Ein guter Blogartikel zeichnet sich dadurch aus, dass er sich auf ein Thema fokussiert und dieses mit angemessener Tiefe behandelt. Insofern ist die Jahresendausgabe der Weinrallye eine Herausforderung. Thomas Lippert vom Winzerblog ist der Gastgeber und Weinwichteln das Programm. Damit gilt es, mindestens zwei Themen zu behandeln: den Wein, den man einem Teilnehmer geschickt und jenen, den man selbst erhalten hat. Das ist schwierig, bieten sich doch so viele Dinge an, über die man schreiben könnte.
Ich erhielt einen Wein von Dimitri, der bei Hawesko das Blog ,Winelog‘ betreut. Da könnte ich darüber schreiben, dass ich dieses Jahr nun zum zweiten Mal einen Wein von einem Händler geschenkt bekomme. Ich könnte darüber philosophieren, warum beide Händler mir Châteauneuf Du Pape schickten. Ich sollte dann aber betonen, dass dieser hier zu 85% aus Grenache besteht, was mich neugierig macht. Zu Hawesko fiele mir auch viel ein. Wie vermutlich jeder, der seine Weinliebe im letzten Jahrzehnt entdeckte, war auch ich einmal Kunde dort. Legendäre Hausmessen luden zum Probenmarathon ein. Die anschließende Bestellung führte zum Dauerbombardement mit Werbepost. Dürfte man negativ über den Stifter sprechen? Ich lasse es lieber. Ich könnte ja diplomatisch meiner Meinung Ausdruck verleihen, dass große Unternehmensgruppen wie Hawesko der Weinkultur sehr zuträglich sind, selbst wenn man als interessierter Laie mit zunehmendem Sachverstand ultimativ dem Post-Hawesko-Zustand entgegenwächst. Ich könnte auch einfach zur Sache kommen:
Domaine Saint Préfert, Châteauneuf Du Pape, 2010, Südfrankreich. Ein sehr junger Wein, der sicher noch viele Jahre vor sich hat (also andere Flaschen, meine ich, nicht diese, die ist jetzt leer). In der Nase nach dem Öffnen erst ganz profan: Blaubeerjoghurt mit `nem Schnaps drin. Mit etwas Luft dann weniger alkoholisch und etwas facettenreicher. Am Gaumen sehr fruchtig mit Blaubeere, Brombeere, ein bisschen Rumtopf, aber auch Menthol, recht viel feines Tannin, nur wenig Holz. 14,5% Alkohol tauchen immer mal wieder auf, ohne dass es gar zu spritig wird. Der Wein wirkt elegant, gehaltvoll und (jaja…) lecker. Der Abgang ist nur mittellang, trotzdem: toller Wein für faires Geld.
Mein Wein ging nach Österreich. Ich könnte also getreu dem Motto ,Tue Gutes und rede darüber…‘ erwähnen, dass ich freiwillig ein extradickes Porto gestemmt habe. Ich müsste dann dem Eindruck entgegenwirken, das beim Wein wieder eingespart zu haben, was leicht wäre: Eine Spätburgunder Auslese vom Weingut Günther Steinmetz aus Brauneberg habe ich verschickt. Der wurde gerade neulich in der Facebook-Weingruppe meines ,Opfers‘ besprochen und drängte sich also auf – naja, preisgünstig ist er auch noch. Empfänger war Peter Ladinig. Da sollte ich dann darüber schreiben, dass Peter ein Sommelier ist, der derzeit auf allen sozialen Kanälen Vollgas gibt. Ich könnte schreiben, wie hübsch ich den Namen seines Blogs finde (,The Institute of Drinks‘) aber eigentlich sollte ich über etwas ganz anderes schreiben: ich fühle mich jung und meistens trinke ich mit Menschen Wein, die (viel) älter sind als ich. So biege ich mir zumindest die Welt zurecht. Doch letzte Woche rief Peter über Facebook um Hilfe bei der Suche nach einem Wein aus dem Jahrgang 1969, weil das das Geburtsjahr seiner Mutter sei. Es ist auch mein Geburtsjahr. Illusion geraubt. Die Zeit hält nicht inne – aber ich, jetzt, um zu seufzen.
Nun könnte ich Schluss machen, wenn nicht das eigentliche Thema dieses Artikels noch ausstünde. Das Winzerblog schließt seine Pforten. Und darüber sollte ich dringend schreiben. Denn ich könnte davon erzählen, dass Thomas Lippert der erste Leser dieses Blogs war und auch der erste Kommentator. Ich könnte auch von meiner ersten Begegnung mit ihm schreiben. Die war auf dem Hamburger Weinsalon von Mario Scheuermann, denn Thomas und Scheuermann haben durchaus mal miteinander geredet. Ich könnte auch von meiner zweiten Begegnung mit ihm schreiben, bei der Geburtstagsfeier unseres gemeinsamen Freundes Guido, bei der Thomas um 30 Kilo leichter war (was auch damit zu tun hatte, dass er mittlerweile nicht mehr mit Mario Scheuermann redete) oder über die dritte beim Vinocamp (die mit Mario Scheuermann überhaupt nichts zu tun hat). Ich könnte darüber schreiben, wie sehr ich das Ende des Winzerblogs bedaure – aber das wäre gelogen!
Legenden beim Siechen zuzuschauen, ist nicht schön. Und das Winzerblog fristete ein Schattendasein. Jetzt zieht Thomas den Stecker und richtet seine Energie auf etwas neues. Das ist gut. Denn wenn man die kleinen Abschweifungen ausknipst und sich ganz auf etwas fokussiert, dann kann tolles entstehen.
Ich sprech‘ da aus Erfahrung…