Die Bodegas Pascual macht einfache Weine, die sich aufs Wesentliche konzentrieren. Das hat aber nichts mit der neuen Natürlichkeitswelle zu tun, sondern mit der Historie. In die durfte ich eintauchen – und war tief beeindruckt.
Das Weingut Pascual ist ein für Ribera-Verhältnisse kleines Familienweingut mit einer Produktion von im Höchstfalle 300.000 Flaschen, zur Hälfte aus gekauften Trauben gefertigt. Es hat quasi keine Distribution in Deutschland. Das ist erstaunlich, denn das Gut zeichnet einige Besonderheiten aus, die genug ‚Story’ sind, um Verkaufserfolge in Deutschland zu erzielen. Enrique Pascual ist ein jovialer, herzlicher Seelenfänger, der nicht durch Zufall gerade seine dritte Amtszeit als Präsident des Consejo Ribera del Duero bestreitet (und wenn es nach seinen Kollegen geht noch viele weitere dranhängen sollte). Seine Weine zeichnen sich auch durch ein extrem gutes Preis-Leistungsverhältnis aus.
Ein Grundwein für drei Qualitäten
Das hat auch mit der Produktionsmethode zu tun. Alle Trauben für die Peñalosa-Linie, Zukauf wie die eigenen, verarbeitet die Mannschaft in einem Durchgang und keltert sie zu einem Grundwein aus 100 Prozent Tempranillo: Gärung und Malolaktik in großen Edelstahltanks – null Firlefanz. Anschließend werden die Tanks nach Bedarf cuvéetiert und zu einem Teil in Flaschen, zu einem (größeren) Teil in Barriques gefüllt. Diese lagern mindestens ein Jahr, dann werden die guten verschnitten und gefüllt, die sehr guten reifen weiter. Mit anderen Worten, Joven (ohne Holz), Crianza und Reserva stammen alle aus dem identischen Grundwein. Das erklärt vielleicht, warum für mich Joven und Crianza zu den besten Rotweinwerten im einfachen und mittleren Segment gehören, die ich seit langem im Glas gehabt habe. Es ist das gleiche Material wie in der Reserva, die allerdings für Ribera-Verhältnisse ebenfalls ein Schnäppchen ist.
Einfache Geschichte, schnell erzählt. Genauer gesagt: früher hätte ich diese Geschichte gar nicht erzählt, weil es keinen Sinn hat, einen Artikel über das dreifach verwendete Ausgangsmaterial zu schreiben, wenn niemand in Deutschland die Behauptungen nachschmecken kann – mangels Distribution. Jetzt kann ich das selber ändern, indem ich die Weine in mein Vipino-Sortiment aufnehme. Genau deswegen habe ich das Vipino-Scout-Angebot angenommen.
Also auf nach Aranda de Duero, um noch ein paar Fotos zu machen. Exportmanagerin Rosa Sanchez führt uns herum und erklärt am Ende der Tour, Enrique und sie würden uns gerne noch den stillgelegten Keller zeigen. Ich habe noch nie das Angebot bekommen, einen stillgelegten Keller zu besichtigen. Warum sollte man bitte einen stillgelegten Keller besichtigen? Die Antwort ist natürlich spektakulär: ‚Der datiert Schätzungen zufolge auf das späte 14. Jahrhundert.‘ Nichts wie hin da. Was für ein Ausflug!
Abstieg ins Mittelalter
Bis in die 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts hat die Familie Pascual im alten Keller gewirkt und wenn man das Gebäude betritt, dessen Renovierung seit Jahren auf der Agenda steht, aber noch immer nicht in Angriff genommen wurde, hat man den Eindruck, es hätte gerade eben erst der Umzug stattgefunden. Eine schon damals fast antike Etikettierstraße steht rottend herum und macht mich erst denken: was soll ich hier?
Doch dann geht es an den Abstieg. Rund 50 Breite Stiegen in einem niedrigen Tunnel führen nach unten. Diese Kombi hat einen Grund: rund 550 Jahre lang trugen Menschen hier Trauben auf dem Rücken in den Keller. Die gingen eh gebeugt, brauchten weniger Höhe, als vielmehr breite Stufen, um ja nicht auszurutschen. Die Temperatur sinkt beim Abstieg von fast 40 auf konstante 16 Grad in der Tiefe. An jeder Wand ist nun zu sehen, dass Menschen vor über 600 Jahren diesen Keller mit Hämmern und Meißeln ins Gestein gehauen hatten – brutaler Aufwand verglichen mit den kreideweichen Wänden der Gewölbe in der Champagne.
Null Intervention – oder Tod
Auch im weitgehend ausgeräumten Zustand kann ich mir bei einigen Gewölben vorstellen, was hier unten über die Jahrhunderte stattgefunden hat. Bei anderen helfen mir die Gastgeber. Enrique erklärt mir die Funktion der Fass-Reinigungs- und Reparaturwerkstatt. Seine Familie habe hier gerade einmal 7000 Flaschen jährlich produziert. Meine irritierte Nachfrage, wozu man dann so eine riesige Fläche brauche, beantwortet er schmunzelnd. ‚Alles was einmal hier runtergebracht und zusammengesetzt worden war, passte nicht mehr durch die Stiege nach oben. Traubenpresse nach der Pressung in den Schuppen schieben war hier keine Option.’ Auch lagerten mehrere Jahrgänge gleichzeitig im weitläufigen Gewölbe.
In den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts ließen Enriques Großeltern einen senkrechten Schacht ans Tageslicht bohren. Von da an fand die Traubenselektion auf dem Hof oben bei Tageslicht statt und die guten wurden in den Keller geworfen. Eine gigantische Arbeitserleichterung. Auch bot der Schacht gemeinsam mit der Elektrifizierung die Option mit Ventilatoren Durchzug zu erzeugen. ‚Wie im Bergwerk brannten hier unten immer Kerzen, falls irgendwo unkontrolliert eine Gärung startet.‘
Stimmt, fällt mir ein: CO2 verdrängt die Atemluft in so einem Gewölbe. Wie man denn während des Herbstes damit umgegangen sei, will ich von ihm, der als junger Mann die letzten Produktionsjahre hier mitgearbeitet hat, wissen. ‚Alles wurde vorbereitet, aber erst wenn alle Gärständer befüllt waren, wurde eingemaischt. Dann verließen alle den Keller und nach ein paar Wochen konnten wir wiederkommen. Nullinterventionswein, garantiert – Eingriff in die Gärung wird mit dem Tode durch Ersticken bestraft, standrechtlich.
Bodegas Pascual – modern kann ganz schön Retro sein
Manchmal hilft es, den Hintergrund eines Winzers zu kennen, um zu verstehen, warum er seine Weine macht, wie er sie macht. Bei Enrique Pascual werden die Trauben immer noch auf dem Hof bei Tageslicht sortiert und dann in das neue, tief in die Erde gegrabene Weingut hinuntergelassen. Aber das ist keine Mode, kein Zurück zu irgendetwas. Seine einfache und schnörkellose Art Wein zu machen ist schon erheblich ‚technischer‘ als er das in seinen ersten Jahren je machen konnte. Temperaturkontrolle in großen Edelstahltanks, das war ein Quantensprung für dieses Weingut. Weiter wollten sie gar nicht springen. Und das schmeckt man aufs Wunderbarste.
Bodegas Pascual, Peñalosa Crianza, 2019, Ribera del Duero. In der klassischen Ribera-Nase viel Frucht und Holz, dazu Kräuter. Am Gaumen Sauerkirsche und Blaubeere, mittlere Säure, deutlich Holz, das aber ebenso wie das Tannin von großer Feinheit ist. Mit ein paar Stunden Luft ist der Wein jetzt schon schön zu trinken, hat aber auch noch Potential. Bestechend ist die Mischung aus beherzt zupackender, im besten Sinne rustikaler Aromatik und sehr feinem, langen Abgang.
Bodegas Pascual, Peñalosa Reserva, 2016, Ribera del Duero. In der Nase etwas feiner als die Crianza, leicht ätherisch, das Holz jetzt eher Zigarrenkiste als Fassdaube. Am Gaumen tritt der gleiche Fruchtmix etwas leiser, das Holz ist sehr fein eingebunden und macht ebenfalls Platz für würzige Reifenoten. Das Mundgefühl beginnt, ins Weiche zu driften. Zum sehr feinen und langen Abgang hin greift dann aber wieder das Tannin und sorgt für angenehmen Biss. Das swingt!
Sascha hatte die Crianza hier im schwarzen Glas.
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Einige der Bilder stammen vom Weingut, herzlichen Dank für die Nutzungsgenehmigung.
Offenlegung: Meine Kuratorentätigkeit für Vipino wird über eine Provision pro verkaufter Flasche vergütet. In den Beschaffungsprozess einschließlich Konditionsverhandlungen bin ich nicht eingebunden.