Ich habe einen Leserbrief bekommen. Er enthält eine Frage, die mir häufig gestellt wird. Warum also nicht öffentlich antworten? Und warum nicht Sie, liebe Leser, um weitere Meinungen und Erfahrungen bitten?
hallo felix, erst einmal danke für deinen blog und podcast. lese ich schon sehr lange und höre ihn nun auch mit viel vergnügen. wollte diesen weg mal nutzen dir eine frage zu stellen, da die beantwortung für mich immer noch ein größeres rätsel ist. hoffe es ist ok.
also ich sammel schon lange weine und habe zuhause um die 1000 flaschen, die alle um die 16 grad brav lagern.
es sind eigentlich zu 75% deusche GGs und zu 15% PC und GC burgunder. der rest dann österreich und ein wenig neue welt.
grundsätzlich ist es wahrscheinlich auch sehr schwer pauschal zu sagen, aber ich habe in der tat sorge, dass ich teilweise „verschlafe“ die weine rechtzeitig zu trinken. in meinem kopf schwirrt immer rum, dass ich am besten mindestens 5 jahre warte bei riesling GGs, deutschen spätburgundern und auch bei der burgundischen chardonnays und pinots.
ist das generell ok, denkst du, oder ist es schon sehr unterschiedlich vom jahrgang und region?
bei den jahrgängen ist viel im keller ab 2012 und bei den rieslingen habe ich sehr viel von zb bürklin wolf, kp keller, schäfer fröhlich, dönnhoff, rebholz, molitor, diel, kühling gillot, battenfeld spanier, christmann, busch, loosen, wittmann, schönleber, buhl, lauer, kuhn, wagner stempel und von winning und bei den deutschen spätburgundern geht es so ab 2010 los und da habe ich zum großteil becker, fürst, huber, luckert, stodden und rings.
würde mich sehr freuen von dir zu hören.
lg,
kai
Lieber Kai,
ich antworte öffentlich, weil es vermutlich mehr Menschen interessiert, gleichzeitig verbinde ich die Antwort damit, alle Leser aufzufordern, in den Kommentaren eigene Erfahrungen beizusteuern. Warum sollen wir nicht mal einen kleinen Überblick über Trinkreife per Schwarmintelligenz herstellen?
Ein paar Vorbemerkungen
Erst mal grundsätzlich: wenn Du circa 750 deutsche GGs aus ungefähr sieben Jahrgängen Dein eigen nennst, musst Du zwei GGs pro Woche trinken, damit der GG-See keine EU-Ausmaße annimmt. Trinkst Du eine halbe Flasche pro Abend und machst einen Abend Pause pro Woche, trinkst Du an 4 von 6 Abenden deutsche GGs. Ganz ehrlich: irgendwann kommen die Dir zu den Ohren raus. Das kann ich Dir versprechen, als einer, der es selbst erlebt hat (wenn Du das Blog länger liest, hast Du es wahrscheinlich irgendwann bemerkt). Du solltest vielleicht Deine Einkaufspolitik etwas überarbeiten.
Aber: Da Du die Mittel und Möglichkeiten hast, solltest Du es beim Verbrauch locker nehmen: Wenn eines nach dem Öffnen nix zeigt, dann ab in den Kühlschrank damit und was anderes geöffnet. Das erste bis zu einer Woche lang immer mal wieder probieren, irgendwann macht es meist Vergnügen. Und wenn nicht, dann machst Du Essig draus.
Lernen von der Vergangenheit
Wie sah das eigentlich beim Riesling in der Vergangenheit aus? Ich gehe mal von mir aus, als jemandem, der keine uralten Weine trinken mag und dem keine Sätze wie ‚1976 beginnt ja gerade erst Spaß zu machen‘ über die Lippen kommen. Unter der Prämisse, dass es immer Ausnahmen gibt, sich die Aussagen lediglich auf 50+ Prozent der Weine beziehen, würde ich meine Erfahrungen mal so zusammenfassen:
2001 – recht gleichmäßiger Reifeverlauf. Der erste Jahrgang der Neuzeit, der bei Proben mit 10 Jahren Reife im Schnitt mehr Punkte erhielt, als bei Vorstellung. Danach ging es dann aber eher bergab. Vieles ist heute über den Punkt.
2002 – fand ich mit 3 Jahren Reife nicht schlechter als mit 10. Entwickelte sich einen Tick schwächer als 2001, in der Spitze aber auch mal deutlich besser.
2003 – mag ich nichts mehr zu sagen…
2004 – hat mir mit drei oder vier Jahren sehr viel harmlosen Spaß gemacht. Konnte ja keiner ahnen, dass der Jahrgang noch durch die Decke geht. Das passierte nämlich ganz plötzlich nach acht Jahren oder so. Die guten (und das sind ziemlich viele) sind noch heute gut und ich hab sie dann doch zu früh getrunken.
2005 – wurde mit jedem Jahr dicker und ist heute teils ganz schön plump. Die ganz jung getrunkenen waren ein großer Spaß.
2006 – war nach drei Jahren hinüber (flächendeckende Ausnahmen an Nahe und Ahr)
2007 – Lieblingsjahrgang. Hat sich nie verschlossen, wurde mit dem Alter etwas pummelig, aber das hielt sich in Grenzen, wird gerade wieder sehniger. Wer gewartet hat, hat nichts verkehrt gemacht, bereuen mag ich meinen Konsum aber auch nicht
2008 – viele dachten, das wird das neue 2004. Wird es nicht. Etliches ist gut, sehr vieles aber auch schon hinüber. Klassischer Jahrgang, bei dem der, der grundsätzlich 7 Jahre wartet, bevor er seine GGs anrührt, eine Menge Flaschen versemmelt hat.
2009 – hat 12 Monate Spaß gemacht, wird seitdem fett und fetter
Weitere Jahrgänge dann unten.
Verpasse ich was?
Und jetzt konkret: Ja, so wie Du dich ‚anhörst‘ besteht diese Gefahr tatsächlich.
Erstens: viele Weine machen ganz jung irre viel Spaß. Dönnhoff (Hermannshöhle und Dellchen) Emrich-Schönleber (nur Halenberg) Wittmann (Morstein) Rebholz (Ganshorn) sind gute Beispiele. Schäfer-Fröhlich, Molitor (außer manchen trockenen Kabis) oder Weil (außer Turmberg EL) sind eher Gegenbeispiele. 2008er Morstein von Wittmann beispielsweise hat mir jung so gut gefallen wie seither nicht mehr und ich bin saufroh, dass ich drei meiner vier Flaschen jung getrunken habe.
Zweitens: Frage fünf Leute und Du kriegst sechs Meinungen: ‚Riesling GGs im zweiten, dritten, vierten, fünften, sechsten, Jahr nach der Ernte auf keinen Fall anrühren.‘ Alles Quatsch. Es gibt manchmal einheitliche Jahrgänge, bei denen man das vielleicht für einzelne Jahre sagen kann, das variiert aber und der Versuch, das in allgemeine Regeln zu fassen ist der Versuch, Weinverkostung wie eine exakte Wissenschaft erscheinen zu lassen.
Drittens: Es ist immer und überall Geschmacksache. Nur wenn Weine absolut vernagelt sind, kann man objektiv vom trinken abraten. Ich finde zum Beispiel 2011 jetzt unerträglich mastig, teilweise bitter und vielfach brandig. Andere Leute loben die Weine als schwelgerisch und kraftvoll. Du solltest also möglichst immer mal probieren.
Zusammengefasst: Kaufe immer drei von einem Wein: Eine trinkst Du viel zu früh (öfter als du denkst mit sehr viel Vergnügen), eine, wenn Du denkst, jetzt könnte es soweit sein. Wenn Du den Zeitpunkt dann tatsächlich erwischst, trink die andere direkt hinterher mit lieben Menschen, denen Du etwas Gutes tun möchtest. Immer dran denken: Was man hat, das hat man! (copyright U. Bubrowski) Nur wenn die zweite nicht so recht strahlen will, wartest Du noch. Und wenn der Wein Dich umhaut: Du hast genügend Weine im Keller, um Dir weitere Exemplare des Hammerweins zu ertauschen.
Zur Sache bitte…
Und jetzt mal konkret ein paar sehr subjektive Hinweise.
Spätburgunder
2009 – ist mir immer noch zu opulent, ich werde die ’10 Jahre danach’-Probe nächstes Jahr vermutlich zu einer ’12 Jahre danach’-Probe verschieben. (UPDATE: Habe ich dann doch nicht getan)
2010 – habe ich wenig im Keller, was ich im Glas hatte wirkte auf mich derzeit gut trinkbar
2011 – im Moment zu dick, lieber warten
2012 – Zwischenhoch, kann man im Moment gut trinken
2013 – trinkt sich derzeit irre gut, scheint sich zum Überdrüber-Pinot-Jahr in D zu entwickeln. Kann man gerne mal von naschen, oder noch sehr lange warten.
2014 und jünger – muss man bei großen Pinots tatsächlich noch nicht aufmachen.
Riesling
2009 – ich zweifele, dass das je ein fokussierter Jahrgang wird. Sam Hofschuster meint, der kommt wieder. Wir diskutieren das ständig (ist quasi der neue Wirsching-Graben), vielleicht nächstes Jahr ein paar probieren.
2010 – ist nicht mein Jahrgang, was mir gefällt, gefällt mir allerdings derzeit ausnehmend gut.
2011 – siehe oben, ich bitte um weitere Meinungen.
2012 – hat sich jung so wunderbar getrunken und ist derzeit oftmals etwas moppelig, könnte sich aber wieder zusammenreißen, dann vermutlich erst ab 2022, aber hier gibt es Ausnahmen.
2013 – trinkt sich immer noch vielfach betörend (Ausnahmen werden häufiger). In einem Jahr ist da vielleicht erst mal Pause bis 2023 (zehn Jahre danach).
2014 – total heterogen. Von Deinen Favoriten würde ich alles außer Schäfer-Fröhlich probieren
2015 – trinkt sich teilweise noch sehr schön, ist aber vielleicht zur Hälfte schon auf dem Weg in eine schwierige Phase
2016 – ist bei den guten Weinen erstaunlich offen und nur wenig fortgeschritten in der Reife. Die machen dann auch immer noch enorm Spaß. Wird aber meiner Meinung nach ein Jahrgang, den man bald für fünf bis sechs Jahre in Ruhe lässt.
2017 – wenn Du bis Weihnachten nicht mindestens drei 2017er getrunken hast, dann hast Du nicht zugehört…
Konkretere Fragen und Empfehlungen gerne in den Kommentaren.
Hallo Felix und liebe Weinfreunde,
die für mich wichtigste Erkenntnis, größte Freude und mein Rat an den Leserbriefschreiber: Es gibt mindestens so viele Antworten wie hier Kommentare und es ist fast ein wenngleicher Genuss, die Diskussionen, Kommetare und Erfahrungen in aller Unterschiedlichkeit zu lesen. Das macht doch eine Leidenschaft wie Wein trinken am Ende aus. Und was deine Fragen betrifft, so glaube ich, musst du deine eigenen Erfahrungen machen und Vorlieben kennen lernen. Genug Wein solltest du ja haben ? Ich würde hier einigen Kommentaren zustimmen, anderen widersprechen und zum Schluss hängt doch viel auch an den eigenen Präferenzen. Mein Bruder und ich zum Beispiel trinken recht viel und probieren recht viel aus, da er aber ein expliziter Freund junger bzw. jung schmeckender Weine ist und ich eher ein Freund reiferen Tropfen sind wie selten einer Meinung, was Einschätzung der Weine betrifft. Und das ist das faszierende am Wein. Jeder findet auf seine Weise gut!
Danke für diese interessante Thematik samt Antworten. Was mir dann doch auffällt, dass die hier angegebenen Trinkfenster um einiges kürzer sind, als die Angaben von vielen (Online-) Händlern.
Mögen diese dann also eher Wein mit ausgeprägten Reifetönen? Offensichtlich.
Ich für meinen Teil trinke GG´s sehr gerne schon jung, kann aber auch 10-12 Jahre alten GG´s (je nach Jahrgang und Erzeuger) etwas abgewinnen. Ob die GG´s dann nach 30-40 Jahren das Trinkvergnügen bieten, wie es die Händler ja immerhin so angeben wird dann erst durch die Zeit bestätigt oder eben widerlegt. Da stellt sich mir die Frage, ob ein GG, das nach sagen wir mal 12 Jahren merklich abbaut, dann nach 20 Jahren nochmal aufblühen kann?
Ich war mal bei einer Probe, da haben wir einen Wein blind sehr einheitlich abgewatscht. Beim Aufdecken entpuppte er sich als Halenberg 2003. Da Frank Schönleber mit am Tisch saß, versuchte irgendjemand es mit der Nettigkeit, der Wein sei zu jung und käme bestimmt noch… bis Schönleber da sehr robust reingrätschte und sagte: ‚Was soll denn da noch kommen? Der Wein ist durch.‘ Diese klare Kante gibt es viel zu selten. Ich glaube nicht, dass Weine nach 20 Jahren aufblühen, wenn Sie nach 10 Jahren schon mit dem Bauch nach oben im Glas treiben. Ich halte Weinhändler auch für schlechte Ratgeber, was Trinkreife angeht.
Von den trockenen Weinen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind noch mit Vergnügen trinkbar (mehr als Einzelexemplare, so viele, dass man eine große Jahrgangsschau machen könnte, wenn man die Weine denn hätte) 1911, 1921, 1934, 1945, 1949. Also 5 von 50 oder im Schnitt eines von zehn Jahren. Aus dem ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts schickt sich 2004 an, ein Jahrgang für die Ewigkeit zu werden, 2007 hat auch Chancen. Das ist doch eine gute Quote.
Hallo Felix,
Deine Einschätzungen zu den Riesling-GGs kann ich größtenteils nachvollziehen und bestätigen. Nicht jedoch zu 2011. Ich habe dieses Jahr angefangen 2011 zu trinken und fand alles (viel Wittmann) gut bis sehr gut! Sicher nicht gerade schlank, aber durchaus harmonisch.
Deinen Rat bis Weihnachten mindestens drei 17er zu trinken werde ich annehmen! Hätte ich von alleine aber nie gemacht.
LG
Vossi
2011 ab 2011 getrunken? Vor oder nach der Ernte? 😉
Mit „dieses Jahr“ ist natürlich 2018 gemeint!!!
Alles klar. Ich habe Wittmann 11 lange nicht im Glas gehabt, aber relativ viel anderes, zuletzt so unterschiedliche Sachen wie St. Antony und Karthäuserhof.
Hallo zusammen,
ich verkoste seit mehr als 10 Jahren für den Concours du monde.
Da ich den Artikel wirklich gut finde nur ein paar Ergänzungen:
Warum lässt man Weine liegen?
Nun, weitgefasst gilt dass man eine (ggf.) Trinkreife erreichen möchte.
Aber wann ist ein Wein trinkreif?
Ich neige dazu zu sagen, wenn ein Wein eine gewisse Offenheit und Harmonie ausstrahlt.
Das kann durchaus in der Jugend sein, das kann nach 2,3,4 Jahren Reife sein, das kann auch nach 15 Jahren Reife sein. Ich sage immer wenn der Wein schmeckt sollte er getrunken werden, denn ob das Ergebnis in einigen Jahren besser wird ist immer fraglich. Aber genau das ist die Frage -> wird der Wein durch das liegenlassen besser?
Was man immer bedenken muss ist, daß während der Reife die Säure wie die Süße abnehmen. Das ist mit der mikro-Oxidation chemisch zu erklären. Die Weine erscheinen dann fett, moppelig, zuweilen brandig. Bei Riesling kommt noch bei heißen Jahrgängen eine gewisse untypische Alterung in Form einer frühen Petrolnote dazu. Bestes Beispiel war dafür 2003.
Jahrgänge mit heißem und trockenem Witterungsverlauf sind daher für eine lange Reife problematisch. z.B. auch 2012. Ich denke die sollten getrunken werden.
Ich persönlich denke auch, daß der 2009er nicht mehr kommt.
Aus 2008 hatte ich erst letztes Jahr einige wunderbare Spätlesen. Allerdings Restsüß, kein GG.
2010 ist ein Beispiel von zu kalt, zu feucht, zu viel Säure. Winzer die gewartet haben wurden belohnt, der Herbst war wirklich schön. Auch hier tendiere ich mehr zu den restsüßen Spätlesen. Trocken war in der Reife recht schwierig.
Ich persönlich sehe es so:
2008 nur noch Restsüß
2009 kommt wahrscheinlich nicht mehr. Es wird Ausnahmen geben, aber das werden Ausnahmen bleiben
2010 nur noch Restsüß
2011 trinken… ich habe nichts mehr 🙂
2012 trinken… wird nur noch moppeliger
2013 probieren… wenn die Säure / Frische passt ggf noch warten
2014 hat m.E. noch Zeit
2015 sieht nach Verschlußphase aus… braucht extrem Luft
2016 sehr schön zu trinken, hat aber auch Zeit
Noch kurz zu den fränkischen Silvanern falls es jemand interessiert:
2014 jetzt probieren, können aber auch noch etwas warten.
Beispiel: May EL „Der Schäfer“ 2014, oder GG Rothlauf
2015 wirkt etwas fetter als 2014, probieren lohnt sich
2016 noch warten
p.s.: konstante Temperatur ist gut, man sagt 11-13 Grad… bei 16 Grad hat man eine etwas raschere Alterung
Hallo Rainer,
danke für dein kurzes Feedback auch zu den Silvaner Jahrgängen. Du gehst nur bis 2014 zurück, glaubst du hier an eine generell kürzere Lagerfähigkeit? Habe noch zwei 2011er (Schmitts Kinder Pfülben) und neige jetzt dazu umgehend zu probieren?
Danke,
Tobias
Hallo Tobias,
das sind beim Silvaner die Jahrgänge, die ich aktuell verkosten durfte. Wobei ich sagen muss, daß ich den 2014 Ortswein von May deutlich frischer und leichtfüßiger fand als das GG, 2015 dreht sich das… Es hängt also auch hier viel vom Jahrgang ab.
Nun zu Deiner Frage… Schmitt’s Kinder GG Silvaner Pfülben 2011 würde ich trinken und nicht mehr allzu lange lagern.
Schmitt’s Kinder macht sehr schöne, glasklare, tockene Silvaner, die oft eine schöne Kräuternote mit fokussierter Frucht und deutlicher Mineralität mit sich bringen.
Ich persönlich habe den Schmitt’s Kinder SIlvaner GG 2011 nicht probiert. Referenzwert für mich aus der gleichen Lage und gleichem Jahrgang wäre z.B. die Spätlese Trocken von Störrlein & Krenig. Dem Wein hätte ich bis 2016 gegeben, war aber 2013 schon sehr schön. Daher stellte sich mir an dem Punkt auch wieder die Frage ob er nach 2013 noch anziehen würde. Leider habe ich damals nicht zugeschlagen, deshalb kann ich zu der Entwicklung nichts sagen.
Generell zu der Lagerfähigkeit von Silvanern ist zu sagen, dass oft in der Trauben-Reife ein wenig die Säure fehlt. Bei manchen Betrieben wird dann mit Maischestandzeit experimentiert, damit die Schalen noch Inhaltsstoffe liefern. Gerade dann sind die Weine in der Jugend etwas zurückhaltender und brauchen 1-2 Jahre um aufzublühen.
Persönlich sehe ich auch die Weine vom Gips-Keuper oder Sandstein etwas langlebiger und in der Jugend verschlossener, als die vom Muschelkalk.
Als Referenzwert habe ich für mich in den letzten Jahren die Farbe beim Silvaner ausgemacht. Wenn der Silvaner zu viel Oxidation bekommt neigt er dazu dunkler zu werden.
Übrigens, 2012 war in Franken ziemlich trocken, daher hat der Silvaner da auch etwas mehr Alkohol bei niedrigeren Säure-Werten. Auch die Weine würde ich trinken und nicht mehr allzu lange lagern.
Viele Grüße,
Rainer
Hallo Rainer,
danke für deine Expertise. Du hattest Recht, der 11’er Pfülben war kein Genuss mehr – wenig Bouquet und Aroma, nach einer halben Stunde baute er sich nochmal ein wenig auf aber blieb trotz allem fett und ein wenig leblos. Eine teure Lektion, was ich mit der zweiten mache werde ich sehen müssen.
Witzigerweise kamen mit der selben Lieferung auch noch ein paar Flaschen von dem von dir erwähnten 14’er May Ortswein. Große Trinkfreude wie ich sie von dem Wein kenne und noch keine Spuren von Altersmüdigkeit. Jetzt habe ich noch zwei Flaschen vom 13’er May 1. Lage – ich werde mich melden =)
lG
Tobias
„Was man immer bedenken muss ist, daß während der Reife die Säure wie die Süße abnehmen. Das ist mit der mikro-Oxidation chemisch zu erklären.“
Kannst Du mir das mit der Mikrooxidation einmal genauer und für Nicht-Chemiker erklären? Ich meine Wenn ich Zucker in Wasser auflöse, und das Wasser anschließend verdunsten lasse oder abdampfe, bleibt der Zucker am Boden des genutzten Gefäßes zurück. Wein besteht nun einmal auch zum größten Teil aus Wasser und wenn etwas weniger wird müsste es doch das Wasser und der Alkohol sein und der Zuckeranteil und damit die Süße müssten im Verhältnis zur verbliebenen Flüssigkeit steigen. Oder geht es hier nicht um die Süße von Zucker die weniger wird sondern um alkoholische Süße (oder vielleicht um die aus Glycerin?)?
Wäre jedenfalls erfreulich wenn Du oder jemand anders der Ahnung davon hat einmal meinen Geist erhellen könnte.
Ich denke, da sind ein paar Begriffe durcheinander geraten. Mikrooxigenation ist ein Verfahren in der Weinherstellung, was nichts mit Flaschenreife zu tun hat (kann man googlen). Mikro-Oxidation gibt es nicht, es gibt nur Oxidation (notfalls in geringem Umfang). Ist aber eine weit verbreitete Begriffsunschärfe. Wenn Zucker, Alkohol und Säuren zusammentreffen, geht es eher um Prozesse wie Veresterung. Man sollte das mit der Wissenschaft aber nicht übertreiben. Einfach trinken und genießen.
Vielen Dank!
Ein sehr interessanter Artikel zu einem Thema, das mich auch umtreibt und bei dem ich mich immer wieder frage, ob ich das Richtige tue.
Die technische Lagerfrage habe ich inzwischen über Klimaschränke (11 Grad) gelöst.
Kritischer finde ich das Thema Jahrgangstiefe. Wollte man im Schnitt seine Weine nach vier Jahren trinken und nimmt man einen „Paarverbrauch“ von 250 Flaschen pro Jahr – d.h. an fünf Tagen pro Woche eine gemeinsame Flasche zum Essen – dann benötigt man einen rechnerischen Bestand von 1000 Flaschen. Die damit verbundene Kapitalbindung entspricht wohl mindestens einem Kleinwagen. Da kann man schon ins Grübeln kommen, ob man das Richtige tut – zumindest bei begrenzten finanziellen Ressourcen.
Ich bin kein Maßstab, aber ich bin ziemlich normal: bei uns gibt es regelmäßig Leibspeisen wie Königsberger Klopse oder Reibekuchen mit Matjestartar oder Räucherlachs. Klar kann ich dazu einen gereiften Chablis trinken (eher kein Riesling GG), aber ich stelle dann evtl. fest, je jünger und simpler der ist, desto besser passt er. Tatsächlich hat er kaum eine Chance gegen einen einfachen, druckvollen Grau- oder Weißburgunder oder Silvaner eines guten Erzeugers aus der zweiten Reihe für 8-10 Euro. Davon muss ich mir überhaupt keine Jahrgangstiefe zulegen, das bindet auch kein Kapital.
Die meisten Speisen wollen begleitet werden, deutsche GGs wollen aber immer die erste Geige spielen. Seitdem ich da abgerüstet habe, hat meine Tischkultur gewonnen. Ich habe aber viel weniger Gelegenheit GGs zu trinken. Also habe ich auch da abgerüstet. Von 170 Flaschen Riesling GG aus dem Jahrgang 2007 auf heute 20 bis 30 pro Jahrgang.
Ich empfehle auf die „Vintage Versionen“ von Port und Madeira umzusteigen, dann entsteht so ein Problem erst gar nicht und schlimmstenfalls freuen sich irgendwann die Erben 😉
Spaß beiseite. Felix hast Du einen Alternativbegriff oder eine Definition für „mastig“ (oder hätte es „mostig“ heißen sollen?). Habe schon viele Weinbeschreibungen gelesen aber der Begriff ist mir sowohl innerhalb wie auch außerhalb der Weinwelt völlig neu.
Mastig von Mast/gemästet. Ich glaub Hendrik Thoma hat den mal für GGs eingeführt und ich fand das sehr passend, weil es eine Zeit den Trend gab (2005-2011), dass GGs wie die Turbo-Mastsau unter den Rieslingen wirkte.
An Mast bzw. gemästet hab ich dabei in der Tat auch gedacht, dachte mir dann aber: Das kann er nicht meinen weil der Begriff für mich nicht so wirklich zu Wein gepasst hat. Ich verstehe das nun mal als „mit aller Gewalt fett bzw. körperreich gemacht“ in einem negativen Sinne?
Mit aller Gewalt gemacht nicht unbedingt, das Schwein frisst auch fröhlich freiwillig, wenn man ihm ohne Ende zu fressen gibt. Ansonsten ja, viel zu körperreich, fett und druckvoll.
Negativ ist „mastig“ eigentlich immer besetzt. Für mich schwingt neben „zu gewichtig“ da immer auch noch zwingend ein „… und daher schwerfällig, mit wenig Spiel, unbalanciert, satt machend“ mit. Gerade bei weniger Verkostungserfahrung neigt man manchmal dazu, diese Weine für besser zu halten, wenn man nur einen kleinen Probeschluck nimmt. Dann legt man sich das Zeug in den Keller und stellt fest, „oha, davon schaffe ich ja kaum ein ganzes Glas, geschweige denn mehr“.