Wiesbaden GG

Wiesbadener GG-Vorpremiere 2024 – das Fazit

Die Messe ist gelesen. Zeit für ein Fazit. Wie sind sie denn nun die Jahrgänge – oder zumindest die vorgestellten Weine? 

Über 500 Weine durfte ich in Wiesbaden verkosten. Die Berichterstattung war in (nahezu) Echtzeit allen interessierten Weinfreunden zugänglich. Ich habe dafür vier arbeitsreiche Tage aufgewendet, bin auf eigene Kosten an- und abgereist und habe eine der drei Übernachtungen selbst getragen. Das geht auch dank der Hilfe meiner Steady-Unterstützer. Für diese exklusiv gibt es anschließend meine Arbeitsmappe mit den Notizen zu allen Weinen und es gibt den direkten Zugriff auf das Fazit. Alle anderen müssen 14 Tage warten, dann rutscht die Zahlschranke ans Ende zur Arbeitsmappe.

Die Jahre 2023 (Riesling) und 2022 (Spätburgunder) gaben Winzern in Deutschland flächendeckend die Möglichkeit, großartige Weine zu produzieren und erfreulich viele haben diese Gelegenheit genutzt. Wer jetzt ein ‚Aber‘ erwartet, den will ich nicht enttäuschen: Aber ich glaube, dass Deutschlands Riesling- und Pinot-Trinker heute sehr breit gefächerte Vorstellungen davon haben, was einen Spitzenriesling oder -burgunder ausmacht. Ein bisschen Publikumsbeschimpfung gefällig? Gerne doch: Hört auf zu heulen, ihr Memmen, das ist eine der säurestärksten Rebsorten des Planeten. Die kam früher regelmäßig mit 9 Promille Säure ins Glas. Jetzt heult ihr bei 7,6 schon rum, das sei zu aggressiv? Ihr Pussies!

Wie geht guter Riesling

Etwas weniger polemisch: Die letzten 15 Jahre haben viel mehr klimatische Erwärmung in die Weinberge getragen, als vielen von uns präsent ist. Die Winzer arbeiten dagegen an und werden immer besser. Dabei haben sie – die eigenen Schatzkammern liefern die Vorbilder – einen Stil von großer Frische vor Augen. Aus Winzersicht ist Säure kein bisschen aus der Mode. Diesen Stil erreichte man zuletzt aber nur in schwierigen Jahren, bei denen der Sommer suboptimal lief. Mein Eindruck ist, dass 2023 Weine zeigt, bei denen diese Frische mitsamt straffer Säure mit angenehmer Mühelosigkeit einher ging. Grüne, unreife Noten sind äußerst selten. Die meisten phenolischen Bittertönchen sind genau das: Diminutiv, speicheltreibend, animierend. Wer sich daran stört, der sollte Chardonnay trinken.

Und weil das bei vielen Weinen so noch nicht da war, weiß ich auch nicht, zu was sich das final entwickeln wird. Also habe ich selbst bei den vielen tollen Rieslingen in meinem Glas immer ein bisschen auf die Euphoriebremse getreten. Das Lob in ein paar Jahren noch etwas zu intensivieren ist allemal besser als zurückzurudern. Das sei mir hoffentlich zugestanden.

Beim Spätburgunder habe ich viele besonders gute Weine im Glas gehabt, aber gefühlt weniger als früher haben das gezeigt, was mir an Pinot aus Deutschland so gefällt: Noten von rohem Fleisch (oder Eisen oder Blut, da hat ja jeder seine eigenen Assoziationen). Ja, hiesiger Pinot rückt näher ans Burgund, mit mehr Beeren als Kirschen und erdigen Noten statt Säurebiss und rohem Fleisch. Ist nur nicht ganz so mein Beuteschema. Ich spare mir einen langen Monolog. Das ist was für den Podcast.

Wiesbaden Arbeitsplatz

Gefühlt weniger als früher war auch der Buzz um die GGs. Bevor mich da jemand falsch versteht: Klar hat der Schritt des VDP, ein paar jüngere und sozialmedial aktivere Verkoster nach Wiesbaden einzuladen, eine gestiegene Beitragszahl und größere Reichweite in den Echtzeitmedien bewirkt. Auch die Zugriffe auf meinen Ticker haben gegenüber dem Vorjahr etwas angezogen. Aber das aus Rückfragen oder Kommentaren ablesbare Kaufinteresse scheint mir etwas rückläufig. Warten alle auf eine Preiskorrektur?

Ich habe dieses Jahr in Teilen auch auf das Preis-Leistungs-Verhältnis geschaut. Manche nicht ganz so euphorische Aussage hat ihre Ursache in einem hohen Preis, nicht in mittelmäßiger Qualität. Und einige Weine haben es nicht ins Blog geschafft, obwohl es absolut nichts an ihnen auszusetzen gab, außer dass ich persönlich mehr erwarten würde, wenn ich den aufgerufenen Preis investierte.

Teuer? Ach Gottchen!

Dabei ist die Lage rein wein-technisch noch entspannt. Es gibt in Deutschland in allen Bereichen sehr günstige GGs. Schlörs schöner Weißburgunder kostet keine 30 Euro, Heid (s.u.) kann das noch toppen. Für 1000 Euro bildet man den Jahrgang ab, kauft der interessierte Liebhaber 25 bis 30 Flaschen große Weine in einem Mix aus bekannten und weniger bekannten Lagen, aber ganz überwiegend von Winzern aus der zweiten oder dritten Reihe. Die Frage ist, wer macht das noch? Markenbewusstsein finde ich in der Wein-Bubble reichlich. Deswegen gibt es Konsumenten, die dem GG-Zirkus enttäuscht den Rücken kehren. Also, bevor Sie in Richtung Craft-Beer abdampfen, hätte ich ein paar Vorschläge:

  • Fritz Haags einfaches Juffer GG ist ein großer Name mit großer Leistung zu einem altmodisch niedrigen Preis. Ein bisschen Grans-Fassian beimengen und weil man dann immer noch kaum Geld ausgegeben hat, gönnt man sich ein Püllecken von Clemens Buschs monumentaler Falkenlay (die auch nur eben über 40 Euro kostet). Die Mosel ist preislich in Ordnung.
  • Ratzenbergers St. Jost kostet keine 40 Euro und bietet nicht nur viel im Glas: 60 Grad Hanglage, Tonschiefer, Heldenwinzer. Sollten wir mehr drüber reden (und öfter trinken).
  • Auch im Rheingau gibt es viel preisliche Vernunft. Jesuitengarten von Wegeler für 30 Euro, da kann man sich sogar noch einen Gräfenberg gönnen, der allerdings erst nächstes Jahr auf den Markt kommt (und dann vielleicht die 50-Euro-Marke knackt).
  • 150 Euro pro Flasche? Acham-Magins Pechstein bietet 97-prozentiges Bürklin-Wolf-Feeling zu 30 Prozent des Preises. Sie haben die Wahl!
  • Sich die alten Lieblinge nicht mehr leisten zu können, kommt manchen wie sozialer Abstieg vor, den man sich mit dem Erwerb der preisgünstigen Alternative selber aufs Brot schmiert, weswegen man es lieber sein lässt. Wenn Sie zu diesen Menschen gehören (ich werte nicht), dann weichen Sie doch auf ganz neues Terrain aus. Gehen Sie in den Osten, da werden Sie neben gewaltiger Weinqualität auch noch mit kleinem Hipnessbonus verwöhnt. Denn Böhme & Töchter (Weiß- und Spätburgunder) und Hey (Riesling) sind the next big thing zum guten Preis.
  • Wirsching ist in Franken preislich sehr maßvoll und der Julius-Echter-Berg ein tolles GG. Alternativ gibts den Pfülben vom BüSpi zu 33 Euro. 
  • Aus Rheinhessen habe ich gestern in Berlin Großes verkostet. Dazu nächste Woche mehr. Lassen Sie sich ein bisschen Platz auf der Einkaufsliste.
  • An der Nahe haben die Preise besonders kräftig angezogen, aber auch hier gibt es mit Diels Goldloch großen Sport unter 40 Euro. Dr. Crusius’ Kupfergrube ist ebenfalls nicht zu verachten.
  • Württemberg, Heid, Pulvermächer, Riesling, 25 Euro (letztes Jahr, heuer vielleicht 27?). Wer sich damit nicht beschäftigt, ist selber Schuld.

Guter, günstiger Stoff

GG Gut und Günstig

Zugegeben, beim Thema Spätburgunder fällt eine solche Liste sehr viel karger aus. Aber man kann nicht alles haben. Es gibt genug bezahlbaren, höchstwertigen Wein der GG-Liga in Deutschland. Die Granden allerdings haben ein Niveau erreicht, das man sich schon leisten wollen muss. Dieses Jahr stimmt die Qualität. Trotzdem hört man von Zurückhaltung bei den Reservierungen. Das Thema bleibt uns erhalten. Heute habe ich keine Lust mehr. Heute bedanke ich mich lieber beim VDP und den vielen Helfern, bei den Weingütern und dem netten Barista vor der Tür – für großartige Tage in Wiesbaden.

Anbei die Liste für Unterstützer. Wer neu dabei ist: ‚müsste man mal …‘ ist kurz für ich müsste den Wein sehr viel ausführlicher verkosten, um was Substanzielles über ihn zu sagen. Die Liste ist strikt für den eigenen Gebrauch. Teilen verboten und auch das Zitieren gegenüber Winzern oder in Social Media wäre wirklich kontraproduktiv. Wenn Ihr Fragen zur Liste habt, bitte NICHT hier in den Kommentaren, wo es dann jeder sehen kann, sondern gerne per Mail oder auf der Steady-Plattform.

2 Gedanken zu „Wiesbadener GG-Vorpremiere 2024 – das Fazit“

  1. Möchte ein paar Gedanken zu dem mangelnden „Buzz“ und Kaufinteresse los werden. Ich bin seit 2021 mit Interesse dabei und Vorpremiere war jedes Mal ein Highlight des Jahres, auf das ich hingefiebert habe. Meine Kaufentscheidung hab ich im Wesentlichen davon abhängig gemacht was die versammelte Blogger-Szene als aggregiertes Votum abgeliefert hat. Maximin Grünhaus‘ Abtsberg zum Niederknien – kauf! Heger’s Gras im Ofen Weissburgunder ein Benchmark für die Rebsorte – kauf! Damals befand ich mich noch im Aufbau meines Weinkellers und in meiner Geschmacksfindungsphase. Was mich nie abgeholt hat, waren die nüchternen Beschreibungen welche Aromen im Wein zu finden sind. Das wird bei 400+ Weinen schnell ermüdend. Vielmehr waren es die kurzen Einwürfe was fetzt und wo man unbedingt zugreifen muss. Insbesondere in kurzen Posts auf Insta oder in der Hauptsache Wein Gruppe. Das war für mein Kaufverhalten wesentlich beeinflussender als besagte ellenlange Abhandlungen über alle GGs.
    Dieses Jahr hab ich aber feststellen müssen, dass die Vorfreude ziemlich gedämpft war. Der Keller ist mittlerweile auf 600 Flaschen angewachsen und ich stell mir schon jetzt die Frage: wer soll das alles trinken? Vieles von dem, was ich die letzten Jahre gekauft habe (mengenmäßig eh häufig nur 2-4 Flaschen pro Wein) liegt immer noch im Keller ohne dass ich ernsthaft dran denke das zeitnah zu öffnen. Irgendwann ist die Einsicht gereift dass ich nicht jedes Jahr ordern kann, da bald der nächste Release von xy oder das nächste Paket von irgendwas angeboten wird. Gefühlt prasselt gerade ein Monsun von Angeboten aus allen Teilen der Welt ein, dem ich als einzelner Konsument mit Rücksicht auf meine Gesundheit und mein Bankkonto gar nicht gerecht werden kann.
    In dem Sinne habe ich mir dieses Mal Zurückhaltung auferlegt. Lediglich von St. Antony gab es einen Schwung GGs, aber die scheinen ja (leider) nicht anwesend gewesen zu sein.

  2. Super! Vielen Dank für das Teilen deiner Eindrücke und der Liste mit allen Details. Bei manchen Beschreibungen muss man schon etwas schmunzeln 🙂

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