Vor einigen Wochen trat eine Agentur mit einer interessanten Anfrage an mich heran: ob ich Lust hätte, eine Masterclass zu moderieren (und zusammenzustellen). Ich hatte Lust. Es wurde ein spaßiges Abenteuer.
Die Weinwelt liebt es hochtrabend. Eine Meisterklasse ist in anderen Gebieten des menschlichen Wirkens eine Veranstaltung bei der der Vortragende eine Koryphäe ist, die Teilnehmer mindestens renommierte Könner. In der Weinwelt gestaltet sich die Realität eine Nummer kleiner: Es ist eine Verkostung, bei der sich jemand mit Kenntnissen um ein spannendes Weinaufgebot kümmert und es in eine didaktisch sinnvolle Reihenfolge bringt. Die Teilnehmer gehören in der Regel in die Kategorie Wiederverkäufer oder Multiplikator. Ich war schon bei vielen Masterclasses als Gast, moderiert hatte ich vorher noch nie eine. Was mich auf die Kandidatenliste für die Moderation brachte, war keine Expertise in Sachen Weinviertel (ich war wenigstens schon mal dort), sondern eher das Thema Didaktik.
Veranstalter war das Komitee Weinviertel DAC, also die Produzentenvereinigung der Veltliner, die unter der Bezeichnung Weinviertel in den Verkauf kommen. Das Thema war Weinviertel DAC Reserve gegen den Rest der Welt. Ziel war es in einer Blindprobe darzustellen, dass die Reserveweine aus dem Weinviertel deutlich mehr können, als ihnen die Allgemeinheit zutraut. Solche Verkostungen gibt es seit dem höchst wirksamen Judgement of Paris ständig und überall. Meist wird dabei getrickst: die ‚Rest der Welt‘-Weine stammen entweder aus schwächeren Jahrgängen, sind viel zu jung oder leben von einem großen, verblassenden Namen, dem keine entsprechende Qualität (mehr) gegenüber steht.
Weinviertel vs. Welt – hoch das Bein
Doch diese – meine – Masterclass sollte anders sein. Allein der Versuch ist albern, zu beweisen, dass Weinviertel DAC Reserve Weine die besten Weißweine der Welt schlagen können. Und schon im ersten Gespräch mit der verantwortlichen Agentur Culinarium Bavaricum wurde klar: darum ging es auch nicht. Es ging darum, zu zeigen, dass der Abstand viel kleiner als gedacht ist, dass die gastronomischen Einsatzmöglichkeiten vielfältiger als bekannt sind, und dass die vergleichsweise günstigen Preise die Attraktivität zusätzlich steigern. Getreu dem Motto: ‚Wer mit den großen Hunden pinkeln will, muss auch das Bein heben können‘, ging es darum, ein Feld mit anerkannt großen Hunden hinzustellen. Die dazu gepaarten Weinviertler mussten nicht besser sein, sie sollten im Flight eine eigenständige Persönlichkeit darstellen, die mindestens nicht untergeht, eben ‚das Bein hochkriegt‘. Dabei wollten wir auf beide Spielarten abheben: große Ähnlichkeit wie reizvoller Kontrapunkt.
Über die Vorbereitungen in München hat Kollege Harald, der beim Kuratieren half, einen Blogbeitrag geschrieben. Beim Budget gab es Einschränkungen, die ich angemessen fand: Die teuersten Weine im Feld waren ein 2014er Meursault Village von Jean Marc Boillot und der 2013er Chardonnay ‚Bussiador‘ von Aldo Conterno. Ein Teil des Budgets ging lieber dafür drauf, leicht gereifte Jahrgänge zu besorgen, statt den maximalen Flaschenpreis für einen aktuellen Wein zu zahlen. Das war das Angenehme an der Vorgabe: je besser die internationalen Weine dastünden, desto deutlicher würde unser Bemühen verdeutlicht werden, wirklich große Hunde auf’s Spielfeld zu führen.
Neun Flights wurden es schließlich. Und daraus ergaben sich auch für mich einige neue Lieblinge, sowohl bei den internationalen Klassikern, wie vor allem bei den Weinviertel DAC Reserve-Weinen. Ein paar Highlights will ich hier auflisten, falls sich dem einen oder anderen Leser die Gelegenheit bietet, die Weine mal ins Glas zu bekommen. Sie sind bezahlbar und vielfach noch erhältlich.
Weinviertel DAC Reserve – Elite am Start
Im ersten Flight trat Hans Setzers ‚8000‘ aus 2016 an, der mit einem fantastischen 14er Pouilly Fuissee von Roger Luquet symbiotisch harmonierte. Setzer ist aktueller Vorsitzender des Komitees und half mir als Ko-Moderator. Daher konnte ich lernen, dass 8000 die Stockdichte im Weingarten dieses Veltliners ist. Für mich ist das archetypisch Weinviertel DAC Reserve: als ließe man bei einem etwas überambitionierten Kamptaler 20 Prozent der Luft raus: konzentriert, würzig, aber mit Schneid und Fröhlichkeit. Im zweiten Flight durfte ich dann das erste Mal einen Lugana trinken, der mich restlos glücklich machte. Von diesem 15er Brolettino von Ca del Frati (knapp ein Jahr neues Holz) profitierte aber auch der ‚Schatzberg‘ von Manfred Hebenstreit, der exemplarisch für viele der Veltliner zeigte, dass das gebräuchliche, längere Hefelager bei den Reserveweinen wie die Simulation eines vornehmen Holzeinsatzes wirken kann. Die ganz würzige Karte spielte dann der 15er Ried ‚In der Schablau‘ von Ingrid Groiss, der es mit einem aus der Magnum kommenden Weißburgunder Halbstück von Gut Hermannsberg gleichen Jahrgangs aufnehmen musste, um eine typisch deutsche Thematik zu behandeln. Beide Weine kamen sowohl bei der Verkostung in München, als auch in Berlin enorm gut an. Das war beim Bussiador von Conterno ganz anders. In München als Angeberwein abgekanzelt, fand er in Berlin Anhänger. Siebenfache grüne Lese, 10 Hektoliter Ertrag – das sollte man sich irgendwann mal gönnen. Der parallel gereichte ‚Äußere Bergen‘ von Zull konnte (und das war zugegebenermaßen Kalkül) dagegen mit bodenständigem Lokalkolorit punkten. Der fünfte Flight war Spektakel und mein Lieblingsflight in der Vorbereitung. Château Doisy-Daene Sec 2015 ist Wahnwitz in Flaschen. Das riecht und schmeckt neben Sauvignon-Aromen vor allem nach Gummibärchen, Litschi, Kaltgärung, scharfer Vorklärung und Edelstahl. Ist es aber nicht. Feiner Barrique-vergorener weißer Barsac. Daneben konnte der zu 30 Prozent im Holz vergorene Reserve von Pleil ein ganz eigenständiges Profil entwickeln. Mehr Holz als hier soll in einem anerkannten Weinviertel-Wein nicht schmeckbar sein. Viele Diskussionen, aber nur lächelnde Gesichter. Punktlandung. Dann die erhoffte Schwergewichts-WM: Hommage 2016 von Pfaffl, der bekannteste, vielleicht einzige ‚weltberühmte‘ Weinviertel DAC Reserve im Clinch mit einem 2014er Savennieres ‚La Jalousie‘ von der Domaine du Closel – Loire-Chenin wie man ihn viel zu selten trinkt. Die beiden Weine haben unglaubliche Kraft, schmecken fast halbtrocken und sind doch nie plump. Doch der Flight des Tages waren schon wieder die günstigsten – warum passiert das bloß so oft? Silvaner ‚J 40‘ 2012 vom Weingut Zang (18 Euro) versus Weinviertel Reserve DAC ‚Rabenstein‘ aus gleichem Jahrgang vom Weingut Dürnberg (12 Euro) war ein üppiger Traum aus reifer Frucht und Gewürzen. Der sehr gute Meaursault im vorletzten Flight bereitete die Bühne für einen Ausnahme-Weinviertler: Uibel 2013 Reserve Hundsberg. ich habe lange keinen so guten Veltliner getrunken. Im letzten Flight dann die totale Verwirrung um den 2015 RS Kirchberg von Schätzle: Grauburgunder vom Kaiserstuhl aus warmen Jahren kann sehr wie Veltliner schmecken. Da fügte sich der Steinberg von Klein aus gleichem Jahr nahtlos zu einem molligen Finale ein.
Offenlegung: Selbstverständlich erhielt ich für meine Tätigkeit bei dieser Masterclass ein Honorar. Meine Schilderungen der Weine hier sind davon aber unbeeinflusst, was Stammleser hoffentlich herauslesen können.