er GGs voraus hat ist eine enorme Tiefe. Ich kann mich bei jedem Schluck mehr für ihn begeistern und auch am zweiten Tag verströmt er noch Frische im Glas und erzählt eine neue Geschichte. Das Zuhören lohnt sich.

Der Beginn einer (wunderbaren) Freundschaft

Die Mehrheit der Befragten gibt in Umfragen regelmäßig zu Protokoll, immun gegen Werbung zu sein. Gleichzeitig geben die Interviewten an, dass Werbung ihrer Meinung nach auf andere Menschen wirken würde. Das ist ein amüsantes Phänomen, denn tatsächlich muss man Konsumenten, an denen Werbung spurlos vorbei geht, mit der Lupe suchen. Es gibt sehr wohl eine gewisse Zahl von Menschen, die lautstark beworbene Produkte bewusst und aus Protest meiden, aber selbst das ist eine Form der Werbewirkung – woher sollten die Protestler sonst wissen, was sie boykottieren müssen?

Ganz ähnlich verhält es sich vermutlich mit Weinwettbewerben. In meinem Freundeskreis gibt es nur Menschen, die Kammerpreismünzen müde belächeln, Mundus Vini für eine Marketingveranstaltung halten, bei der jeder einen Preis gewinnt, der nicht bei drei auf den Bäumen ist und gern und deutlich kundtun, dass Robert Parkers Punkteurteil nicht Maßstab für sie ist. Ich selbst äußere mich auch regelmäßig in diese Richtung.

Doch völlig immun bin ich natürlich nicht. Mundus Vini Medaillen beeindrucken mich tatsächlich nicht im Mindesten und auch die Bronzene Kammerpreismünze lockt mich nicht hinterm Ofen hervor (die gefühlten zwölf Millionen Staatsehrenpreise von Kees-Kieren nötigen mir allerdings Respekt ab). Doch internationale Vergleichswettkämpfe bei denen möglichst teure Weine renommierter Erzeuger blind mit Newcomern (die natürlich viel billiger sind) verglichen und von diesen geschlagen werden, erzielen Wirkung bei mir. Dabei ist mir bewusst, dass die Newcomer als weniger wertige Weine oft einfach früher genussreif und die Wettbewerbe der Vergleich von Äpfeln und Birnen sind.

Meine Liebe zu deutschem Spätburgunder ist solchen Wettbewerben geschuldet. Denn in den letzten zehn Jahren hatten die Deutschen beim Pinot die Rolle des Newcomers inne. Und es war die Kunde von mehreren Wettbewerben und Vergleichswettkämpfen, die ein Wein des Weingutes Knipser gewonnen hatte, die mich veranlasste, mich intensiver mit heimischem Spätburgunder zu beschäftigen. Und daraus wurde dann innige Leidenschaft.

Besagter Wein war ein 2003er Kirschgarten GG. Der Wein war längst ausverkauft, als mich die Kunde von seinem Erfolg erreichte. Ein großzügiger Weinfreund ließ mich später an einer Flasche teilhaben und das Erlebnis war ernüchternd. Wie viele andere 2003er auch, hatte der Wein eine Entwicklung genommen, die hinter meinen Erwartungen zurück blieb.

Das ändert nichts daran, dass der Kirschgarten für mich ein besonderer Wein ist. 2004 war ganz ohne gewonnene Wettbewerbe ein Riese und auch 2005 ist mit das Beste, was ich für unter 40€ an Spätburgunder kenne.

Knipser, Spätburgunder Kirschgarten GG, 2005, Pfalz. In der Nase Himbeere, Holz, Rauch und Lakritz. Das alles findet sich auch am Gaumen, wenngleich dort die Frucht die Hauptrolle spielt. Voll und fruchtig ist der Kirschgarten, mit noch leicht spürbarem Holz, deutlicher Mineralik, milder Säure, perfektem Tannin und dieser interessanten Lakritz-Note. Der Abgang ist extrem lang. Tief, komplex und wahnsinnig harmonisch – das ist Spätburgunder auf Weltklasseniveau.

Bei den Kollegen von NEPV hat er neulich in einem kleinen Wettbewerb fürchterlich abgestunken. Aber so ist das mit Spätburgunder. Und mit Wettbewerben…

Alles Lüge!

Als ich in meinem letzten Artikel schrieb, in keinem anderen Anbaugebiet Deutschlands gäbe es so viele Winzer, von denen ich schon Gutes gehört aber noch nie etwas getrunken hätte, wie im Rheingau, entsprach das nicht den Tatsachen. Kurz vor Veröffentlichung des Posts fiel mir auf, dass diese Aussage eigentlich für Franken gilt. Bis dahin war’s ein Irrtum. Doch ich war faul, drückte den ‚Publish‘-Button und wurde zum Lügner. Ich war zu faul, mir eine neue Intro auszudenken. So bin ich halt.

Aber ich habe ein Gewissen! Noch am Abend ersteigerte ich bei ebay einen vernünftigen Riesling aus Franken, bezahlte sofort, erhielt die Sendung gestern, und trinke nun am zweiten Abend einen Wein, der es mir gestattet, meine Sünde zu beichten, denn in diesem Blog gibt es keinen Artikel ohne passenden Tropfen. Es ist mein erster Spitalwein (bei den Sauers bin ich auch noch blank) und er füllt eine Bildungslücke.

Die Schulterprägung auf der Flasche zeigt: Riesling nicht erst seit gestern

Bürgerspital zum Hl. Geist, Würzburger Stein ‚Hagemann‘, Riesling Großes Gewächs, 2005, Franken. In der Nase zeigt der Stein das Bukett eines in Würde gereiften trockenen Rieslings, dicht, voll, mit Würze, Aprikose, und einigen Kräutern aber ohne jede Firne. Das riecht ganz wundervoll und nur der im Hintergrund wabernde Alkohol verhindert frühen Jubelgesang. Auch am Gaumen ist er das Thema: der Alk.! 14% weist das Etikett aus. Aber der Stein ist einer der wenigen Rieslinge, die das wegstecken. Er ist sehr trocken (ich schmeckte nicht einmal die alkoholische Süße, die ich erwartet hatte), er ist vollmundig, ohne fett zu sein, was auch an einigen schönen Gerb- und Bitterstoffen liegt und er ist mineralisch, fest und extrem lang. Besonders fruchtig ist er nicht, aber das ist in meinen Augen eine Stärke. Alles, was in Richtung süße Frucht gegangen wäre, hätte den Wein mastig gemacht. So ist der Stein anders aber großartig.

So kann’s weitergehen in Franken.