Wiesbaden GG

#vdpgg19 GG-Premiere Wiesbaden 2019, Tag 1

Guten Morgen, ganz Deutschland genießt den Spätsommer-Sonnen-Sonntag – bis auf die üblichen Bekloppten, die sich in den Wiesbadener Kurhauskollonaden im klimatisierten Saal die Großen Gewächse des VDP aus dem neuen Jahrgang einschenken lassen. Willkommen zu drei Tagen Verkostungsticker von der hellen Seite des Wirsching-Grabens.

Franken – Silvaner (2018)

Viel Kernobst zum Frühstück bringt der erste Wein der Stettener Stein vom Weingut am Stein, allerdings ganz gesund ohne jeden Zucker, ungesüßt und ernsthaft. Im Abgang hat Ludwig Knoll dann noch ein paar Steine ins Müsli geschmuggelt, was für ein schöner Auftakt. Weicher, fruchtiger dann Rudolf Mays Rothlauf, aber auch mit toller Phenolik im Abgang und deutlich ernsthaftem Charakter. Unspektakuläre Nase, dafür am Gaumen mühelose Reif: der Rothlauf von Gregor Schwab zeigt mit dem dritten Wein die dritte Interpretation des Themas Silvaner, im Abgang cremiger als die ersten beiden, aber nicht schlechter. Würzig und viel reife Frucht, der Himmelspfad von May ist der zugänglichste bisher, würde ich trinken, während ich bei den anderen auf die Reife warte, dabei hat auch dieser Potential ohne Ende. Der letzte Wein im Flight Schmitt’s Kinders Pfülben eifert dem vierten nach, präsentiert sich aber etwas fruchtiger. Der erste Flight macht richtig Spass!

Extremer Zisch im Würzburger Stein vom Staatlichen Hofkeller, gut, dass das nicht auf nüchternen Magen kommt. Im Abgang kreidig – vielversprechend. Stein-Harfe vom Bürgerspital noch sehr unruhig, müsste ich länger im Glas haben. Auch auf der Zitrus-Seite, aber mit einer ganzen Portion silvanertypischem Heuboden sehe ich Johann Rucks Julius-Echter-Berg, bei ganz viel Potential. Paul Weltners Küchenmeister ‚Hoheleite‘ ist dann einer, den ich kauen möchte, einerseits viel Aromatik, andererseits der feste Kern, den man aufbeißen möchte. Funktioniert nicht, muss man reifen lassen, großer Wein. Danach chancenlos, obwohl ein wirklich guter Wein: Michael Fröhlichs Am Lumpen 1655.

Zwei sehr ähnliche Interpretationen des Lumpen dann von Horst Sauer und Rainer Sauer: in der Kurzprobe sind das zwei sehr pure Silvaner ohne Firlefanz, die Lage fügt der Rebsorte manchmal wenig hinzu. Im letzten Lumpen, dem vom Weingut zur Schwane dann ein würziger Stinker in der Nase und viel Würze am Gaumen – hat hier und heute die Nase (sic!) vorn, das Potential spricht aber eventuell für die Sauers. Luckerts Maustal ist Saft und Kraft mit würzigem Abgang auf der eher cremigen Seite – sehr gut.

Franken – Silvaner (2017)

Würzburger Stein vom Juliusspital ist dieses Jahr unspektakulär aber sehr tief, ganz viel Potential. Bickel-Stumpfs Mönchshof riecht zwar wie die Kuh ganz hinten, ist dann aber von atemberaubender Klarheit am Gaumen – das strahlt. Egon Schäffers Lump wirkt danach cremig, ist aber vor allem zugänglich-komplex. Julius-Echter-Berg vom Juliusspital zeigt schon etwas Flaschenreife, die diesem wundervollen Wein sehr gut steht. Sommerhausener Steinbach Alltenberg 1072: der Name ist, mit Verlaub, bescheuert, aber der Wein von Schloss Sommerhausen ist ein Paukenschlag; wunderbar balanciert und trotzdem immens kraftvoll.

Auf der eleganten Seite bewegt sich Wirschings Julius-Echter-Berg. Sehr leise, geht heute ein bisschen unter und taucht vermutlich machtvoll auf, wenn sich ein paar Reife-Aromen dazu gesellen. Der Kronsberg ist im vergleich fruchtiger, kräftiger aber keineswegs simpel, leicht pfeffriger Abgang, sehr stark. Das Weingut Wilhelm Arnold feiert endlich sein Debüt in Wiesbaden und ich bin eventuell nicht ganz unschuldig, habe ich die Arnolds doch beim letzten Niederfall bearbeitet, sie sollen endlich ihre Weine zeigen. Der Randersacker Hohenroth ist ein voller Wein, der die würzige Seite der Rebsorte eindrucksvoll in Szene setzt. Zur Schwanes Volkacher Ratsherr wirkt danach ein bisschen bonbonbunt, für den bräuchte ich mehr Zeit. Castells Schlossberg setzt den würdigen Schlusspunkt unter die Silvaner für heute: strahlend, in sich ruhend, balanciert und mit viel Potential

Kollege Hofschuster in der Reihe vor mir und ich sind uns erschreckend einig, lediglich, warum mir der Hohenroth so sympathisch ist, erschließt sich ihm nicht. Heute als mal der Arnold-Graben

Grauburgunder (2018, diverse Anbaugebiete)

Heppenheimer Centgericht von den Hessischen Staatsweingütern ist angenehm schnörkellos, das fiel mir schon gestern bei der Präsentation im Rheingau auf. Der Freyburger Edelacker ist für Pawis‚ Verhältnisse schlank, nur Bazooka, keine Stalin-Orgel. Und siehe da: das ist sehr charmant. Schloss Proschwitz‘ Zadel ist gefühlt restsüß – sehr schmeichelnd, wenn man es mag. Ganz viel ganz schönes Holz im Burg Wildecker Herrschaftsberg vom Staatsweingut Weinsberg. Das ist viel zu jung, aber vielversprechend. Extreme Frische dann im Fellbacher Lämmler von Schnaitmann.

Die Würze im Herrenberg Oberklamm von Seeger ist atemberaubend schön, Andreas Laibles Plauelrain ‚Am Bühl‘ betört mit süßer Frucht, Berchers Feuerberg Haslen bewegt sich in der Mitte zwischen den beiden und gefällt mir bisher am besten. Blankenhorns Sonnenstück ist ernsthaft, würzig, seriös.

Burgunder (Baden, gereift)

Die Sortierung des VDP schiebt einen Flight mit Weissburgundern dazwischen. Franz Kellers Bassgeige Leh 2017 mit schönem Holz, feiner Frucht und angenehmer Säure, im Abgang noch etwas austrocknend, aber geben wir dem Wein noch ein paar Jahre, dann ist das richtig gut. Der Doktorgarten 2017 vom Staatsweingut Freiburg ist etwas charmanter und auch etwas weniger komplex, aber immer noch gut. Dr. Hegers Gras im Ofen 2017 vereint Charme und Anspruch, ist einfach zum Niederknien und zeigt, dass Dr. Heger manchmal unfassbar guten Wein macht.

Jetzt wieder Grauburgunder, vier mal 2017, zwei Mal 2016. Die Bassgeige Kähner von Franz Keller mit festem Kern und viel Potential, würde ich gerne in ein paar Jahren wieder probieren. Der Schlossberg aus gleichem Hause kommt sehr phenolisch daher, wirkt aber jetzt schon zugänglich und wäre eine gute Wahl als Essensbegleiter. Wieder Doktorgarten, wieder Staatsweingut und wieder der Eindruck, dass das charmant und sehr gut ist, aber nicht ganz so komplex wie Keller. Und das Murmeltier erscheint gleich noch einmal in Form eines Gras im Ofen, der den Klassenbesten gibt. Schmelzig und im Abgang dann phenolisch, aber nicht austrocknend. Das kann nicht jeder, aber Heger. Viel Frische dann in den beiden 2016ern von Salwey. Der Eichberg ist mein Favorit, denn im Henkenberg ist mir die Frucht etwas zu laut, aber das ist Leiden auf hohem Niveau.

Chardonnay (Baden)

Der erste Wein aus 2018, sonst alles 2017. Kronenbühl Gottsacker von Wöhrle ist ein Baby, und zwar ein etwas stacheliges. Viel Phenolik, noch adstringierend, aber eigentlich leise und daher vielleicht in ein paar Jahren ganz toll. Spannend. Hubers Bienenberg ist dieses Jahr auch etwas abweisender als die Vorgänger-Jahrgänge, zeigt aber immerhin eine lebendige Säure. Franz Kellers Kirchberg ist große Klasse: klare Frucht, saftig, mit viel Zug und im Abgang dann die Ernsthaftigkeit, Creme, aromatisches Auffächern dank phänomenaler Länge. Betörend süße Frucht im Doktorgarten vom Staatsweingut, und – Murmeltier – das Beste aller Welten in Dr. Hegers Gras im Ofen. Das sind hier heute Morgen die Heger-Festspiele. Stiglers Winklerberg Pagode schließlich ist der Wein, den ich jetzt gerne mit rüber zum Mittagessen nehmen würde. Zugänglich, mit süßer Frucht, aber auch durchaus komplex.

Weißburgunder (2018)

Saale-Unstrut

Kräftig, üppig, Haus-Stil – Pawis‘ Edelacker mag ich eigentlich immer, so auch in diesem Jahr.

Württemberg

Cremig, im Abgang dann aber mit genau der richtigen Portion Säure, Neippergs Schlossberg zeigt sich harmonisch druckvoll. Kuhstall-Nase, saftiger Apfel am Gaumen, würziger Abgang, phenolische Länge, der Herzogenberg von Wöhrwag ist hundert Prozent mein Beuteschema! Ganz anders, weil kalkig-mineralisch, leicht blumig und duftig ist der Hungerberg von Ellwanger – und auch den finde ich wunderbar. Aldingers Gips Marienglas (2017) dann mit Feuerstein in der Nase, Laserschwert-Säure am Gaumen und ersten Reifenoten im Abgang – ganz große Harmonie und ein schöner Flight zum Start der Nachmittagssitzung.

Baden

Ist das Holz oder nur langes Hefelager? Beim Weißburgunder kann man das eine leicht mit dem anderen verwechseln und sich prima blamieren, indem man das tolle Holz eines Stahltankweines lobt, besonders in der Schnellprobe. Ich probiere es trotzdem mal und lobe das tolle Holz des Herrenberg Oberklamm von Seeger, der zudem eine ganz wunderbare Balance von Frucht und Säure zeigt. Zunächst eher konventionell, überzeugt der Herrentisch von Wöhrle mit heftigem mineralischen Biss im langen Finale. Berchers Feuerberg Haslen hat es danach ein bisschen schwer. Müsste ich mehr von im Glas haben. Und auch der Ihringer Winklerberg Winklen ‚Rappenecker‘ (wer baut solche Lagennamen?) hat das Nachsehen. Dr. Heger geht heute erstmals nicht auf dem ersten Platz aus einem Rennen, der Wein ist allerdings trotzdem sehr gut.

Franken

Der Stein vom Staatlichen Hofkeller ist angenehm schmelzig und ordentlich tief, der Volkacher Karthäuser (2017) vom Juliusspital etwas mineralischer bei vergleichbarer Frucht. Zwei gute Weine.

Pfalz

Pfeffingens Herrenberg ist ein ziemlicher Brecher, bezogen auf aromatische Tiefe, nicht auf Alkohol oder Mundfülle. So liebe ich Weißburgunder. Die blütenzarte Aromatik mit dem enorm mineralischen Unterbau des Langenmorgen von Bassermann-Jordan finde ich allerdings genau so attraktiv. Ich mag die Rebsorte halt sehr, wenn sie in die Hände von Könnern fällt. Der beste, der Großmeister, liefert ebenfalls: Im Sonnenschein von Rebholz sehr typisch, sehr verschlossen, sehr jung – aber sehr gut.

Der Mandelberg aus gleichem Hause ist offener, aromatisch dunkler und wirkt schwerer, hat aber ausreichend Säure und diesen kreidigen Abgang, der für den nötigen Kontrast sorgt – außergewöhnlich. Dr Wehrheims Mandelberg wirkt danach strahlend hell und gelbfruchtig, ist auch würzig und gefällt mir damit sehr gut. Münzberg ‚Schlangenpfiff‘ von Münzberg/Kessler ist sehr von Hefe geprägt, schmeckt erst wie ein Biss in die Wolldecke und strahlt sich dann mit toller Säure frei. Dabei ist er so unendlich lang, dass man eine gute Vorstellung bekommt, was wird, wenn die Wolldecke mal verdaut ist – finde ich phänomenal. Viel konventioneller (Frucht, Säure, Würze, Phenolik, keine wilden Sprachbilder) dann der Kalmit von Kranz, der auf unprätentiöse Art großartig ist. Beinahe ölig, aber nicht fett und schwer: auch der Sonnenberg ‚Rädling‘ von Bernhart ist auf eine ganz eigene Art weltklasse. Dieser letzte Weißwein-Flight des ersten Tages macht mich so glücklich, dass ich beschwingt in die Kaffeepause gehe.

Spätburgunder

Sachsen 2017

Der Zadel von Schloss Proschwitz nennt sich vollkommen zu Recht GG. Tolle Säure, schönes Spiel und eher leise, feine Aromatik.

Rheingau 2017

Ganze zwei GGs stehen zur Verkostung an. 2017 war kein Pinot-Jahr im Rheingau. Der Reichestal von Künstler erreicht GG-Niveau, aber nicht die fleischige Präzision guter Jahre, der Hassel von Georg Müller Stiftung gefällt mir heute tatsächlich besser als Künstler, gestern bei der Präsentation im Rheingau war es noch anders herum. Sehr weit auseinander liegen die Weine qualitativ definitiv nicht.

Rheinhessen 2017

Pares und Horn von Neuss kommen ein bisschen zu warm ins Glas, wirken dadurch diffus. Die Tiefe und die Säure stimmen in jedem Fall. St. Antonys Paterberg mit herzhaft-animalischer Aromatik, dürfte polarisieren und Fans finden, mir gefällt’s. Viel mehr auf Frucht setzt im Vergleich das Oppenheimer Kreuz von Kühling-Gillot, allerdings ohne jeden Kitsch – verströmt eine gewisse Noblesse.

Ganz anders das Kirchenstück aus gleichem Hause: das hat zwar auch Frucht, ist aber deutlich kräutriger, im Abgang dann fleischig, fest und mit viel Zug. Leicht und zart, das ist die Art von Wein mit der man Menschen vor den Kopf schlägt, die sich unter Rotwein sowas wie ‚Sonne in Flaschen‘ vorstellen. Granate! Kellers Bürgel riecht nach Frankreich, schmeckt eher kräftig und bleibt doch stets auf der eleganten Seite.

Pfalz 2017

Rings Saumagen hat etwas enorm Müheloses, Liebe auf den ersten Blick. Christmanns Idig kommt nur beinahe heran, dabei hat er mit dieser schmirgelnd steinigen Phenolik einen ganz eigenen Charme – würde ich gerne mal solo probieren. Der Kalkberg von Bergdolt-St. Lamprecht und der Sonnenberg ‚Rädling‘ von Bernhart sind höchst ehrwürdige GGs, doch in diesem Flight (die beiden letzten Rheinhessen waren mit von der Partie) finden sie gleich vier mal ihren Meister. Monumentales Pinot-Kino!

Franken 2017

Baltes und Fürst teilen sich den ersten Flight. Zunächst Schlossberg: Fürst ungewohnt cremig, im Abgang dann aber mit der gewohnten Präzision, Baltes mit der strahlenderen Frucht, stilistisch dann aber ganz anders mit seiner typischen Tanninstruktur. Im Vergleich von Baltes Bischofsberg mit Fürsts Centrgrafenberg findet sich wieder der Unterschied in der Präzision, dieses mal wirkt allerdings Baltes etwas verwaschen, während bei Fürst die fleischige Art mir eine fette Gänsehaut verpasst. Zum ersten Mal an diesem Tag vergesse ich das Ausspucken. Hofschuster besteht darauf, dass das der deutscheste der sechs Pinots sei, meint es aber nicht bös, denn er ergänzt: ‚besser geht deutsch nicht‘. Dann zwei Mal Hundsrück. Schade, dass ich schon alle Superlative verfeuert habe. Zwei perfekte Weine, die nur von der leider zu warmen Serviertemperatur in die Knie gezwungen werden. Dieser Flight toppt sogar noch die Rheinhessen-Pfalz-Kombi von eben.

Als Nachzügler im nächsten Flight kommt noch Luckerts Maustal ins Glas – angenehm kräutrig, in der Frucht eher üppig und mit schönem Tannin.

Baden 2017

Leimener Herrenberg ‚Spermen‘ ist ein Lagenname, den Sie auf dem Handy nur tippen dürfen, wenn die Auto-Korrektur deaktiviert ist, sonst wird’s anzüglich. Anziehend finde ich allerdings den Wein aus der Lage von Seeger. Das Tannin ist so wunderfein, die Frucht so präsent, das wird reifen!

Dann vier Mal Huber: Bienenberg mit viel süßer Frucht, Bienenberg Wildenstein deutlich würziger, mit reichlich Potential. Bei der Sommerhalde setzt erste Begeisterung ein, die in der Diskussion mit den Kollegen dann geschliffen wird. Beim Schlossberg reden wir allerdings über Ekstase, aber ich verkneife mir die Superlative. Viel präzise Frucht, fantastische Säure, kräftiges Holz, große Dichte, nix Marmelade, Überextraktion oder irgendetwas zu meckern.

Hegers Achkarrer Schlossberg, ebenfalls im Flight, wirkt süßer und dadurch einfacher, dabei gibt es strukturell durchaus Parallelen zu Hubers Meisterstück. Letzter Schlossberg im Flight ist dann der von Franz Keller und der leidet am meisten unter den hohen Temperaturen, weil er viel Frucht mit viel Tannin vermählt – an sich ein großartiger Wein in einem weiteren Mega-Flight, den ich später noch einmal mit der richtigen Temperatur nachverkosten werden. Für Heute ist hier Schluss.

Anmerkung, die weiteren Pinots gab es dann doch erst an Tag drei.

2 Gedanken zu „#vdpgg19 GG-Premiere Wiesbaden 2019, Tag 1“

  1. „(…) bis auf die üblichen Bekloppten (…)“.Mit den Bekloppten würde ich schon echt gerne tauschen, beneidenswert.

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