Wittmann aufhängen

Vor vielen Jahren begegnete ich einer Frau, die Einkaufstüten sammelte. Dabei ging es ihr nicht darum, möglichst viele Einkaufstüten zusammen zu tragen, die dann alle mit ,Penny‘ oder ,Lidl‘ bedruckt sind, sondern um eine Auswahl möglichst exklusiver Beutel mit Aufdrucken von ,Chanel‘ oder ,Tiffany‘. Diese Tüten, erzählte mir die Freundin, die mich mit dieser Frau bekannt gemacht hatte, schmückten die Wände ihrer Wohnung und wurden voller Stolz ausgestellt. Das war so ziemlich das albernste Hobby, dem ich je in meinem Leben begegnet bin.

Gut festmachen...
Ein merkwürdiges Etwas…

Fast die Hälfte meiner Freunde – das sind diejenigen, die meinen Weinfimmel teilen – sammelt leere Weinflaschen. Dabei geht es nicht darum, möglichst viele Flaschen zusammen zu tragen, die dann mit ,Gallo‘ oder ,Torres‘ bedruckt sind, sondern um eine Auswahl möglichst exklusiver Flaschen mit Aufdrucken wie ,Mouton‘ oder ,Latour‘. Diese Flaschen schmücken die Schränke in den Küchen und Esszimmern meiner Freunde und werden voller Stolz ausgestellt. Das ist so ziemlich das normalste von der Welt und ich würde selbstverständlich mitmachen, wenn – ja wenn ich nicht damals dieser Frau mit den Tüten begegnet wäre und mir außerdem viel zu viele Gedanken darüber machte, wie mein Tun auf andere (weniger weinverrückte) wirken könnte. Ein paar Flaschen zieren einen einzelnen Schrank daheim aber das sind eher besonders hübsche oder solche mit einer interessanten Geschichte als teure und bekannte.

Das wird jetzt anders!

Immer wenn ich denke, ich hätte meine Weinliebhaberei derart übertrieben, dass meine Frau demnächst ihre Sachen packt und sich einen unterhaltsameren Gefährten sucht, überrascht Sie mich mit einem vinophilen Liebesbeweis. So schenkte sie mir einst, nachdem ich mein verabredetes Weinbudget aufs unverfrorenste überzogen hatte und Entmündigung fürchtete, eine Flasche Roederer Cristal, mein erster Wein jenseits der Hundert-Euro-Marke überhaupt (und ja, der steht auf dem Schrank – aber nur wegen der Geschichte). Dieser Tage war es einmal mehr so weit. Ich hatte gerade besonders viel in Sachen Wein unternommen, da kaufte meine sehr viel bessere Hälfte eine Lampe für unsere Küche. Sehr unscheinbar sah sie aus, verlangte aber nach einer Aufhängung, die 25 Kilo tragen kann. Dabei war das Paket nicht besonders schwer.

…entpuppt sich zum Lieblingsspielzeug

Um es kurz zu machen: es ist die perfekte Lampe für mich. Sie nutzt Weinflaschen als Mittel zur Lichtstreuung – ganze 22 Stück sogar. Um sie vernünftig zu verwenden, muss ich also 22 Weinflaschen sammeln und dort hinein hängen. Niemand wird sich wundern, dass ich leere Weinflaschen ausstelle, die Unbedarften werden denken, die hätten zum Lieferumfang der Lampe gehört. Die Insider werden sich stundenlang meine Lampe anschauen und ich kann die Zahl der gehorteten Flaschen mehr als verdoppeln. Das einzige Problem, das ich plötzlich habe, ist ein Mangel an leeren Flaschen. Und wie man die herstellt, weiss ich glücklicherweise. Hier ist gleich mal eine, die in meine neue Lampe gehört.

Wittmann, Riesling Kirchspiel GG, 2005, Rheinhessen. In der Nase von mittlerer Intensität mit Aprikose, Pistazie und getrockneten Kräutern. Ich weiss, dass Steine keinen Duft absondern, aber trotzdem kommt die Assoziation auf, dass der Wein nach Stein riecht. Am Gaumen ist es nicht ganz so extrem: der Riesling ist sehr mineralisch aber nicht mehr als viele Weine dieser Bauart auch. Dazu bietet das Grosse Gewächs feine Frucht (Mandarine, Aprikose, Ananas), viel Würze, kräftige Säure, reichlich Bumms. Aber der Kirchspiel ist nicht übertrieben dick oder konzentriert, 13% Alkohol sind akzeptabel integriert. Das ist alles sehr rund und schön. Was der Wittmann vielen guten 2005er GGs voraus hat ist eine enorme Tiefe. Ich kann mich bei jedem Schluck mehr für ihn begeistern und auch am zweiten Tag verströmt er noch Frische im Glas und erzählt eine neue Geschichte. Das Zuhören lohnt sich.

Sommerweine vom Möbelhändler

Der Online-Möbelmarkt gilt gemeinhin als letzte Spielwiese, in der sich noch ein Milliardengeschäft etablieren lässt und so versuchen sich gleich mehrere Startups aus dem In- und Ausland daran das ,Amazon für Möbel‘ aufzubauen. Der Händler Westwing, der den Möbelmarkt mit einem brands4frands-ähnlichem Geschäftsmodell aufzurollen versucht, setzt zu eben jenem Zweck auf ein buntes Sortiment, das einen hippen Lifestyle suggerieren soll und neben Möbeln auch Gläser, Designer-Tischwäsche, Pfeffermühlen und gelegentlich sogar Wein umfasst.

Nun traue ich mir eine Menge Dinge zu, jedoch garantiert nicht, dass ich mir Wein auf der Lifestyle-Schiene andrehen lassen würde. Wenn doch nur nicht mein Schnäppchenreflex wäre… Denn zum Grundprinzip bei den meisten Aktions-Shoopingseiten gehört, dass alle Waren unter Normalpreis verkauft werden. Neulich gab es gleich drei Weine von Weingütern, deren Erzeugnisse ich seit langem mal (wieder) probieren wollte. Und weil eine wichtige Voraussetzung für Wachstum die Generierung von ausreichend Kundenadressen ist, werfen Anbieter wie Westwing mit Neukundengutscheinen um sich. So gab es die ursprünglich um einen Euro pro Flasche rabattierten Weine mit weiteren 15 Euro Neukundenrabatt sowie 8% Cashback über qipu (Der guten Ordnung halber: mit diesem Unternehmen bin ich wirtschaftlich verbunden) zu einem Gesamtpreis inklusive Porto der rund 35% unter Weingutspreis lag – und ich erlag der Versuchung.

Matrjoschka verpackt WeinEs gehört sich eigentlich nicht, jemanden, der mich so günstig mit Wein versorgt, dafür auch noch zu schelten, doch was ich einige Wochen später daheim vorfand, nachdem mein Möbeldealer seine Weine geliefert hatte, war eine Sünde. Offensichtlich hatte entweder der Logistiker oder die Winzer die Weine jeweils in Dreierpakete vorsortiert, für diese aber aus irgendeinem Grunde 6er-Versandkartons verwendet. Der Möbelhändler sah sich dann nicht nur außer Stande, diese Weine aus- und umzupacken, beispielsweise in einen 12er-Karton, er hatte auch noch jeden einzelnen Dreierpack in einen großen Möbelversandkarton gesteckt. Am Ende kamen Kartons mit einem Gesamtvolumen von fast einem Kubikmeter bei mir an um 9 Flaschen Wein zu überstellen. Nun denn: ich wollte eh nicht dauerhaft meine Weinbezugsquelle wechseln.

Und das war drin:

WillemsWillems, Weißburgunder, 2011, Mosel. Es ist lange her, dass ich Weine dieses Gutes getrunken habe und sie waren alle sehr gut. Deswegen war ich ganz gespannt auf die erste Begegnung seit vielleicht 5 Jahren. Ich mach es kurz: ordentlich aber nicht inspirierend. Weißburgunder kann leicht etwas ,ordinär‘ sein (ein Ausdruck meines Vaters, den ich mangels besserer Idee übernommen habe). Die Birnenfrucht ist dann eher Dosenbirne und klingt etwas pappig aus, die Nase ist (Achtung, wieder keine Weinsprache) käsig. Damit meine ich keinen Weinfehler, sondern einfach einen Mangel an Spannung und satter Frucht. Dieser Weißburgunder erschien mir so. Durchaus trinkbar aber für einen Snob wie mich nicht reizvoll genug um ihn lange zu studieren. Der Rest wurde verkocht, die übrigen zwei Flaschen sind den Schorletrinkern in meinem Freundeskreis reserviert. Geschmacksache.

Krebs, Hofmann, WillemsWillems
Mit schicken Etiketten fit für den Designermöbelshop

Krebs, Sauvignon Blanc, 2011, Pfalz. Ein Weingut, von dem ich viel gelesen aber noch nichts getrunken hatte – willkommene Gelegenheit dieses zu ändern. Der Sauvignon Blanc ist richtig gut, fast zu gut für mich. Diese ganz puristischen Interpretationen, die richtig schön kratzen, sind mir manchmal sehr angenehm, oft hab ich es aber eher mit den leicht weichgespülten, typisch deutschen Vertretern der Rebsorte. In der Nase Stachelbeere, Gras, Kräuter und Zitrus – extrem grasig. Am Gaumen ist der Weißwein schlank, mit kräftiger Säure, ziemlich trocken und mit reichlich Gerbstoff – er kratzt, was für einen Sauvignon Blanc ja ein gewisses Adelsprädikat ist. Dazu Zitrus, Kerbel, Estragon, etwas Mineralik – eine herbe Schönheit, die mir fast etwas zu herb ist, aber das ist Tagesform. An manchen Tagen habe ich den absoluten Mainstream-Geschmack (dann wäre der Krebs ein bisschen zu viel des Guten für mich) und an anderen suche ich eher das Besondere (dann sollte es ein Wein wie dieser Sauvignon Blanc sein).

Hofmann, Grüner Silvaner, 2011, Rheinhessen. Auch eine Begegnung nach längerer Pause; von Hofmann kenne ich nur den sehr guten Hundertgulden aus 2007. Der Silvaner  hat ob seiner Eigenart, mit Frucht zu geizen, das Potential sperrig zu sein. Dieser hier ist zwar in der Nase eher langweilig, am Gaumen aber ganz und gar nicht sperrig: cremig, milde Säure, grüner Apfel, Pflaume aber auch einfach Weintraube – viel Frucht und harmonische Fülle kleiden den Mund aus. Der Alkohol ist moderat (12,5%, wie bei den anderen beiden Weinen auch), der Abgang lang und fruchtig. Das ist ein sehr schöner Sommerwein für jeden Typ Weintrinker.

Wenn ich der VDP wäre

Weinbaupolitik und Bezeichnungsrecht sind meine Sache nicht. Ich kümmere mich gerne um den Inhalt der Weinflasche, das regulatorische und gesetzliche Drumherum interessiert mich weniger. Deswegen halte ich mich aus Diskussionen auf Facebook und in anderen Blogs zurück, sobald es sich darum dreht, ob eine Spätlese immer süß sein sollte oder das Erste Gewächs im Rheingau seinen Titel zu Unrecht trägt.

Eine Ausnahme gibt es und die ist das Marketing. Ich betreibe die Absatzförderung beruflich und kann mich für geschickte ,Verkaufe‘ auch privat begeistern.

Während der durchschnittliche Winzer der Meinung ist, man kann nur entweder guten Wein oder gutes Marketing machen, mithin einem Kollegen dann gutes Marketing attestiert, wenn er ihn beleidigen will, empfinde ich gutes Marketing als Sahnehäubchen – ein großer Tropfen verdient eine gute Story, Ausstattung und Handhabung. Diesbezüglich haben die Deutschen Winzer große Fortschritte gemacht, als sich rund zweihundert von ihnen vor gut zehn Jahren das Grosse Gewächs ausdachten.

Ein bis zwei Dutzend Spitzenwinzer (von denen die meisten auch zu den vorgenannten zweihundert gehören) setzen noch einen drauf, indem sie seltene Spitzengewächse aus kleinen Untereinheiten der den Grossen Gewächsen zugrunde liegenden Lagen produzieren oder über dem GG noch mythische trockene Auslesen positionieren. Ich habe hier gegen ,Parzellenweine‘, wie ich sie nannte, polemisiert, möchte aber Abbitte leisten – die haben eine Wirkung entfaltet, die mir Respekt abnötigt. Und weil das eine großartige Marketingleistung ist, konnte es nur eine Reaktion geben: abschaffen.

Viel wurde diskutiert über den zum Beispiel hier erläuterten Beschluss des VDP über die künftige Klassifizierung von Lagen. Ich habe keine Ahnung, ob die Einführung von klassifizierten Lagen und der Rest der Qualitätspyramide gut oder schlecht sind. Das sollen die Winzer unter sich ausmachen. Aber eines will ich seit Monaten loswerden (ich brauche immer einen passenden Wein zu einem Artikel und der kam halt erst jetzt an die Reihe). Der Beschluss des VDP sieht vor, dass es nur noch einen trockenen Spitzenwein aus den Ersten Lagen gibt und der ist das Grosse Gewächs. Da gehe ich im Geiste die Liste der ehrfurchtgebietendsten trockenen Deutschen Weine und ihrer Herkunftslagen durch. Rheingau: Künstler Hölle Auslese trocken Goldkapsel – mit diesem Beschluss verboten (weil nur noch Hölle GG), Rheinhessen: Keller G-Max und Abtserde sowie Wittmann La Borne – weg damit (weil aus irgendwelchen Parzellen in Kirchspiel, Morstein, Hubacker oder so stammend), Nahe: Emrich-Schönleber Versteigerungswein A.d.L. trocken – abgeschafft (weil aus dem Halenberg), Mosel: Heymann-Löwenstein Uhlen B, L & R, Busch Pündericher Marienburg Raffes etc. – gekillt (eine Lage – ein GG), Pfalz: Koehler-Ruprecht Kallstadter Saumagen Auslese trocken R – hinüber (,R‘ und Riesling? Nicht im VDP). Die Liste ließe sich tatsächlich fortsetzen.

Im Handstreich mäht der VDP seine Elite nieder und die stimmt auch noch auf der entsprechenden Versammlung dafür. Oh Herr, schmeiss Hirn vom Himmel.

Doch ich glaube nicht, dass es tatsächlich so kommen wird. Der VDP hat sich das Hintertürchen der ,Sonderregelungen‘ offen gelassen und sie werden geschlossen den Weg der Rheinhessischen Pharisäer (GG predigen, G-Max trinken!) beschreiten. Ich wage die Prophezeiung, dass nicht einer der genannten Weine der neuen Regelung zum Opfer fallen wird.

Wie hätte der Verband es anders machen können? Ich versuch es mal (denn Marketing ist meine Leidenschaft). Wenn ich der VDP wäre, dann hätte ich neben der dritten Lagenkategorie gleich noch eine vierte beschlossen. So wie es im Bordelais neben Premier und Grand Cru eine kleine Elite von Premier Grand Cru gibt, hätte ich auch eine rare Klassifikation erfunden. Die ,Große Lage – Historisches Terroir‘ – mithin etwas, dass es mal gegeben hat, was aber verloren ging, spätestens als anno `71 einige Tausend Lagen gestrichen wurden. Da steckt Marketing-Musik drin: die Wiederentdeckung des Alten, das Aufbäumen gegen den Amtsschimmel, das Ausselektieren des Besten und Besonderen. Und noch ein Vorteil ist nicht zu verachten: anders als das GG könnte man den Begriff ,Historisches Terroir‘ bestimmt als Marke eintragen lassen.

Dann produzierte ich eine kleine Landkarte mit Erklärungen über die Besonderheiten der Superparzellen, die Auswahl grenzte ich streng ein, die Qualitätskriterien wären selbstredend brutal. Eine eigene kleine Kommission (in der zufällig alle begüterten Winzer säßen) entschiede jedes Jahr am 1.Oktober, ob der Jahrgang der Produktion der Historischen Terroirs würdig ist. Und – da müsste manch Winzer eine Kröte schlucken – alle HT‘s (wie wir Freaks sie in kürzester Zeit abkürzten) wären Versteigerungsweine – die Auktion selbstredend ein Event der Superlative, bei dem Robert Parker demütigst um eine Eintrittskarte bettelte.

Die Auslese trocken R oder Goldkapsel kriegte ich damit nicht hin, aber was soll‘s, wir finden in den entsprechenden Lagen bestimmt eine Parzelle mit altertümlichen Namen, von der sich behaupten lässt, sie sei von jeher der Ursprung der Überweine gewesen. So macht Marketing Spass, lieber VDP!

Muss am Ende nur noch die Weinqualität stimmen, dann steht der Weltherrschaft nix mehr im Wege.

K.P. Keller, Riesling Abtserde GG, 2006, Rheinhessen. Der Wein entspricht in der Nase und am Gaumen in keiner Weise meinen Erwartungen. Das ist positiv und negativ: er ist nicht würzig oder zeigt irgendwelche anderen Anzeichen einer würdigen Kellerreife, er ist aber auch nicht unsauber, wie die meisten 2006er Rieslinge. Am Gaumen zeigt er nicht ansatzweise die Komplexität, die ich mir von einem Spitzenwein erhoffe. Er ist schnell beschrieben: In der Nase grüßt ein schöner purer Duft von reifen Aprikosen. Am Gaumen ist die Frucht reif aber klar, süß aber nicht mastig, 13% Alkohol sind gut eingebunden: Mineralik, Kräuter, Würze – samt und sonders Fehlanzeige. Aber der Stoff ist – vergessen wir für einen Moment die Weinsprache – mörderlecker! Der Abgang ist lang und fruchtig, die Versuchung die ganze Flasche an einem Abend zu trinken riesig, das schlechte Gewissen, über 50€ für die Flasche bezahlt zu haben aber auch. Aber das Marketing ist klasse!

Wie legt man einen Weinkeller an? (3)

Sechs Jahre ist es her, dass ich anfing, mir einen eigenen Weinkeller einzurichten. Und es wird Zeit einzugestehen, dass ich genügend Unsinn bei der Anlage gemacht habe, dass man durch bloßes Vermeiden meiner Fehler einen prima Keller hinbekommen sollte.

Wie schon beschrieben, hat mich mein anfangs leerer Keller mit akuter Flaschensehnsucht infiziert, weswegen ich viel zu schnell viel zu viel Wein eingelagert habe, damit ich nicht so allein bin. Neben dem im letzten Teil beweinten Fehler, zu viele Flaschen des gleichen Weines gekauft zu haben, machte ich mir noch eine weitere Technik zu eigen, die einen suboptimalen Flaschenmix zur Folge hatte: die Groupie-Methode. Die geht ganz einfach: kaufen, was irgendwo positiv besprochen wird.

Im Artikel zu Knipsers Kirschgarten GG gab ich zu Protokoll, dass ich mir heute bewusst bin, dass Weinwettbewerbe keine absolute Wahrheit darstellen. Doch vor einigen Jahren war ich noch der Ansicht, dass alles, was in größeren Wettbewerben sehr gut abschneidet auch sehr gut sein muss. Insbesondere die Zeitschrift Weinwelt, die gefühlt in jeder Ausgabe zweieinhalb Wettbewerbe beschreibt, war mir ein steter Quell für Einkaufslisten. Richtig schlechten Wein habe ich dadurch nicht erworben. Aber ein Kabinett eines mittelmäßigen Erzeugers aus einer mittelmäßigen Lage gewinnt einen Wettbewerb nicht, weil er der plötzliche große Wurf des Winzers ist, sondern meist weil kein Kabinett eines großartigen Erzeugers aus großartiger Lage im Wettbewerb vertreten war.

Es dauerte nicht lange und ich hatte das verinnerlicht. Doch da hatte ich schon einiges im Keller von Winzern aus der zweiten und dritten Reihe wie Kaßner-Simon oder Borell-Diel, Weine aus Lagen wie der Klingenmünsterer Maria Magdalena oder der Hainfelder Kapelle – alles gut trinkbar aber nicht unbedingt meine Favoriten. Außerdem führte das Anhäufen von Wettbewerbssiegern zu einem merkwürdigen Patchwork-Keller anstatt zu einer strukturierten Weinauswahl, in deren Mittelpunkt mein eigener Geschmack stand. Noch heute stolpere ich gelegentlich über solche Patchwork-Weine, wenn ich mir einen Riesling aus dem Keller hole.

Hofmann, ‚Hundertgulden‘ Riesling trocken, 2007, Rheinhessen. In der Nase fruchtig mit Aprikose aber auch etwas seifig mit einer Überdosis Aloe Vera. Am Gaumen immer noch recht frisch (eine erste Notiz zu diesem Wein findet sich hier) aber mit eher zahmer Säure. Der Riesling ist voll, etwas cremig, zeigt viel süße Aprikose und eine leichte Mineralik. Dabei ist er druckvoll und der Alkohol spürbar aber mit 13% im erträglichen Rahmen. Der sehr lange Abgang ist mineralisch und etwas malzig. Hoffmanns Hundertgulden sei Deutschlands zweitbester Riesling aus dem großartigen Jahr 2007, legte ein Wettbewerb einmal nahe. Das ist eine schwere Hypothek, denn davon ist der eigentlich hervorragende Wein Lichtjahre entfernt.

In eine einfache Regel gegossen, rate ich allen, die sich einen Weinkeller einrichten wollen: Es gibt viele gute Gründe, einen Wein zu kaufen. Eigene Erfahrung, Proben, Kenntnis des Erzeugers und Empfehlungen von Freunden, deren Geschmack man kennt und teilt sind die besten. Wettbewerbsergebnisse sollten die Ausnahme bilden.