Auf die Größe kommt es manchmal doch an

Wer ob der Überschrift Schlüpfrigkeiten erwartete, wird jetzt vielleicht enttäuscht sein, aber es geht hier um Flaschengrößen – ist ja schließlich ein Weinblog. Welchen wirklich großen Einfluss die Flaschengröße auf den Reifeverlauf auch eines Rieslings hat, konnte ich einmal mehr anhand eines letzte Woche verkosteten Weines erfahren, für den es zufälligerweise gerade Sekundärliteratur zum Vergleich gibt. Der Riesling stand nämlich auch (aus der Normalflasche) auf der Verkostungsliste des Gault Millau für die Bernhard Breuer Trophy, also die Verkostung 10 Jahre alter Spitzenrieslinge, und soll nach einem Bericht von Werner Elflein im Glas ziemlich rasch abgebaut haben.

Ich habe den Wein noch in Magnumflaschen und eine davon konnte ich letztes Wochenende öffnen, da ich genügend an Riesling interessierte Gäste hatte. Fazit: selbst Freunde jüngerer Weine waren begeistert ob dieses wirklich fantastischen Weines, welcher Reife und Frische perfekt balanciert. So hat der Wein aus der Normalflasche vermutlich vor drei oder vier Jahren geschmeckt.

Eitelsbacher Karthäuserhofberg, Riesling Auslese trocken -S-, 1999 (Magnum), Karthäuserhof, Mosel (Ruwer). Die vergleichsweise frische Nase erinnert an Rhabarber, Vanille, ein wenig Honig und zeigt auch einige würzige Reifenoten. Am Gaumen ist der Wein zwar sehr trocken aber auch sehr fruchtig mit Anklängen von Himbeere und viel Pfirsich, dazu ist er wahnsinnig mineralisch von der ‚rauchigen‘ Art. Der Abgang ist mineralisch, trocken ohne gezehrt zu wirken und sehr lang.

In diesem Fall verheißt die Extragröße auch Extragenuss…

PLV…

Vielleicht geht es nur mir so, aber wenn einem Wein ein besonders gutes Preis-Leistungsverhältnis bescheinigt wird, sinkt mein Interesse oft eher, als dass es steigt. Zwar verfüge auch ich über Schnäppchenreflexe, doch bei Wein gibt es für mich eine gefühlte Qualitätspyramide, an deren Spitze die großen Weine stehen, darunter die Weine mit gutem PLV und darunter die eher enttäuschenden. Wenn ein Wein mich schier aus der Tür bläst, weil er so hammergut ist, nutze ich alle verfügbare Zeit (und Blogzeilen), um dieser Tatsache Öffentlichkeit zu verschaffen. Über den Preis mache ich mir weniger Gedanken.

Wenn ein Wein ‚sehr ordentlich‘ ist, suche ich nach weiteren beschreibenden Besonderheiten und werde manches Mal beim Preis fündig. So übersetzt sich das Lob: ‚ein PLV-Wunder‘ für einen X-€-Wein in: ‚in der X-€-Klasse gibt es kaum was besseres, der Wein schmeckt wie ein Mitglied der Y-€-Klasse‘. Damit ist aber implizit gesagt, dass der Wein eher nicht zur Z-€-Klasse gehört.

Also gibt es Weine, bei denen gelobtes PLV etwas positives ist: Muscadet, Deutscher Sauvignon Blanc, Scheurebe etc. – halt alles, was eine rasche Preisgrenze nach oben hat (keine Z-Klasse vorhanden). Bei Spätburgunder und Riesling ist das Lob für mich eher fragwürdig. Denn, mal Hand aufs Herz, die ganz großen Rieslinge und Spätburgunder-Geschosse aus deutschen Landen haben eher ein schlechtes PLV. Kellers G-Max ist bald dreimal so teuer wie sein Kirchspiel aber vermutlich nicht mal doppelt so gut. Das liesse sich mit Kirchspiel zu ‚von der Fels‘ fortsetzen usw.. Ähnliches gilt für Beckers Pinot Noir im Vergleich zu den GGs aus gleichem Hause oder Knipsers Cuvée XR versus X.

Mit anderen Worten: PLV ist was für Selbstzahler. Bei freier Auswahl käme fast immer anderes ins Glas. Deswegen tut ein Loblied auf das PLV manchen Weinen unrecht.

Die Vorrede war mir wichtig, weil beim folgenden Wein alles anders ist. Wie schon geschrieben, brilliert das Weingut Günther Steinmetz mit Rieslingen aus Brauneberger Lagen mit tollem PLV. Aber die spielen nicht in der Liga von Fritz Haag (eher von Martin Conrad bei 30% niedrigerem Preis). Die Spätburgunder hingegen sind auch ohne Zuhilfenahme des Preises echte Klasseweine. Ich behaupte (mit allen bekannten Einschränkungen), dass die Spätburgunder Auslesen von Stefan Steinmetz es in einer landesweiten Blindprobe in das Feld der besten 50 Spätburgunder aus deutschen Landen schafften – wo sie dann mit 13€ einsame PLV-Sieger wären.

Spätburgunder Auslese* Barrique, 2005, Weingut Günther Steinmetz, Mosel. In der Nase Leder, Himbeere, Rauch aber auch ein ganz kleiner ‚deutscher‘ Anklang von gekochter Erdbeere. Am Gaumen wirkt der Wein fest und saftig, mit strammer Säure, sehr süßer Frucht von Kirsche und Himbeere und etwas Schokolade. Es folgen Noten von Menthol und vom Barriqueausbau. Was den Wein besonders macht ist die Tatsache, dass da nichts Fettes, Warmes oder Molliges ist. Kühl, mineralisch, schlank aber druckvoll, moderat im Alkohol, zeigt der Wein Attribute, die mir bei einem Spätburgunder sehr zusagen. Dabei gibt der Holzausbau eine passende Struktur – für mich ein filigraner Klassewein.

Der kommt mir auch bei freier Auswahl ins Glas.

Kork sei Dank

Einem korkigen Wein etwas Gutes abzugewinnen, gelingt vermutlich nur echten Frohnaturen. Also nennt mich Sonnenschein…

Unter allen Varianten des Korkfehlers finde ich den ‚schleichenden‘ besonders fies, weil er es schafft, einen Wein unmittelbar nach dem Öffnen erst mal genießbar erscheinen zu lassen. Mit etwas Luft verwandelt sich der schleichende binnen weniger Stunden oder manchmal auch Tage meiner Erfahrung nach in einen ganz offensichtlichen Fehler. Bis dahin tut man dem betroffenen Wein einiges Unrecht. Nicht selten denke ich: schleichender Kork, wenn einem Wein in Erzählungen oder Blogberichten die eher ‚schale‘ Frucht angekreidet wird.

Das bedeutet aber nicht, dass ich selbst davor gefeit wäre. Erst neulich habe ich einen Wein im Prinzip zwar sehr schön aber in der Frucht doch arg gezehrt gefunden. Der Blogbeitrag war im Geiste schon formuliert und der Wein herabgestuft zum Ensemblemitglied im nächsten Füllwein-Artikel. Ich dachte noch, wie schön könnte er sein, wenn er diese unglaubliche Mineralik mit einer satten Pfirsichfrucht kombinieren könnte. Der Abgang war lang aber eben nur was für Knochentrockentrinker. Und dann kam da mit Verzögerung auf einmal eine richtig scharfe Note in selbigen. Der Verdacht keimte auf, der Wein landete im Kühlschrank und am nächsten Abend kam dann etwas ins Glas, was mich nur noch denken ließ: „Und davon hast Du gestern ein ganzes Glas getrunken?“

Aber die Geschichte hat ein Happy-End in Form einer zweiten Flasche. Diese Flasche zeigt viel von dem, was ich bei der ersten vermisst habe. Hatte ich ursprünglich noch gedacht, dass ‚Auslese trocken‘ auf dem Etikett auch Auslesequalität in der Flasche bedeuten sollte, so finde ich jetzt, dass der Winzer ob des Zauberstoffs im Glas zurecht Auslese statt Spätlese als Bezeichnung wählte. Hatte ich ohne Frucht noch darüber sinniert, wie mineralisch der Wein ist, finde ich die gleiche Mineralik jetzt auch im fruchtigen Sollzustand wieder und kann ihre ganze Tiefe erst richtig würdigen. Der Wein ist so gut, wie ich es vor dem Öffnen der kaputten Flasche erhofft hatte und ohne das Negativerlebnis wäre mir vielleicht die eine oder andere Nuance verborgen geblieben.

‚Montis‘ Riesling Auslese trocken (Klüsserather Bruderschaft), 2005, Weingut Gebr. Ludwig, Mosel. In der opulenten Nase eine Mischung aus Pfirsich, Marzipan und Aloe Vera gepaart mit einer leichten Würze, die vermutlich von der Reife stammt. Am Gaumen mit viel Volumen und Saft ohne fett zu sein. Der Wein hat nur 12,5% Alkohol und keinen übertriebenen Zuckerschwanz. Sehr schöne Pfirsichfrucht gepaart mit tiefer Mineralik, leicht salzig, tolles Spiel durch eine lebendige und perfekt integrierte Säure. Gefällt mir etwas wärmer noch besser als bei ‚Soll-Temperatur‘. Ein phänomenaler Wein.

Manchmal lernt man’s halt auf die harte Tour …

Füllwein (6)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für erwähnenswert befunden habe.

Forster Elster, Riesling Kabinett, 2007, Georg Mosbacher, Pfalz. Ein schlanker und leichter Kabinett den Mosbacher jedes Jahr aus dieser Lage zaubert, in 2007 mit 12% auch im Alkohol leicht. Zwei Merkmale prägen den Wein: eine exotische, süße Nase mit vollreifer Maracuja, Ananas und Marzipan sowie eine kräftige Säure. Ein Wein der ohne überbordende Mineralik auskommt. Aber bei aller Einfachheit zeigt der Wein, dass die Eigenschaften unkompliziert und anspruchsvoll sich nicht ausschließen.

Mülheimer Sonnenlay, Riesling Auslese, 2003, Weingut Bottler, Mosel. Über das eher wenig bekannte Gut hatte ich hier ja schon geschrieben. Die Auslese aus dem Problemjahr 2003 besticht mit intensivem Grapefruit-Aroma samt leichtem Bitterton. Trotzdem gefällt sie mir sehr gut, denn das Bitterl macht etwas die fehlende Säure weg. Auch die 11% Alkohol und damit einhergehender niedrigerer Restzucker stehen dem Wein meiner Meinung nach gut. Im Abgang lang und rund.

Ursprung, Rotwein Cuvée, 2006, Markus Schneider, Pfalz. Es ist schon viel Positives über Markus Schneiders Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Merlot, Portugieser und Cabernet Mitos geschrieben worden. Die im Keller vergessene und jüngst wiedergefundene Flasche 2006er zeigt für mich aber auch die Grenzen des Weines auf. Wenn jugendliches Tannin etwas abgeschmolzen ist, finde ich den Wein ganz schön süß. Das ist bald halbtrocken und nicht annähernd so gut wie kurz nach der Füllung. Nach einem viertel Glas war Schluss. Der Wein gehört schon fast in die Kategorie ‚Kellerleiche‘.

Füllwein (5)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für erwähnenswert befunden habe. Füllwein (5) weiterlesen