Den zweiten Tag beginne ich mit den vermeintlich leichtesten Weinen. Es geht an die Mosel. Danach kommen Spätburgunder, Sylvaner und Chardonnay.
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Eine Liste der nicht gezeigten Weine und weitere Erläuterungen gibt es hier
Das Fazit zum Thema Riesling ist auch online
Mosel
Im ersten Flight fünf Weine von Heymann-Löwenstein und es geht gut los: was für eine schöne, süße Nase beim Kirchberg! Am Gaumen klar, karg, spritzig und leichtfüßig, Ausdruck ohne Wucht. Gelungen! Der Stolzenberg etwas ernster, immer noch leicht und mit wunderbar straffer Struktur – eine kleine Steigerung. Der Röttgen packt dann den Hammer aus: Lagentypizität ohne die manchmal übertriebene Opulenz vergangener Jahre, präzise, würzig, tief. Ein erstes Ausrufezeichen. Uhlen-B deutet viel an, ist aber sehr verschlossen, Uhlen-L mit leichtem Stinker in der Nase, vergleichsweise milder Säure, leicht cremiger Textur und einem passenden Tick Süße, ein Schmeichler mit viel Tiefgang und Aussicht auf ein langes Leben. Präzise herausgearbeitete Unterschiede in allen fünf Weinen: eine ehrfuchtgebietende Kollektion.
Clemens Busch deutet Größe an, seine vier Weine zeigen keine Spur der Mastigkeit und übertriebenem Alkohol vieler vergangener Jahre, eine Wiedergeburt in Leichtigkeit, bei der das Baby noch an der Nabelschnur hängt. Marienburg tänzelt zwar schon, ist aber ansonsten verschlossen, Rothenpfad schweigt eisern (kann sein Potential aber nicht verstecken), Fahrlay zeigt vorne tolle Frucht und hinten wunderbare Phenolik, aber auch erst einen Bruchteil dessen, was da noch kommt. Falkenlay dann wie bei H-L ein cremiger, burgundischer Abschluss mit Opulenz, die hier aber passt. Fast so gut wie Heymann-Löwenstein.
Schloss Liesers Wehlener Sonnenuhr ist für mich ein Archetyp, leichtes Zuckerschwänzchen, straffe Struktur, Tiefe, Mineralik/Phenolik, jetzt noch im Tiefschlaf aber verheißungsvoll. Diskussionen dann um S.A. Prüms 2014er Wehlener Sonnenuhr Alte Reben Reserve GG. Wer hat denn diesen Namen zugelassen??? Der Wein ist zudem kaum gesetzlich trocken (sensorisch zumindest). Ich finde ihn erstaunlich fortgeschritten in der Reife, die anderen sind sehr angetan. Die 15er Variante ohne ‚Reserve‘ im Namen gefällt mir besser und ist absolut GG-würdig. Wegelers Sonnenuhr geht in eine ähnliche Richtung, etwas saftiger und zugänglicher. Das Graacher Himmelreich mit seiner würzigen Art ist derzeit für mich der attraktivste der sechs Loosen-Weine, die anderen aber alle auch tadellos. Der Domprobst ‚Prevot‘ von S. A. Prüm mit Grapefruit, zackige Säure, sensorisch ziemlich trocken, stahlig – schön.
Haags Juffer ist stramm, rauchig, sonst verschlossen, sehr trocken, interessant, die Juffer Sonnenuhr ist total verschlossen, gibt nichts Preis, aber Lieblingswinzern erteile ich auch mal Vorschusslorbeeren. Haardts Goldtröpfchen sehr schön, aber einen halben Schritt hinter dem von Kesselstatt, zu dem mir spontan einfällt: würzige Nase, saftiger Wein, großer Wurf. Haardt wird es verschmerzen können, denn der eigentliche Star dieses Flights ist für mich sein Grafenberg. Ultrastraff mit grünem Apfel aber kein bisschen bissig, gekonnt. Auch sein Ohligsberg weiß mich zu begeistern, der den nächsten Flight der bisher fantastischen Moselverkostung eröffnet. Schloss Liesers Niederberg Helden dann tief und lang und vielschichtig, ein Träumchen!
Van Volxems Goldberg, Volz und Scharzhofberger sind mindestens sehr gut, ob sie groß sind vermag ich in der Kürze der Zeit nicht zu beurteilen. Von Othegravens Altenberg springt mich dagegen an: erst erstaunliche Leichtigkeit und dann diese typische, malzig-rauchige Tiefe. Magisch! Dann Geltz-Zillikens Rausch. Hochreife Frucht in der Nase, glasklare Vibrationen am Gaumen, Gänsehaut. Und die dauert an. Wer Angst vor Superlativen hat, wechselt bitte zum nächsten Absatz, denn jetzt wird es euphorisch bis zum Anschlag! Lauer hat im letzten Jahr eine gewisse Fallhöhe hergestellt mit seiner Kollektion. Doch es geht keinen Millimeter abwärts. Vollfruchtig nervig der Kupp, würzig reif der Schonfels, dann Schießpulver in der Nase aber klarste Brillanz am Gaumen beim Saarfeilser – unglaublich gut. Auch der Saarfeilser vom St. Urbanshof vibriert, dass der Verkoster wackelt. Von Othegravens Bockstein ist so fleischig, ich will ein großes Stück abbeißen und stundenlang kauen, auch hier hält der St. Urbans-Hof mit, zitrischer, an der Schmerzgrenze aber noch in meiner Komfortzone. Die bedient auch der Herrenberg von Maximin Grünhaus mit einer Mischung aus Zitrusfrucht und heller Mineralik/Phenolik, die an Klarheit nicht zu überbieten ist. Neun Mal Weltklasse an der Saar. Alles was hier nicht erwähnt ist, lohnt sich trotzdem zu trinken.
Fazit: 49 Weine aus dem Verband Mosel, ein Missgriff bei der Bezeichnung, zwei oder drei fragwürdige Weine, der Rest zwischen solidem GG und absoluter Weltklasse. Was für eine Leistung!
Das waren die Rieslinge. Das Fazit kommt dann morgen.
Spätburgunder
Ahr
Stodden hat einen sehr hübschen Herrenberg gemacht.
Rheinhessen
Kühling-Gillots Kirchenstück sehr extrahiert, tanninstark aber verheißungsvoll, Schloss Westerhaus mit einem überraschend starken (wenn man das so schreiben darf) GG. St. Antony macht tolle Spätburgunder: einen eher kühlen Kranzberg und einen volleren, tieferen Paterberg. Neus kann’s auch: der Pares sehr röstig und tannindominiert, darunter Eleganz und feine Säure, eher leise aber vielversprechend, der Horn fruchtiger, lauter, zugänglicher aber nicht plakativ.
Häufig tippe ich, während ich einen Wein probiere, noch den Text zum Vorgänger. Der 2013er Brunnenhäuschen von Gutzler funkt mir gerade dazwischen, sendet die Botschaft ‚Hallo, ich bin ganz schön gut‘. Recht hat er. Gutzlers 2013er Morstein dann etwas weniger ausdrucksstark aber immer noch ‚Wow!‘ (Hofschuster sieht es anders herum). Kellers 2013er Version der Lage riecht etwas vordergründig-krautig, kann am Gaumen aber mit toller Struktur entzücken – Hammer! Battenfeld-Spaniers Kirchenstück dann wieder der Ritt auf der Rasierklinge. Ob diese Konzentration gut reift, muss die Zeit zeigen. Zweifel müssen erlaubt sein. Wenn’s aber gut geht, wird es groß.
Pfalz
Die Knipsers ‚ziehen ihr Ding durch‘. Erstens politisch: Sie zeigen dieses Jahr ihre Weine des Jahrgangs 2012, zweitens stilistisch. Wer Knipsers Stil mag (Ja, hallo! Hier! Fanclub!) der wird Burgweg und Mandelpfad mögen. Kirschgarten soll mit Macht ein burgundischer Weltklasseburgunderburgunder werden. Der Fanboy hofft, dass die Gleichung aufgeht, bewahrt sich aber professionelle Skepsis. Philipp Kuhns 2013 Steinbuckel und Kirschgarten sind von großer Klarheit und gefallen mir ausnehmend. Bergdolt St. Lamprechts Kalkberg solide, geerdet, dabei sehr angenehm und auch tief. Rebholz‘ 2011er Im Sonnenschein ist leise, kein Probenwein, deutet aber Gesprächsbereitschaft bei einem langen Kaminabend an. Siegrists Kalmit ist ein typisch Deutscher Vollgas-Spätburgunder. Ich mag das (auch wenn der Winzer jetzt vermutlich beleidigt ist, weil alle deutschen Spätburgunderwinzer ja burgundische Burgunderburgunder machen wollen). Einer, der diesen Stil in der Vergangenheit geprägt hat, tritt ein bisschen auf die Bremse: Friedrich Beckers 2013 Heydenreich präsentiert sich etwas zurückgenommen, subtil und fein. Der 2013 Kammerberg auch leiser als letztes Jahr, aber mit wunderbarer Struktur. 2013 Sankt Paul schließlich ist ein typischer, richtig guter Sankt Paul aus einem guten Spätburgunderjahr – wenn DAS kein Superlativ ist! Bernhart hat es als letzter im Flight schwer, dabei wird sein ‚Rädling‚ doch nun das gefühlt hundertste Jahr in Folge immer feiner.
Franken
Wie letztes Jahr ein Flight und wie letztes Jahr Begeisterung, vielleicht 10% Abzug, aber 2013 kann man auch nicht steigern. Schlossberg von Fürst ist unendlich opulent und dabei doch so elegant – und was für eine fantastische Frucht. Benedikt Baltes (Stadt Klingenberg) mit weniger Holz als im letzten Jahr – das muss nicht schlechter werden! Fürsts Centgrafenberg ist sehr gehobenes Niveau aber man muss nicht auf die Knie fallen, was ja auch mal ganz schön ist. Beim Hundsrück ist da dann aber doch auf einmal diese Struktur mit den sublimen Botschaften, die einen in Atemnot bringen. Weltklasse. Schmitt’s Kinders Sonnenstuhl ist dieses Jahr etwas krautig und nussig und ein bisschen schräg – aber nicht uncharmant. Und dann kommt Zehnthof Luckerts Maustal um die Ecke und ruft ‚Jungs, vergesst den Trinkfluss nicht‘. Der liefert von allem das beste und hat dermaßen Zug – wenn ich könnte, wie ich wollte, dann häuften sich ab jetzt hier die Tippfehler. Wahnsinnswein. Lieber schnell in die Mttagspause.
Rheingau
Sieben Weine, alle mindestens tadellos. Diefenhardts Schlenzenberg fest, klar, mit schöner Struktur und kühler Eleganz, Hans Langs Hassel: feines Holz, tolle Säure, könnte in Sachen Frucht noch etwas geschliffener sein aber wirklich gut. Der Berg Schlossberg der Staatsweingüter derzeit sehr holzig aber von so beeindruckender Struktur, der könnte mal groß werden. Künstlers Höllenberg auch, der schmeckt jetzt noch ein bisschen nach ‚viel gewollt‘ stimmt mich aber zuversichtlich. Und dann der Höllenberg von den Staatsweingütern: Ich habe ihn heute zum zweiten Mal im Glas und mich mit diversen Kollegen beraten, also lehne ich mich aus dem Fenster: schlank, röstig, tolle Säure die mit satter Frucht und feiner Mineralik ein perfektes Gerüst bildet. Weltklasse.
Württemberg
Sehr viel gutes, nur wenig herausragendes beim Spätburgunder aus diesem Gebiet. Kistenmacher-Hengerers Stiftsberg angenehm schlank und fokussiert. Graf Neippergs Schlossberg geht in eine ähnliche Richtung, wäre groß, trüge er nicht so viele Kaffeearomen mit sich herum. Dautels Schupen gibt Vollgas mit viel Säure und nicht so viel Holz, das könnte was werden. Aldingers Gips probiert sich schwierig, deutet aber viel an, Vertrauensbonus! Zum Schluss noch Haidles Burghalde: klasse Säure, klare Frucht, viel Holz – Zuversicht. Ellwangers Lichtenberg flößt mir ebenfalls Vertrauen ein.
Baden
Den Anfang macht ein Flight voller unspektakulärer aber durchaus GG-würdiger Weine. Einzig das Weingut der Stadt Lahr ragt mit seiner Kirchgasse etwas heraus: viel Frucht, schönes Holz, macht jetzt schon Spaß auf gehobenem Niveau. Dann kommt der Huber-Flight. Ich falle nicht in Ekstase, aber das ist schon eine eigene Liga in Baden. Bienenberg elegant und fein, Schlossberg etwas üppiger und eine extrem präzise Sommerhalde – großes Kino. Danach eine Phalanx von Weinen, die ich nicht anders als altmodisch nennen kann. Gekochte oder leicht diffuse Frucht und das Motto ‚Viel hilft Viel‘ ist eine Art Spätburgunder zu machen, die wirklich ordentliche, aber eigentlich nie große Weine hervorbringt. Franz Keller, Salwey Der Markgraf von Baden und das Staatsweingut Freiburg gehen auf Nummer sicher. Dr. Heger widmet sich der Präzision der Frucht und Kraft der Säure, haut beim Schlossberg aber so kräftig mit dem Holzhammer drauf, dass der Wein ein paar Jahre brauchen wird, bis er sich wieder aufgerichtet hat. Könnte dann groß werden. Beim Vorderer Winklerberg ist das Holz weniger ausgeprägt. Stiglers Winklerberg Pagode wirkt präzise, fokussiert, mit viel Säure und wenig Holz.
Fazit: Spätburgunder war ein bisschen anstrengend.
Silvaner (Franken)
Die Weine haben teils viel Alkohol und sind mächtige Geschosse, die sich nicht als Solo-Wein eignen. Hinweis für unregelmäßige Leser: Ich mag die fetten Schnecken gelegentlich sehr gerne und habe ein Bibergebiss (= kann neues Holz im Weißwein gut vertragen, außer vielleicht beim Riesling).
Der erste Flight eher unauffällig, Bürgerspital, Staatlicher Hofkeller, Fürst Löwenstein, Schwab, alle sehr schön. Michael Fröhlichs Am Lumpen 1655 erst unauffällig, fächert dann im langen Abgang mächtig auf. Beeindruckend. Horst und Rainer Sauer unterscheiden sich deutlich, zeigen aber beide einen Am Lumpen 1655 der gehobenen Art, Horst derzeit komplexer, Rainer mit animierendem Esprit. Ludwig Knolls Stein ist sehr gut, könnte aber etwas spritziger sein (kann er natürlich nicht, weil das Wetter das nicht wollte, es täte ihm aber gut). Bickel-Stumpfs Mönchshof der König des zweiten Flights. Der ist beißend mineralisch/phenolisch und zeigt vibrierendes Spiel, groß. Zehnthof Luckert finde ich sehr gut, mehr nicht, was im Zusammenhang mit der Monsterkollektion des Weinguts kaum vorstellbar scheint. Weltners Küchenmeister ist schön, vor allem im Abgang vielversprechend. Beim Schlossberg des Fürstlich Castell’schen Domänenamtes war Rubens Kellermeister: cremig, mollig, wollüstig.
Und dann der letzte Flight. Das Juliusspital zeigt zwei 2014er, die das Warten wert waren. Der Julius-Echter-Berg ist weltklasse. Was für ein fokussierter, tiefer Silvaner, der klar und gleichzeitig würzig ist. Wunderbar. Der Stein ist dem ähnlich. Silvaner wie ich ihn liebe. Lieben wäre für die letzten beiden Weine zu verhalten. Anbeten! Rudolf Mays Rothlauf und Langenberg „Himmelspfad“ sind Dolby-Surround-Silvaner. Einen Schluck nehmen, zurücklehnen und in mich hineinhorchen. Die Eindrücke kommen aus allen Richtungen, ungefähr eine Minute lang. Jede Zelle meines Körpers ist glücklich…
Chardonnay (Baden)
Immerhin acht Chardonnays gibt es dieses Jahr. Zwei davon kommen von Huber. Der 2014er Bienenberg und Schlossberg ist das beste, was es aus dieser Rebsorte je in Deutschland gegeben hat. Unfassbar. Im Bienenberg feines Holz, dass aber nicht diese cremigen Buttertöne hervorgerufen hat: etwas Nuss, rasiermesserscharfe Säure in der richtigen Dosis, Frucht, Mineralik/Phenolik, was für eine Präzision, ewig lang. Der Schlossberg etwas mehr Holz, etwas süßere Frucht, etwas verhaltenere Säure, trotzdem: diese Feinheit! Unfassbar gut! Daneben kann leider nichts bestehen. Staatsweingut Freiburgs Doktorgarten? Sehr hübsch, aber ist noch was von dem Huber da? Der Winklerberg Pagode von Stigler (dieses Weingut muss ich mir merken, die spuken ständig in meinen Berichten rum) spielt in einer ganz anderen Liga, bei den fetten Schnecken nämlich, da aber auf einem der vorderen Plätze. Allein, ist noch was vom Huber da? Der Schlossberg von den Freiburgern spielt in dieser Liga auch um die vorderen Plätze, aber naja, Sie wissen schon… Huber? Noch ein kleines Schlückchen vielleicht? Bitte bitte?
Die Eindrücke lesen sich sehr zerfahren – die Fülle der Weine und die zahllosen Geschmackseindrücke sind offenbar zu viel für eine seriöse Einordnung der Weine. Interessant wäre eine ex-post-Analyse aus einem gewissen zeitlichen Abstand, die stärker differenziert.
Das ist halt live, da soll die Fülle der Eindrück ungefiltert weitergegeben werden – und die Analyse kommt selbstverständlich. Muss ja nicht entweder oder sein, es geht auch sowohl als auch.