Bio-Brennstoff

Vor einiger Zeit startete Bernhard Fiedler auf seinem Blog eine für mich sehr lehrreiche Artikelserie zum Thema: Zunahme der Alkoholgradation in Wein und deren mögliche Ursachen. In einem Satz zusammengefasst, las sich das für mich so: Der Mehralkohol aufgrund wärmerer Witterung ist ein zu vernachlässigendes Phänomen und der weitaus größere Anteil des zusätzlichen Sprits steckt im Wein, weil der Winzer das so will. Bio-Brennstoff weiterlesen

Eine für alle?

Hat der Verband Deutscher Prädikatsweingüter erst einmal eine Lage als ‚Erste Lage’ klassifiziert, können seine Mitgliedsbetriebe aus dieser Lage ‚Grosse Gewächse‘ aus allen Rebsorten gewinnen, die in dem jeweiligen Anbaugebiet als GG-Sorten zugelassen sind. So ist es einem Winzer aus Baden, Franken oder Saale-Unstrut theoretisch möglich, vier verschiedene GG aus einer Ersten Lage zu füllen, wenn er die entsprechenden Reben auf seinen Flächen hat. In der Praxis ist es wohl die Ausnahme, zumindest das Weingut Stigler füllt aber aus dem Ihringer Winklerberg GGs von Weiß-, Grau- und Spätburgunder sowie vom Riesling.

Ich bin totaler Laie, was die Weinbiologie angeht. Aber irgendwie habe ich Schwierigkeiten, das zusammenzubringen: die Geschichte vom Terroir als Vereinigung der Winzerarbeit mit der idealen Rebe, dem Boden und dem Mikroklima einer Lage, die viele Erzeuger so gerne zum Besten geben und die Aussage, dass eine hervorragende Lage gleichermaßen gut für verschiedenste Weine ist: für weißen wie roten, für solchen, der durch Säure und Spiel oder Holzeinsatz und Schmelz punktet.

Wenn man die gängigen Quellen anzapft, kommt man denn auch schnell zu dem Bild, dass die allermeisten Lagen für eine Weinart besonders berühmt sind – oder zumindest für Weine relativ ähnlicher Art, denn die besten fränkischen Lagen beherbergen gleichzeitig Rieslinge und Silvaner, die zur absoluten Spitze zählen und der Kastanienbusch in Birkweiler etwa ist Olymp für Riesling und Weißburgunder. Aber aus dem Bauch heraus hätte ich immer gesagt, dass die ‚üblichen Verdächtigen‘ besten Rieslinge und Spätburgunder des Landes von unterschiedlichen Lagen kommen. Doch da gibt es noch diese (eine?) Ausnahme.

A. Christmann, Königsbach IDIG, Spätburgunder Grosses Gewächs, 2004, Pfalz. In der Nase Himbeere und Leder mit einem Hauch Erdbeere. Am Gaumen ist der Wein sehr kompakt mit viel Himbeere und einer festen Mineralik, wobei 14% Alkohol nicht spurlos bleiben. Sehr druckvoll aber gleichzeitig elegant und im Abgang sehr mineralisch. Spuren des Barrique-Ausbaus und Tannin sind gut integriert. Stilistisch eher international als deutsch oder burgundisch, wenn es sowas gibt. Mir gefällt der Wein ausnehmend gut, 90 Punkte.

Stiländerung bei Heymann-Löwenstein?

Neulich erhielt ich einen Anruf vom Weingut Heymann-Löwenstein. Die freundliche Mitarbeiterin des Hauses wollte mir Wein verkaufen. Ich habe schon Weinfreunde mosern hören, dass dies ja Methoden wie beim Zeitschriftenwerben seien und ob das Gut wohl Absatzprobleme habe – ich empfinde das einfach als freundlichen Service. So verpasst man es nicht, limitierte Weine rechtzeitig zu bestellen, etwa in diesem Fall die Jubiläumscuvée ‚R 30‘, die der Winzer anlässlich des 30-jährigen Gutsgeburtstags exklusiv in Magnumflaschen füllt. Ich glaube nicht, dass es lange dauert, bis dieser erfreulich zurückhaltend bepreiste Wein ausverkauft ist. Und so konnte ich meine Bestellung bequem rechtzeitig aufgeben.

Auf eine Subskription der im Herbst erscheinenden Weine verzichtete ich jedoch. Zu viele Flaschen Röttgen und Uhlen aus den letzten Jahren warten in meinem Keller auf die Trinkreife. Dies erklärte ich meiner Gesprächspartnerin und bat sie, mich wieder anzurufen, wenn es ein paar Analysedaten zu den Weinen gäbe, damit ich einige der schlankeren Vertreter auswählen könne. Als ich ihr erklärte, mir seien einige der Weine in den letzten Jahren zu wuchtig geworden, um sie jung zu trinken und ich hätte jetzt einen Überhang an reifebedürftigen Löwenstein-Rieslingen kam von ihr eine Antwort, die ich nicht erwartet hatte: Ja, das sehe der Winzer auch so und deswegen sei man ja gerade dabei, bei einigen Weinen auf einen schlankeren Stil umzuschwenken. Im Zuge dessen, sei man im letzten Herbst auch in einigen Lagen der erste (!) Betrieb gewesen, der die Traubenernte begann. Heymann-Löwenstein als Ernte-Starter. Das hielt ich bis dato für ungefähr so wahrscheinlich, wie einen staufreien Ferienbeginn am Kamener Kreuz.

Nun habe ich keinen Anlass an der Richtigkeit der Aussagen meiner Gesprächspartnerin zu zweifeln. Deswegen kann ich den Herbst kaum abwarten. Es wird spannend sein, welche Weine einen neuen Stil präsentieren und wie der Winzer das in sein Terroir-Bild einpassen wird. Ich persönlich hoffe, dass der Röttgen einer Schlankheitskur unterzogen wird. Der 2007er hat sich jung sehr fett präsentiert und die gestern geöffnete Flasche zeigt höchstens einen Hauch von Entwicklung.

Heymann-Löwenstein, Winningen Röttgen, Riesling erste Lage, 2007, Mosel. In der sehr süßen Nase kandierte Früchte, getrocknete Aprikosen, Grand Manier und Marzipan. Der Wein riecht sehr überreif. Am Gaumen ist der Röttgen ein dicker Brummer. Karamell und Aprikose mit gefühlten 30 Gramm Restzucker werden nicht ausreichend von der sehr reifen Säure abgepuffert. Eine sehr ausdrucksstarke Mineralik hilft zwar ein bisschen, trotzdem trinkt sich der Riesling im Moment wie ein Süßwein mit etwas zu viel Alkohol und etwas zu wenig Spiel. Der lange Abgang ist wahnsinnig mineralisch.

Insgesamt ist mir der Wein im Moment zu süß und zu mastig. Ich habe die Hoffnung, dass er sich irgendwann, wenn die Süße sich mit zunehmender Reife zurückzieht, richtig groß präsentiert. Beim 2004er Uhlen-R war das nach zwei Jahren schon zu erahnen und ist heute der Fall. Bei diesem Röttgen habe ich eher den Eindruck, es könnte noch bis 2015 oder sogar länger dauern. Warten wir es ab.

Das seltenste Grosse Gewächs aller Zeiten

Neben den offiziellen Regeln, die der VDP seinen Mitgliedern für die Produktion von Grossen Gewächsen auferlegt (und mit denen ich mich unter anderem hier beschäftigt habe), scheint es auch noch inoffizielle zu geben. Davon handelt zumindest eine Geschichte, die ich dereinst von einem Händler hörte, als ich mir den gestern getrunkenen Wein kaufte.

Das Weingut Bassermann-Jordan besitzt in der als ‚Erste Lage‘ klassifizierten Gemarkung Königsbacher Ölberg eine winzige mit Spätburgunder bestockte Parzelle, deren Ertrag gerade mal ein Barrique-Fass füllt. Diese 225 Liter ergeben nach Abzug von ein bisschen Bodensatz keine 300 Flaschen. Im Jahr 2004 füllte das Weingut diese als ‚Grosses Gewächs‘ in die Flasche mit der Trauben-1. Davon gingen zwei für die Qualitätsweinprüfung drauf, weitere mussten zur sensorischen Prüfung zum VDP. Dann wurden wohl Flaschen für die öffentlichen GG-Präsentationen des Verbandes gebraucht und sicher wanderten noch einige in die Schatzkammer des Gutes.

Es kamen also vermutlich nicht einmal 250 Flaschen in den Verkauf. Angeblich führte das zu einer Intervention des VDP beim Weingut. GGs sollten sich durch eine gewisse Verfügbarkeit auszeichnen und davon sei man mit so einem Produkt doch sehr weit entfernt. In der Folge wurde der Wein ab dem Jahrgang 2005 als normaler Lagenspätburgunder gefüllt. Der Preistrend geht allerdings ungebremst nach oben. Mit einmalig weniger als 300 in den Handel gekommenen Flaschen ist dies also vermutlich das seltenste GG aller Zeiten.

Weingut Geheimer Rat Dr. von Bassermann-Jordan, Königsbacher Ölberg Spätburgunder Grosses Gewächs, 2004, Pfalz. In der noblen Nase Kirsche, Leder und Bittermandel/Marzipan. Keine ‚deutschen‘ Noten in der Nase und auch am Gaumen ist der Wein alles andere als hausbacken. Kirsche, Schokolade, ein wenig Holz und Nelke sind von einer tollen Mineralik unterlegt – großartige Struktur. Der ultralange Abgang ist vor allem von Mineralik getragen. Ein vornehmer Wein, kein Muskelpaket.

Das ist einer der zehn besten Spätburgunder, die ich bisher getrunken habe.

P.S. Mittlerweile habe ich die Info bekommen, mein Händler habe übertrieben: Es seien drei Barriques, die von dem Wein produziert würden und er wäre auch 2003 als GG gefüllt worden. Der Rest der Geschichte sei aber ungefähr korrekt.