Er wollte Kalkstein, aber wer bekommt schon immer, was er will? Es wurde Quarzit. Und es wurde ein Spitzenriesling – und eine von den Geschichten, die Wein so wunderbar machen.
Es war auf der Mainzer Weinbörse im April, als der VDP Rheinhessen zum Abendessen lud, um seine neuen Ortsweine aus großen Lagen zu präsentieren. Solche Veranstaltungen haben manchmal etwas fürchterlich Steifes an sich und manchmal sind sie Klassenfahrt der Lümmel aus der letzten Bank. Die Gruppe hinten links fiel eher in letztere Kategorie, wofür natürlich weder die Tischnachbarn Dirk Würtz, noch Marcus Hofschuster verantwortlich waren – allein ich ließ den nötigen Ernst vermissen. Andererseits: es gab Reden, Essen und Wein und wir saßen tatsächlich in der hintersten Ecke, wer will es uns verübeln?
Zwei neue Scharlachberg GG
Die Veranstaltung ist hier auch gar nicht das Thema, denn über Sie berichtete ich bereits. Es geht um eine kleine Randnotiz. Als das Weingut Bischel an der Reihe war, kamen mir zwei Gedanken. Den ersten dachte ich still: im VDP Rheinhessen gibt es keinen Welpenschutz, denn der Binger Scharlachberg Riesling trocken aus 2016 der Brüder Runkel (Bischel war der Familienname des Großvaters) musste sich in einem Flight messen mit einem 15er Frauenberg GG von Battenfeld-Spanier und einem 12er Morstein von Wittmann. Er hielt sehr gut mit. Den anderen Gedanken sprach ich laut aus: ‚Oh, dann gibt es in Zukunft ja ein weiteres GG aus dem Binger Scharlachberg. Die Lage finde ich eigentlich nicht ganz so groß.’
Dieses Urteil beruht auf der Erfahrung der letzten Jahre. Gleich zwei Weingüter von der Nahe haben Besitz im Scharlachberg. Und bei Kruger-Rumpf steht das GG regelmäßig im Schatten von Burgberg und ‚Im Pitterberg‘, Auch Prinz Salm hat mir noch kein Scharlachberg GG auf den Probentisch gestellt, das mich restlos begeistert hätte. Doch glücklicherweise saß noch geballter Sachverstand neben mir. Er halte das für eine der besten deutschen Rieslinglagen überhaupt, widersprach Würtz. Hofschuster ergänzte: ‚Geh mal rüber und bitte Daniel Wagner, dir ein 17er GG aus dem Scharlachberg zu schicken, das zeigt die ganze Klasse der Lage.‘ Ganz spontan beschloss ich, diesem Rat Folge zu leisten. In der nächsten Pause sprach ich den Winzer an.
Lagentausch mit Bewirtschaftungshilfe
Der Scharlachberg war einstmals eine der berühmtesten Lagen Deutschlands. Er gehörte ursprünglich zum Weingut Villa Sachsen, das 2005 von Familie Salm übernommen und 2011 dann mit dem Stammhaus Weingut Prinz zu Salm fusioniert wurde. Heute bewirtschaftet Familie zu Salm weiterhin einen Teil der Flächen, daneben sind die Weingüter Kruger-Rumpf, Riffel, Dessoy und Bischel aktiv und seit dem Jahrgang 2016 eben auch Wagner-Stempel. ‚Ich hatte schon ewig Lust auf einen anderen Bodentyp im Portfolio‘ erzählte mir der am Nebentisch sitzende Daniel Wagner, als ich ihn ansprach. Seine Große-Gewächs-Lagen Heerkretz und Höllberg sind beide von Porphyr geprägt. Wein von anderem Boden war für ihn ein Leidenschaftsprojekt.
Eigentlich, fuhr Daniel Wagner fort, habe er nach einer Kalksteinlage gesucht, doch dann bot sich eine andere Gelegenheit. Die Brüder Runkel waren ihrerseits auf der Suche nach einer Erweiterung des Portfolios und so vereinbarte man, je ein kleines aber feines Stück Weinberg zeitlich begrenzt zu tauschen. ‚Die Möglichkeit, dass jemand ein Auge auf den 25 Kilometer entfernten Weinberg hat, der meine Philosophie von Winzerarbeit teilt, war sehr verlockend.’ Also tauschten die beiden Weingüter eine Fläche, die für die Produktion von gut 1000 Flaschen reicht und vereinbarten, dass der Eigner der Hauptfläche die Maschinenarbeit erledigt. Die wichtigsten Arbeiten, Winterschnitt, grüne Lese und Traubenernte erledigt Wagner also selbst. Das Weingut Bischel macht seitdem einen trockenen Heerkretz, der entsprechend nach der VDP-Aufnahme des Weingutes jetzt als GG firmiert.
Binger Scharlachberg – GG: Ganz Groß
Der Wein kam und ich schaute parallel in meinen Wiesbaden-Notizen. Da hatte ich den Wagnerschen Wein als bestes der drei präsentierten GGs aus der Lage gesehen und ihm die ‚dunkelste‘ Aura bescheinigt. Dieses Jahr kam ich zu einem ähnlichen Eindruck. In der mehrtägigen, sehr genussvollen Verkostung des 17ers ergab sich dann ein etwas anderes Bild, mit Luft wird die Aromatik heller.
Wagner-Stempel, Binger Scharlachberg, Riesling Großes Gewächs, 2017, Rheinhessen. Sehr frische Nase, blumig mit etwas Aloe Vera. Am Gaumen auch findet sich mehr Flaschenreife als man nach einem Jahr erwarten würde, dazu reife Säure, aromatisch aber frisch mit Grapefruit, Kamille und Kreide, auch leicht blumig; mittlerer Körper, guter Druck. Im Abgang phenolische Länge ohne Ende. Da wird es enorm tief und unglaublich balanciert!
Es gibt gute Gründe, den Binger Scharlachberg auf die Beobachtungsliste zu setzen.
Ein einstündiges Gespräch mit Daniel Wagner kann man hier bei Originalverkorkt hören.
Lieber Felix, wenn man lediglich eine Falsche des 17ers hat. Gibt es eine Empfehlung ob man jetzt schon trinken sollte, oder eher noch warten soll? Ist der Höhepunkt wohl schon erreicht?
Beste Grüße
Also jetzt mit viel Lust drei Tage lang den Wein trinken und mit ihm eine kleine Reise machen – ich liebe sowas ja. Jetzt mit zwei Freunden jeder ein Viertele davon schlotzen, das wäre Verschwendung. Für den großen Auftritt lässt Du ihn besser noch vier bis sechs Jahre liegen.