Heymann-Löwenstein, Jubiläumscuvée ‚Alte Reben‘

Jubiläumscuvée R30 sollte der Wein wohl ursprünglich heißen, denn so war er mir vor einiger Zeit vom Gut angeboten worden. Nun ist er als Cuvée ‚Alte Reben‘ geliefert, gefüllt ausschließlich in Magnumflaschen. Also braucht man ein paar nette Mitstreiter oder den Willen, eine ganze Woche lang den gleichen Wein zu trinken (die Alternativen, einen Teil einer Soße zu opfern oder einfach den ganzen Wein in kurzer Zeit in sich hineinzuschütten will ich gar nicht in Erwägung ziehen). Und so stieß ich mit ein paar Freunden dieser Tage auf den 30. Geburtstag eines meiner bevorzugten Riesling-Produzenten an. Herzlichen Glückwunsch Herr und Frau H-L.

Heymann-Löwenstein, Jubiläumscuvée ‚Alte Reben‘, QbA, ohne Jahrgang, Mosel. Eine Verbindung verschiedener Rieslinge aus Schiefer-Steillagen (dem Vernehmen nach aus 2007 und 2008). In der spektakulären Nase tauchen neben üblichen Verdächtigen wie Pfirsich und Rhabarber auch grüne Noten von Paprika und Kerbel auf sowie eine sortenuntypische Note von Anis. Am Gaumen geht es ernsthaft weiter, viel Saft und Kraft stecken in diesem eher halbtrockenen Riesling. Zum schönen Süße-Säure-Spiel kommen Aromen von Kemmschen Kuchen und Rauch sowie  Apfel und Rhabarber. Dicke Mineralik trägt den sehr langen Abgang. Das ist ein Traumwein und bei 30€ für die Magnum ist es das beste Preis-Leistungs-Verhältnis, dass Heymann-Löwenstein in den letzten 5 Jahren auf die Flasche gezogen hat. Er soll nach Auskunft der Winzer 30 Jahre halten. Ich mag nicht widersprechen.

Füllwein (14)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für erwähnenswert befunden habe.

Franz Keller, Spätburgunder Selection, QbA, 2005, Baden. Ein relativ dunkler Vertreter, sowohl farblich als auch von den Aromen in der Nase: Kirsche aber vor allem Zeder, Waldboden und eher nicht ‚deutsch‘. Am Gaumen ist die Stilistik fast international, wenn nicht die dafür eher untypische kräftige Säure wäre: ziemlich viel Bumms, Aromen von Kirsche und Pflaume, Kakao, gar nicht mineralisch, noch deutliche Spuren vom Holz aber moderates Tannin, jetzt reif und voll da. Außerordentlich langer Abgang. Hervorragend und für Keller (Baden) eher untypisch: exzellentes Preis-Genuss-Verhältnis.

Müller-Catoir, Gimmeldinger Mandelgarten, Riesling Spätlese trocken, 2007, Pfalz. In der Nase legt der Wein eine falsche Fährte: er riecht süß nach vollreifem Pfirsich sowie ein bisschen Banane und Marzipan. Am Gaumen ist er dann aber sehr trocken und bietet  viel Zitrus-Aroma, Grapefruit und eine stramme Säure. Er ist vollmundig und fast ein bisschen fett, was er überreifen Noten verdankt und nicht etwa seinem Restzucker, denn er kommt nur auf 4,7 Gramm bei 7,4 Promill Säure. 13,5% Alkohol sind spürbar, Mineralik eher weniger. Das klingt krass und mit diesem Adjektiv ist der Wein derzeit auch treffend beschrieben. Aber in zwei oder drei Jahren sieht das vermutlich anders (besser) aus.

Becker-Steinhauer, Veldenzer Kirchberg, Riesling Kabinett trocken, 2005, Mosel. Noch so ein staubtrockener Vertreter: Der Wein ist spontan vergoren und hat irgendwann den Turbo eingeschaltet. Bevor der Winzer Stopp sagen konnte, waren 13% Alkohol und nur noch drei Gramm Restzucker im Getränk. Das hat ganz zu Beginn auch noch mit einem Spontistinker geglänzt und gehörte ebenfalls in die Kategorie ‚krass‘. Drei Jahre Flaschenreife haben alles geordnet. In der Nase deutliche Reifenoten aber keine Firne, dazu Aprikose und Aloe Vera. Weder in der Nase noch am Gaumen kann der Wein seinen Alkohol verbergen, bewegt sich aber im erträglichen Rahmen. Am Gaumen straff mit vollem Mundgefühl, schöner Mineralik und etwas Pfirsichfrucht. Langer mineralischer Abgang. Extrem viel (toller) Wein für damals 5€!

Verbotene Spätlese

1971 trat in Deutschland ein Weingesetz in Kraft, zu dessen Auswirkungen eine drastische Verringerung der Zahl ausgewiesener Weinbergslagen von gut 30.000 auf weniger als 3.000 gehörte. Dabei wurden Lagen zusammengelegt und Parzellennamen als Zusatz abgeschafft. Einige berühmte Parzellen wurden zu eigenen Lagen. Aus den Lagen Bürgerslay, Thorney, Juffer u.v.m. wurde beispielsweise die Brauneberger Juffer, die Parzelle rund um die Sonnenuhr wurde als Juffer-Sonnenuhr zur Lage befördert (und damit gleich eine Ausnahme von der eigentlichen Weingesetz-Regel gemacht, keine Bindestrichlagen zu schaffen, wenn einer der Bindestrichpartner auch als Einzellage existiert). Seit fast 40 Jahren wird diskutiert, ob dieses Gesetz gute Seiten hat oder einfach nur schlecht ist  – das soll hier aber nicht Thema sein, denn es fehlt mir an Sachverstand, um da mitzureden.

Die Wiedererweckung von Tradition ist in der Weinvermarktung ungefähr so populär wie die Verwendung von Kindern und Tieren in der Werbung (geht immer!), und deswegen tauchten in den Preislisten der besseren Winzer Deutschlands in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends zunehmend Weine auf, deren Bezeichnung ältlich klingende Namenszusätze trugen. Ein paar Beispiele: ‚(auf der)Lay‘, ‚Pergentsknopp‘ und ‚Vols‘, ‚Ganzhorn‘ oder ‚Scharz‘ waren alte Lagen-, Parzellen- und Katasternamen aus der Zeit vor 1971, die Teilstücke von ohnehin schon privilegierten Lagen (hier: Halenberg, Scharzhofberg, Braunfels, Im Sonnenschein und Niederberg-Helden) beschrieben. Diese alten Namen werteten die Weine auf, als Namenszusatz oder gleich als eigener (Marken)-Name.

Es gab nur ein Problem: die Verwendung war illegal.

Dabei spielt es keine Rolle, wie die Bezeichnung verwendet wird, ob als Zusatz oder Name, ob für Prädikatswein oder QbA, ob als eingetragene Marke oder einfach so. Was früher einmal Lage war ist heute Tabu (außer im Falle der Lagenumbenennung, den es neulich in der Pfalz gab, aber das ist eine andere Geschichte).

Wer denkt, im Obrigkeitsstaat Deutschland wäre dem sofort mit harter Hand begegnet worden, sah sich getäuscht. Die Retrowelle schwappte eine ganze Weile durch Deutschlands Weinkeller. Irgendein Wein hat dann aber wohl, um im Bild zu bleiben, das Fass zum überlaufen gebracht. Für den Jahrgang 2008 sucht man vergeblich nach den Prä-71er-Bezeichnungen. Einige Namen verschwanden schon vor ein oder zwei Jahren, aber mit dem 2008er scheint systematisch Schluss mit dem Revival. Aus dem ‚auf der Lay‘ wurde der ‚adL‘ , der Pergentsknopp wurde zum ‚P‘, dem Vols wurde ein z verpasst und er heißt jetzt Volz, was ich für eine gelungene Hintertür halte. Meinem Sprachsinn den heftigsten Schluckauf beschert die Verwandlung des Ganzhorn in den Ganz Horn – aber das ist meine unmaßgebliche Meinung.

Dieser hier ist einfach wieder die Niederberg-Helden Spätlese trocken:

Thanisch (Ludwig Thanisch und Sohn), Riesling ‚Scharz‘ (Lieserer Niederberg Helden Spätlese trocken), 2007, Mosel. In der Nase im Moment sehr zurückhaltend, ein wenig Apfel, ein bisschen Aprikose. Am Gaumen ist der Wein puristisch: keine Spur von Überreife, nichts fettes, karamelliges und keine dienende Restsüße. Grapefruit, Zitrus, Kumquat, leichter Bitterstoff, akzentuierte aber nicht zu heftige Säure, ziemlich trocken bei mittlerer Dichte und Druck. Der Wein ist auch nur mäßig mineralisch. Die Betonung liegt auf Frucht und Spiel und das wirkt gewollt und gekonnt. Der Abgang ist sehr lang.

Das ist ein klassischer trockener Modelriesling mit 12,5% Alkohol, wie er (Achtung, Phrase!) heute nur noch selten gemacht wird. Und damit meine ich keinesfalls einen dünnen Säuerling. Die Spätlese ist im beste Sinne ‚Retro‘, egal ob mit altertümlichem Namenszusatz oder ohne.

Die Phasenphrase

‚Ein großer Wein ist in jeder Phase seines Daseins groß‘ ist eine gern verwandte Phrase in Weintrinkerkreisen – und auch in jenen wäre ich sehr für die Einführung eines ‚Phrasenschweins‘ also eines Sparschweins, in das jeder, der bei einem solchen Allgemeinplatz erwischt wird, ein paar Euro Bußgeld stecken muss. Die Phasenphrase weiterlesen

Füllwein (13)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für erwähnenswert befunden habe.

Markus Busch, ‚Steillagenprojekt‘ (Pündericher Marienburg), Riesling Kabinett halbtrocken, 2008 Mosel. Die Nase ist noch ziemlich hefig, kleiner Spontistinker, Mirabelle, blonder Tabak, sehr jung und wild, beruhigt/bereinigt sich etwas unter Lufteinfluss. Am Gaumen ist der Riesling weniger süß als ich von einem halbtrockenen Wein erwartet hätte, sozusagen am trockenen Ende von halbtrocken. Aromen von Apfel und Pfirsich treffen auf eine feste aber nicht zu akzentuierte Säure und mittlere Mineralik. Das Mundgefühl ist mitteldicht und -stoffig, der Abgang lang. Sehr guter Wein.

Agritiushof, ‚Embilaco‘ (Oberemmeler Karlsberg), Riesling QbA, 2006, Mosel (Saar). Die Nase ist ebenfalls sehr hefig, dazu Rhabarber, Pfirsich, und ein Hauch tropischer Früchte. Am Gaumen ist der Wein für den Jahrgang vergleichsweise sauber und klar, nur etwas Würze, überwiegend klare Frucht (Apfel und Pfirsich). Da die Säure für einen Riesling mild ausfällt, wurde der Wein sehr trocken ausgebaut (ich meine zu erinnern, dass er nur 4 Gramm Restzucker hat). Der dabei entstandene Alkohol von 13% ist gut integriert. Da hält der Wein eine perfekte Balance.  Für Spannung sorgt statt der Säure jetzt eine üppige Schiefermineralik. Die trägt auch den langen Abgang. Blitzsaubere Arbeit im Problemjahr und ein Vergnügen im Glas.

Azienda Agricola Lhosa, Morellino di Scansano DOC, Rotweincuvée, 2004, Toskana (Maremma), Italien. 85% Sangiovese, 15% Ciliegolo (eine autochthone Sorte aus der Maremma). Der Wein ist ein typischer Vertreter seiner Art. Sehr viel Kirsche, ein bisschen helle Schokolade und einen kleinen Tick Leder in der Nase. Am Gaumen präsentiert sich der Morellino sehr balanciert mit einer feinen Fruchtsüße, mittlerem Druck und einem stabilen Tanningerüst. Er ist in gebrauchten Eichenfässern verschiedener Größen ausgebaut, was ihm eine schöne Struktur ohne zu viel Holzaromen eingebracht hat. Langer, harmonischer Abgang. Eine dieser konsensfähigen roten italienischen Allzweckwaffen die Anspruch und Unkompliziertheit miteinander vermählt – hier sogar besonders erfolgreich.