Pssst… geheim!!!

Geheimtipps sind der direkte Weg ins Abseits. Denn was ist schon wirklich geheim in dieser vernetzten Welt? Neulich war ich bei einer Probe eines Weinhändlers, als mir meine Augenblicksbekanntschaft zur linken im Laufe eines lockeren Gesprächs mit gesenkter Stimme anvertraute, ich sollte doch mal die Weine von Alexander Laible einer genauen Prüfung unterziehen. Das sei der Geheimtipp schlechthin.

Zum Glück bin ich nicht nur höflich, sondern auch mit ein klein wenig schauspielerischem Talent gesegnet, so dass ich mit verbindlichem Zwinkern und fester Stimme meinem Dank Ausdruck verlieh, obwohl die dunkle Seite meiner Seele die Antwort ‚Wo warst Du die letzten Jahre, Bruder?‘ bevorzugt hätte.

Und macht mich das vorsichtig? Nein, eher nicht. Aber immerhin komme ich hier mit einer Art ewigem Geheimtipp, also einem, der nicht neu und demnächst (oder doch schon jetzt? – siehe oben) in aller Munde ist, sondern einem jener Winzer, die dauerhaft unterbewertet sind. Das Weingut Rudolf Sinß ist meiner Meinung nach so einer. Was dem Gut zum Durchbruch fehlt, sind vermutlich überirdische Rieslinge. Denn an der Nahe kann man mit perfektem Barrique-Einsatz und weißen wie roten Burgundern (und das ist Sinß‘ Stärke) vermutlich so gut Punkten wie mit einer Männerballettgruppe in einem kanadischen Holzfäller-Camp. Böse Zungen behaupten ja, ‚Burgunderschwuchtel‘ sei ein gängiges Schimpfwort unter Deutschen Rieslingerzeugern, aber ich schweife ab…

Hier also ein zweiter Erzeuger (neben dem hier), den ich vor allem für seine Spätburgunder schätze, obwohl er aus einem klassischen Riesling-Gebiet stammt: Windesheimer Rosenberg, Spätburgunder Auslese trocken – im Barrique gereift, 2004, Weingut Sinß, Nahe. In der Nase viel Himbeere und Leder, am Gaumen saftig und süße Frucht wiederum von Himbeere. Was den Wein aus der Masse heraushebt ist die perfekte Balance aus Frucht, Säure und Tannin, der als vierte Gewalt ein wenig die 14,5% Alkohol im Weg stehen, sonst wäre die Begeisterung grenzenlos. Ausgesprochen lang und wahnsinnig gut.

Update: Hier wird nix gelöscht. Aber neun Jahre später stellt sich das für mich ganz anders dar… 

Die letzten ihrer Art

Wie hier schon beschrieben, war 2006 der letzte Jahrgang, in dem die VDP-Winzer an der Nahe Spätlesen aus ihren GG-Lagen abgefüllt haben. Zwar fließen immer noch Trauben aus den GG-Lagen in einfachere Weine ein, den direkten Vergleich zwischen Spätlese und GG wird man künftig aber nicht mehr haben. Schade, lohnte sich doch so manches Mal die Diskussion, was jetzt eigentlich besser ist, das GG oder die Spätlese. Hier fällt mir die Entscheidung jedoch leicht.

Monzinger Frühlingsplätzchen, Riesling Spätlese trocken, 2006, Emrich Schönleber, Nahe

Der Wein ist in der Nase und am Gaumen von ziemlich heftigen Zitrusnoten dominiert. In der Nase Zitrone und ein bisschen Aloe Vera sowie etwas Hefe. Das erscheint mir nicht besonders harmonisch, einerseits parfümiert, andererseits stechend. Am Gaumen ist der Wein sehr von der Säure dominiert. Ich könnte mir vorstellen, dass die Spätlese mit der Zeit etwas harmonischer wird – wer ihn hat, sollte den Wein  vielleicht ab 2011 trinken – aber so richtig großartig wird er wohl nicht werden.

Verborgene Talente

Wenn vom Weingut Dönnhoff die Rede ist, dreht es sich immer um Riesling. Bevorzugte Diskussionspunkte sind die Großen Gewächse, die mancher in Deutschlands Spitze wähnt, während andere sie zu geschliffen finden (im Sinne von ‚ohne Ecken und Kanten‘), oder seine Edelsüßen über die man selten anderes hört als helle Begeisterung – insbesondere seine Eisweine sollen grandios sein (das Vergnügen hatte ich noch nicht, einige Auslesen kenne ich). Verborgene Talente weiterlesen

Großes Gelage (2)

Monzinger Halenberg, Riesling Grosses Gewächs, Nahe, 2007, Emrich Schönleber. Dieses GG ist ein Wein für all die (teils fanatischen) GG-Kritiker in der Deutschen Wein(foren&blog)szene; diejenigen, die meckern, GGs seien selten typisch, meist zu mastig, alkoholisch und qualitativ oft nur auf Niveau von guten Spätlesen.

Ich habe den Halenberg eher verkostet als getrunken, über 8 Tage immer mal wieder ein halbes oder ganzes Glas genossen, denn so jung wie er ist, hält er sich im Kühlschrank mehr als eine Woche und präsentiert jedes mal ein anderes Gesicht. Selbst im schwächsten Moment (der erste und der letzte Schluck) stemmt er für mich die 90 Punkte, das schönste Glas am vierten Tag waren auf meiner Skala ganz selten erreichte 96 Punkte.

4. Tag: In der Nase immer noch etwas hefig, mit einerseits Zitrusaroma von Grapefruit, andererseits cremigen Noten von Banane und Vanille, dazu etwas blumig. Am Gaumen eine feine Säure, ein ganz zarter Wein, dessen 13% Alkohol nicht spürbar in Erscheinung treten. Sehr tiefgründig, eher verspielt als wuchtig; ungemein mineralisch und sehr lang im Abgang

8. Tag: etwas saftiger als vorher aber immer noch eher zart. Im Abgang ein paar Gerbstoffe.

Ich glaube, in seinen besten Reifephasen wird er mitspielen, in der Liga der großen trockenen Weißweine der Welt.

Anlass für diesen Griff ins GG-Regal war der zweite Teil meiner Übersicht.  Während die Ersten Gewächse im Rheingau, wie in Teil 1 beschrieben, gesetzlich geregelt sind, was eine gewisse Eindeutigkeit bedingt, sind in den anderen Deutschen Anbaugebieten privatwirtschaftlich organisierte Verbände am Werk. An der Nahe sind die Regeln noch einigermaßen übersichtlich. Von nun an gilt es allerdings zwischen Lage und Wein zu unterscheiden. Ich beziehe mich jeweils zunächst auf die trockene Variante und beschreibe am Schluss, was es mit den süßen Varianten auf sich hat. Zusammenfassend will ich behaupten, dass an der Nahe GGs etwas wirklich gutes sind, denn die besten Winzer von der Nahe sind alle im VDP und alle VDP-Nahe-Winzer sind gut. Andere Regionalverbände haben Mitglieder, die eigentlich längst ausgestoßen gehören, weil sie seit langem keinen sehr guten Wein mehr produzieren. Einen Ausschluss sieht die Satzung des VDP jedoch nicht vor. Aber das ist nur meine persönliche Einschätzung. Hier also ein paar Fakten:

Die als große oder erste Gewächse und Lagen klassifizierten Weine Deutschlands gemäß ihren jeweiligen Spezifikationen nach Anbaugebiet − Teil 2: Nahe

 

Monzinger Halenberg GG 2007
Monzinger Halenberg GG

Name: Grosses Gewächs

Rebsorten: Riesling

Träger: Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP), keine gesetzliche Regelung, (teilweise) markenrechtlicher Bezeichnungsschutz

Mindestpreis: 15€

Kriterien: besondere Lage gemäß VDP-Klassifizierung; Ertragsbegrenzung auf 50 hl/ha; Mostgewicht mindestens im Spätlesebereich; sensorische Prüfung durch eine Kommission, maximaler Zuckergehalt 9 Gramm

Vertrieb: Vermarktung als Qualitätswein ab dem 1. September des Folgejahres ; Verwendung einer speziellen Rieslingflasche mit eingeprägter „Trauben-1“; Verwendung der Bezeichnung „GG“ (Abkürzung) auf dem Vorderetikett, keine Prädikatsangabe, gesetzliche Angaben (Alk, AP-Nr. etc) auf dem Rückenetikett, Kapsel mit VDP-Adler

Lagenverbrauch: Eingeschränkt, „Zweitwein“ möglich

Die Güter an der Nahe haben den „Lagenverbrauch“ erfunden, der ab 2015 von allen VDP-Winzern in Deutschland eingehalten wird. Er besagt, dass aus einer Ersten Lage genau ein trockener Wein vermarktet wird: das Grosse Gewächs. Trauben, die nicht in das GG fließen, wandern entweder in den „Ortswein“ oder in die diversen Süssweine, die mit Angabe des Prädikats und des Erste-Lage-Logos noch möglich sind. Es gibt dann also aus der Lage Monzinger Halenberg ein trockenes GG und restsüße Spät-, Aus-, (Trocken-)Beerenauslesen. Außerdem können Trauben aus der Lage in den Gutsriesling und Ortsriesling etc. wandern (bei Emrich-Schönleber etwa der ‚Monzinger Riesling’, der ‚Mineral’ oder der ‚Lenz’) . Heute produzieren die Güter an der Nahe noch einen trockenen Lagenriesling ohne Prädikat (Monzinger Halenberg Riesling trocken), der aber mindestens Spätlesequalität hat. Ab 2015 spätestens gibt es den nicht mehr.

Die VDP-Kollegen von der Mosel setzen einen drauf und produzieren auch restsüsse Kabinette aus ersten Lagen. Aber das ist nur ein Ausschnitt aus dem Chaos, welches an der Mosel herrscht. Damit beschäftigt sich demnächst Teil drei.

Dönnhoff, Norheimer Dellchen, Riesling Großes Gewächs 2006

Ich habe verschiedentlich gelesen, daß die Winzer an der Nahe 2006 mehr Glück hatten als ihre Kollegen anderswo, so daß der Jahrgang dort besser sei. Mosel, Rheingau und Pfalz brachten viele Weine hervor, die heute schon sehr reif (um nicht zu sagen: alt) schmecken. Das Dellchen GG ist mein erster Versuch mit einem 2006er aus dem Gebiet. Dönnhoff, Norheimer Dellchen, Riesling Großes Gewächs 2006 weiterlesen