Rätselwein? Rätsel Wein!

Wer sich viel mit Wein beschäftigt und Freunde sein eigen nennt, die dieses Hobby teilen, der kennt die Situation: Man bekommt ein Glas Wein vorgesetzt mit nichts als der Bemerkung: ‚Sag mal was dazu…‘ Rebsortenraten/Jahrgangslotto ist ein wunderbares Gesellschaftsspiel, es birgt aber Tücken. Je öfter man richtig liegt oder der Wahrheit nahe kommt, desto größer ist die Gefahr des Hochmuts. Denn wie lautet der kürzeste Weinverkosterwitz? ‚Jetzt kann ich’s‘.

Ich bilde keine Ausnahme, wenn es um gelegentliche Hybris geht. Auch ich bilde mir regelmäßig ein, jetzt müsste ich beispielsweise wissen, wie ein Wein riecht und schmeckt, der auf Schiefer gewachsen ist, oder die letzten zehn Jahrgänge bei trockenen Rieslingen erkennen können. Doch dem ist nicht so. Genau genommen, bin ich mir nicht einmal sicher, ob es wirklich eine objektiv erkennbare Schiefermineralik gibt. Gelöste Mineralien, die sich von denen eines auf Kalkstein gewachsenen Rieslings unterschieden, sind bekanntlich nicht im Wein, schon gar keine riechbaren. Das tröstet mich, angesichts der folgenden beiden Weine.

Thanisch (Ludwig Thanisch & Sohn), Riesling ‚Alte Reben‘ (Lieserer Niederberg Helden), 2007, Mosel. In der Nase ganz zart: blumig, duftig, etwas herb mit Stachelbeere, Orangeat – das erinnert mich sehr an einen Sauvignon Blanc. Am Gaumen Aprikose und Orangenschale, viel Gerbstoff und reichlich Restzucker, soweit so normal. Aber dann kam diese kalkige Mineralik, wie ich sie von so vielen Weinen aus Rheinhessen und der Pfalz kenne. Das passte zwar gut zum Wein aber schlecht zu meinem Weltbild. Der Riesling wirkt trotz sehr milder Säure bei allem Zucker nicht übermäßig breit, sondern tief, verschlossen und so, als habe er reichlich Potential, sich mit weiterer Flaschenreife zu echter Größe aufzuschwingen – dann vielleicht ja auch mit Schiefermineralik.

Heymann-Löwenstein, Uhlen 'Roth Lay'

Heymann-Löwenstein, Uhlen R, Riesling 1. Lage, 2004, Mosel. Keine ganz typische Löwenstein-Nase, denn der Wein riecht nach Grapefruit, Erd- und Himbeere sowie Marzipan, klar, frisch und gleichzeitig süß, ohne jede Spur von Malz, Karamell oder anderen Tönen die Löwensteins spät gelesene, konzentrierte Wuchtbrummen oft begleiten. Am Gaumen zunächst sehr süß aber mit 45 Minuten Luft ändert sich das Bild und die Süße tritt in den Hintergrund. Die Säure ist zwar mild und einiges an Restzucker vorhanden, dank einer leicht kalkigen Mineralik (da war sie wieder!) befindet sich der Wein aber in schöner Balance und bietet ein anregendes Spiel von Süße und Säure. Etwas Aprikose, ein Hauch Mandarine und würzige Noten, die der fortschreitenden Reife entspringen, machen den Uhlen-R zu einem gleichzeitig fruchtigem und ernsthaften Wein. Der Abgang ist ausgesprochen lang. Er verträgt immer noch einige Stunden Belüftung und hält bestimmt noch etliche Jahre.

Apropos Reife: Feinherbe und liebliche Weine büßen mit dem Alter ihre Süße langsam mehr oder weniger deutlich ein. Das hilft bei der Bestimmung des Jahrgangs – soweit meine Erkenntnis aus Beobachtung. Den Löwenstein habe ich prompt fünf Jahre zu jung geschätzt. Allerdings ist das nicht unbedingt ein Gegenbeweis: Ich habe seit Dezember 2005 in gleichmäßigen Abständen 7 Flaschen ‚Uhlen R‘ aus 2004 getrunken und möchte behaupten, dass dies der Benjamin Button unter den Rieslingen ist. Er wird mit jedem Jahr Flaschenreife süßer und das ist mir bei keinem anderen halbtrockenen Riesling bisher begegnet.

Frohes neues Jahr

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern ein glückliches neues Jahr 2012 und allzeit drei Finger hoch trinkbaren Stoff im Glas. Für mich ging Samstag ein turbulentes Jahr zu Ende. Ich war viel unterwegs und habe es so nur auf 53 Blogbeiträge gebracht. Das ist halb so viel wie in den ersten beiden Jahren meiner Bloggerei. Der gute Vorsatz zum neuen Jahr lautet also: häufiger schreiben.

Am letzten Abend des alten Jahres gab es zwei sehr spannende Weine zu trinken. Zunächst ein großes Gewächs, das trotz stattlichen Alters mit außergewöhnlicher Jugendlichkeit punktete, danach eine Beerenauslese mit Sauternes-Charakter.

Dönnhoff, Norheimer Dellchen, Riesling Großes Gewächs, 2005, Nahe. In der Nase einerseits vollreife Aprikose, andererseits aber auch Grapefruit- und Zitrusnoten, dazu etwas Aloe Vera und Kräuter – das ist sehr spannend und anziehend. Am Gaumen wahnsinnig mineralisch und mit kräftiger Säure, bei sehr vollem Mundgefühl wirkt der Riesling erst recht trocken, im sehr langen Abgang dann etwas süßer. Die Frucht pendelt lustig zwischen Apfel und Aprikose über Grapefruit zu intensiver Maracuja und wieder zurück. Ein großer Wein ändert sich ja gerne mal mit jedem Schluck. Im Abgang kommt etwas Karamell dazu, wobei der Wein nie warm und mollig, sondern jederzeit straff, jung und kompakt wirkt. 12,5% Alkohol fallen nicht weiter auf.

Ich bin kein Altweinfan und wenn ich in Verkostungsnotizen zu aktuellen Jahrgängen lese, wie deutschen Rieslingen zehn oder mehr Jahre Lagerung anempfohlen wird, rümpfe ich innerlich die Nase. Doch bei diesem Dellchen GG hatte selbst ich den Eindruck, dass er seine beste Zeit noch vor sich hat und dass sie vielleicht erst in einigen Jahren beginnt. Ich finde ihn jetzt schon groß, aber da ist noch Luft nach oben (in dann schwindelige Höhe).

Riesling Beerenauslese von der Mosel
Ein Himelreich für eine Beerenauslese

Der zweite Wein des Abends stammt von einem jener Weingüter, die tatsächlich keine eigene Homepage haben. Es gibt sie noch – wenngleich nicht mehr viele. Ich besuchte das Gut 2007 und kaufte Weine aus der tollen 2005er Kollektion. Dass ich danach nicht am Ball blieb, lag an der verstaubten Telekommunikationsinfrastruktur des Gutes. Zwei Mal hatte ich nur den Anrufbeantworter dran, Rückrufe kamen nicht, da kauf ich dann woanders ein.

Pohl-Botzet, Graacher Himmelreich, Riesling Beerenauslese, 2005, Mosel. In der Nase viel Botrytis, Honig, Grapefruit, getrocknete Kräuter und Alkohol, das ist ein richtig dickes Ding, wie man es sich von einer Beerenauslese erhofft. Am Gaumen merkt man die 9,5% Alkohol. So zuckerhaltige Getränke schmecken schnell brandig, weswegen die meisten edelsüßen deutschen Weine 7,5 bis 8,5% Alkohol haben. Aber diesem Wein steht der spürbare Alkohol sehr gut. Er erinnert ein wenig an einen Sauternes. Auch wenn das einen Rieslingfan wie mich normalerweise enttäuscht, geht das hier sehr gut zusammen. Der Wein ist massig süß, zeigt aber schönes Spiel dank ordentlicher Säure und einem leichten Bitterton; dazu Vanille, Melone, Aprikose, Honig, cremiges Mundgefühl und ein sehr langer Abgang, in dem der Alkohol keine tragende Rolle mehr spielt.

K(l)eine Geschichten zu Großen Gewächsen (3)

Manchmal gibt es gar nicht so viel zu erzählen zu den Weinen, die ich trinke. Hier sind drei, die ich aber keinesfalls unterschlagen möchte

Im Jahr 2006 befanden sich die VDP-Regionalverbände noch in der Findungsphase, was die Kennzeichnung der Großen Gewächse anging. Die 2005er wurden teils mit, teils ohne Prädikatsangaben vermarktet und auch die Verwendung der Bezeichnung GG war nicht einheitlich geregelt. Bei Knipsers kam es zu völliger Verwirrung denn der folgende Wein hat keinerlei Hinwies auf den Status des GG auf Vorder- oder Rückenetikett. Lediglich die GG Flasche mit der ‚Trauben-1’identifiziert ihn als solches. Den Kollegen von NEPV begegnete derselbe Wein allerdings auch schon in einer normalen Flasche ohne das GG Signet.

An der Trauben-1 sollt Ihr sie erkennen...

Knipser, ‚Steinbuckel‘ Großes Gewächs, Laumersheimer Mandelberg, Riesling Spätlese trocken, 2005, Pfalz. In der etwas verhaltenen Nase Aprikose, Mirabelle, Quitte und Apfel sowie die Würze von 5 Jahren Flaschenreife und etwas Aloe Vera. Am Gaumen zeigt sich reife Frucht (Apfel und Aprikose) und etwas Malz. Der Riesling ist ziemlich trocken, die Säure fein, und zusammen mit einer kalkigen Mineralik entwickelt sich schönes Spiel. Nur 12% Alkohol machen den Steinbuckel angenehm leicht. Vielleicht etwas zu leicht, denn trotz eines sehr mineralischen langen Abgangs fehlt dem Wein nach meinem Dafürhalten der letzte Kick.

Selbst im guten Jahrgang 2005 wachsen die GGs vom Riesling nicht allenthalben in den Himmel. Noch eine Spur kürzer gewachsen ist der folgende, wenngleich er – wie auch der Knipser – preislich im unteren Drittel der GG liegt und damit im Preis-Genuss-Verhältnis noch zu befriedigen vermag.

St. Antony, Nierstein Orbel, Riesling GG, 2005, Rheinhessen. Die Nase wirkt dünn, wie Weinschorle, Grapefruit, Limone und etwas Muskat. Am Gaumen vollreife Aprikose, Karamell und Malz aber der Wein ist etwas lasch, obwohl sich 13,5% Alkohol leicht brandig bemerkbar machen, fehlt es ein wenig an Druck. Der Abgang ist relativ lang und mineralisch.

Besser gemacht hat es Christmann, dem ein standesgemäßes, leicht barockes, Pfälzer Riesling GG gelungen ist:

Christmann, IDIG, Riesling GG, 2005, Pfalz. In der Nase wirkt der Wein weich und warm mit Boskop, Aprikose und Pistazie. Am Gaumen ist der IDIG voll, ziemlich mollig und nicht sehr trocken. Mit seinem Aroma von vollreifer Aprikose wirkt er ein bisschen mastig, kriegt aber aufgrund der sehr griffigen Mineralik und feinen Säure noch die Kurve. Auch der Alkohol ist vernünftig eingebunden. Der Abgang ist sehr lang und etwas breit aber ich mag sie ja, die Wonneproppen – und dieser hier ist besonders gut.

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K(l)eine Geschichten zu Großen Gewächsen (2)

Manchmal gibt es gar nicht so viel zu erzählen zu den Weinen, die ich trinke. Hier sind drei, die ich aber keinesfalls unterschlagen möchte.

Meine Liebe zu den Weinen von Schäfer-Fröhlich ist noch ein zartes Pflänzchen. Doch es wächst und gedeiht prächtig, was an Weinen wie diesem hier liegt.

Schäfer-Fröhlich, Bockenauer Felseneck, Riesling Grosses Gewächs, 2005, Nahe. In der Nase übel, ein heftiger Spontanstinker, der schon fast Böckser-Dimensionen annimmt und alles überlagert, darunter ist – ebenfalls nicht besonders angenehm – verbranntes Gummi aber auch Birne und Marzipan zu erahnen.  Da mir beim Öffnen der Korken zerbröselte, befürchtete ich zunächst schlimmstes. Aber dann: was für eine Offenbarung am Gaumen; leicht cremig, sehr voll aber nicht so fett wie viele Jahrgangskollegen, 13% Alkohol sind hervorragend eingebunden, die Mineralik ist satt aber nicht anstrengend, Pfirsich und Apfel, Litschi, bittere Orangenmarmelade, tolles Spiel von Süße und Säure, ohne dass der Wein zu süß wäre oder das leichte Bitterl störte; deutliche Reifenoten, die dem Wein aber nur zusätzliche Komplexität verleihen. Der Abgang wirkt vor allem cremig und weich, die Mineralik klingt satt nach. Der Trinkfluss ist geradezu gefährlich. Vielleicht ist diese Flasche in der Entwicklung etwas weiter als eine mit einem perfekten Korken, einen Fehler hat der Wein zum Glück nicht abbekommen. Ganz großes Kino.

Es gibt Weine, da behaupte ich gar nicht erst, neutral zu sein. Die mache ich mir auf, wenn ich mich belohnen oder besonders liebe Gäste verwöhnen will. Da ich mein Geld nicht mit Weinbeschreibung verdiene, schäme ich mich meiner Voreingenommenheit nicht – und es bleibt ja auch noch die Henne-Ei-Frage: werte ich die Weine so gut, weil ich sie so schätze oder schätze ich sie wert, weil sie so gut sind?

Wittmanns Morstein
Wittmanns Morstein

Wittmann, Morstein, Riesling Grosses Gewächs, 2005, Rheinhessen. In der Nase Apfel, Aprikose, Netzmelone, Kreide und blonder Tabak. Am Gaumen zunächst beißend mineralisch und ziemlich trocken, wenngleich mit einer leichten alkoholischen Süße, dazu spürbare aber milde Säure, Aromen von Birne, Aprikose und Muskat. Der Morstein ist gereift und würzig mit Tiefe und Länge. Er wird mit Luft etwas weicher und ich bin unsicher, welche Version mir besser gefällt – ich tendiere zur härteren Variante unmittelbar nach dem Öffnen. Ich glaube, der Wein hat die schönste Trinkreife erreicht. Um ganz groß zu sein, verdaut das GG die 13% Alkohol jedoch nicht gut genug.

Ich sollte mal einen ersten 2006er Veltliner Smaragd probieren, nahm ich mir kürzlich vor. Da ich bald ein Jahr keinen Veltliner mehr im Glas hatte, rief ich erst einmal mit einem Federspiel Erinnerungen an die Rebsorte wach (im letzten Artikel zu lesen). Danach traute ich mich an die Königsklasse.

Prager, Zwerithaler, Grüner Veltliner Smaragd, 2006, Wachau. Das ist die Art von Wein, bei der ich die Nase ins Glas halte und denke: ‚Tja… Wein!‘ und sonst nix. Die Nase ist äußerst verhalten, sie kommt weder besonders fruchtig noch kräutrig oder würzig daher. Am Gaumen ist der Zwerithaler faszinierend, eine echte Kante, womit ich sagen will, dass der Wein mächtig und raumgreifend aber nicht fett, breit und beliebig ist. 13,5% Alkohol sind spürbar, ohne brandig zu sein. Der Wein ist kräutrig mit Waldmeister und Basilikum, leicht nussig und muskatwürzig, aber vor allem ist er endlos mineralisch. Das Veltliner-Pfefferl taucht auch irgendwo im sehr langen Abgang auf. Was mich beim kürzlich genossenen Jamek noch störte – nur Mineralik und kaum Frucht – finde ich bei diesem sehr viel komplexeren Wein einfach nur großartig. Ein phänomenaler Smaragd-Veltliner aus einem tollen Jahr.

Schwere Jungs

Mein Geschmackssinn gibt mir Rätsel auf. Das ist wohl der Grund, warum ich ein Weinblog schreibe. So bin ich angehalten, kontinuierlich Notizen zu machen und dabei über das getrunkene und geschmeckte zu reflektieren. Allzu groß ist der Erkenntnisgewinn bisher nicht. Eines allerdings kann ich festhalten: Ich bin zutiefst ungerecht. Manchmal begegne ich Weinen, denen ich eine gewisse Klasse attestieren muss, und sie können mich trotzdem nicht überzeugen und manchmal trinke ich mit Begeisterung einen Wein, den man – vermutlich nicht ganz zu Unrecht – mit einem Satz pauschal verunglimpfen könnte, und komme aus dem Schwärmen nicht heraus.

Es wäre wünschenswert, wenn ich dabei ein Muster an den Tag legte, dann könnte ich von Vorlieben sprechen. Aber leider ist es nicht so einfach. Selbst innerhalb eng gefasster Parameter ist die Varianz meiner Wahrnehmung beträchtlich. Tagesform taugt als Erklärungsansatz nur bedingt, da ich die meisten Weine, zu denen ich mich hier äußere, über mehrere Tage trinke. Von Etiketten bin ich nur selten beeindruckt (manchmal bestimmt), denn im vorliegenden Fall müsste das Urteil sonst andersherum ausfallen. Konkret hatte ich dieser Tage wieder zwei fette Brummer im Glas, von denen ich den einen im Endeffekt etwas ermüdend fand, während das vermutlich plumpere Exemplar mich restlos überzeugt hat.

Joachim Heger, ‚Vitus‘ Weissburgunder, 2009, Baden. Der Wein stammt vom Weinhaus, nicht dem Weingut Dr. Heger, ist aber trotzdem eine Erzeugerabfüllung. Ich dachte immer, nur die unter dem ‚Dr. Heger‘ Etikett produzierten Weine kämen aus eigenen Trauben und das ‚Weinhaus‘-Label wäre für zugekauftes Material reserviert, aber dem ist offenbar nicht so. Ich hatte den Wein nach einer Probe gekauft und wusste, was mich erwartet. In der Nase sehr viel frisches Holz, etwas Birne und Mandarine, sehr cremig, buttrig aber auch leicht ranzig und ordinär, wie Weissburgunder manchmal ist. Am Gaumen ist der Wein ebenfalls ausgesprochen cremig, mit Orange und Haselnuss, sehr viel Holz und Rauch, etwas Mineralik und feiner Säure. Der Weissburgunder ist so üppig, dass er 14,5% Alkohol wacker verdaut, wenngleich eine alkoholische Süße den Abgang prägt, ohne jedoch den Vitus brandig erscheinen zu lassen. Der Ausklang ist sehr lang, der Wein ungemein schmelzig. Er trinkt sich gut zum Essen (nimmt es mit den Kapern in Königsberger Klopsen spielend auf) und macht auch solo anschließend eine gute Figur.

Empfindlichere Weinfreunde nennen sowas vielleicht ein alkoholisches Holzmonster, ich nenne das einen Klassewein.

Hochheimer Hölle EG 2005Künstler, Hochheimer Hölle, Riesling Erstes Gewächs, 2005, Rheingau. Fünf Jahre Vorfreude ergossen sich ins Glas, denn ebenso lange reifte der Wein in meinem Keller. Dass Künstler keine schlanken EGs macht, war mir wohl bekannt. In der Nase überreife Aprikose und Bratapfel, Muskat, etwas Malz und eine leichte Reifenote. Am Gaumen ist der Riesling ziemlich fett. Nicht, weil er besonders viel Restsüße mit sich rumschleppt, sondern eher, weil 13,5% Alkohol, viel Frucht und etwas Zucker nicht ausreichend von Säure und Mineralik abgepuffert werden. Dabei ist er durchaus mineralisch und tief, vor allem aber von überreifer Frucht (wiederum mürber Apfel und Dörraprikose) geprägt. Das beeindruckt beim ersten Glas und ermüdet beim zweiten. Damit will ich nicht sagen, dass der Wein ein Blender wäre; er ist grandios – aber eben so raumgreifend, dass es irgendwann anstrengend wird, selbst wenn man die Flasche über drei Tage streckt. Vielleicht eher ein Wein für kühle Herbstabende oder eine größere Runde.