Am heutigen Montag stehen dann auch Rieslinge zur Verkostung. Da die Mitstreiter aber noch in den Betten liegen, fange ich mit Spätburgunder von der Ahr an, den hat Sam Hofschuster gestern bereits verkostet. Rieslinge dann etwas später.
Hier geht‘s zu den weiteren Weißweinen vom gestrigen Tag.
Spätburgunder
2018, wenn nicht anders angegeben.
Ahr
An der Ahr gehört auch der Frühburgunder dazu, allerdings stehen davon nur drei zur Verkostung an. VDP-Neuzugang Burggarten fließt ins erste Glas und gibt ein sehr gutes Wiesbaden-Debüt. Angenehm blumige Nase, schöne Frische am Gaunem und Grip im Abgang, dazu die aromatische Klarheit, die Frühburgunder (zu) oft vermissen lässt. Toll. Der Hardtberg von Kreuzberg ist eine Nuance verhaltener, kommt aber gut mit, vor allem, was die Frische angeht.
Die Spätburgunder starten mit der Landskrone vom Deutzerhof und straffer Frische, präziser Frucht und Nullkommanull Marmelade. Das finde ich richtig gut. Das zweite Glas bleibt leer, Stodden hat seinen Sonnenberg zurückgezogen. Bleiben noch zwei aus der Lage: H.J.Kreuzberg mit klarer Frucht und ganz viel Bleistift (Späne wie Mine) und Meyer-Näkel hart am Wind der Unreife segelnd mit Tomaten-Paprika-Paste in der Nase und minimal grünen Noten am Gaumen. Wenn das gut geht, bringt es Zug und Frische und bei diesem Wein geht es gut. Ich mag den sehr. Ich habe 2017 und 2018 die Weine der Ahr für den Gault&Millau Weinguide verkostet und bin damals zum Deutzerhof-Fan geworden. Der letzte Wein im ersten Flight erinnert mich wieder daran, warum. Das Kirchtürmchen hat so viel Zug und Präzision, tolles Holz und ganz viel Tiefe – großartig. Die Ahr hat es 2018 offensichtlich besser gehabt als Baden und Württemberg.
Der zweite Flight bringt soliden Stoff für Ahr-Fans. Kreuzbergs Silberberg ist aus ähnlichem Holz geschnitzt wie Meyer-Näkels Sonnenberg, deren GG wiederum hier im Silberberg etwas reifer daherkommt. Der Kräuterberg von Meyer-Näkel gefällt mir auch, wird aber um eine Nuance vom Burggarten abgehängt, deren Kräuterberg für mich der schönste Wein des Flights ist. Gibt sich aber alles nicht viel, die Ahr liefert 2018 typische Ahr-Weine aus einem anscheinend wirklich gutem Jahrgang.
Adeneuers Alte Lay hat was wunderbar Blutiges, großer Wurf. M-Ns Pfarrwingert sieht danach kleiner aus, als er ist – auch empfehlenswert. Mönchberg und Eck vom Deutzerhof zeigen wieder, was für ein Händchen fürs Holz die haben. Ein toller Flight, in dem zwei Weine nur mitlaufen dürfen, Herrenberg und Mönchberg (Versteigerung) von Stodden. Dem ist irgendwie die Präzision vergangener Tage verloren gegangen.
Die Ahr liefert äußerst solide und darf sich auf die Schulter klopfen, den richtigen Neuzugang akquiriert zu haben. Mir klopft derweil Kollege Truszkowski auf die Schulter und meldet sich zum Dienst. Also heißt es Gläser spülen, ins Brötchen beißen und zu den Frühstücksweinen wechseln.
Riesling
2019, wenn nicht anders angegeben.
Mosel
Morgenstund hat Gold im Mund – und Kuhstall in der Nase, denn bei Heymann-Löwenstein stinkt‘s dieses Jahr im Glas. Ich mag das und die Weine auch: Kirchberg opulent, aber nicht gemästet; Stolzenberg etwas straffer und Röttgen mit dem gewissen Strahlen im langen Abgang. Vierter im Flight ist Knebels Röttgen, der recht fleischig riecht und kräutrig schmeckt. Ich finde den sehr gut, aber möchte jetzt schon wetten: das wird mal wieder Diskussionen geben. Toller erster Flight.
Mit ‚mineralisch fest‘ ist Knebels Uhlen nur unzureichend besungen. Da spielen nicht Süße mit Säure, sondern Frucht mit Steinen. Grandios. In diesem Flight ‚kräutert‘ H-L dafür in der Nase. Der Uhlen-Blaufuß mit festem Kern in opulenter Ummantelung, wenn der in der Reife nicht breiter wird, ist das große Klasse. Uhlen-Laubach mit endloser mineralischer Tiefe und komplett von Plüsch befreit. Der Generationenwechsel wird schmeckbar. Uhlen-R dann ein Rückfall in vergangene Zeiten, was aber eher daran liegen dürfte, dass das der erste 18er-Riesling des Tages ist.
Dann ein ganzer Flight Clemens Busch mit fünf Weinen, die Clemens-Busch-Fans in Ekstase versetzen werden. Ich gehöre dem Clan ja schon seit ein paar Jahren nicht mehr an und will hier nicht den Party-Pooper geben (und außerdem sind drei 2018er dabei, deren Opulenz gar nicht zu verhindern war). Also: Clemens Busch in Höchstform (und seinen Rothenpfad würde auch ich nicht von der Bettkante schubsen).
Gleich das nächste Lieblingsweingut hinterher: Dr. Loosen. Auch hier werden Fans bestens bedient. Treppchen und Würzgarten sind Weltklasse, wenn man bereit ist, der Mosel eine GG-Extrawurst zu braten. Wer allerdings auf Attribute wie trocken, straff und präzise besteht, fängt eventuell an zu hadern. Kinheimer Rosenberg kommt nicht ganz mit und die Lösnicher Försterlay (Hand aufs Herz, die Lage kannten sie bis heute nicht, oder?) hat ihren GG-Status mit diesem Wein nicht unbedingt zementiert. Aber tolle Moselrieslinge sind das alle vier.
Im nächsten Flight noch ein weiterer Loosen und bei der Wehlener Sonnenuhr werd auch ich schwach. Angenehm trocken, feinste Phenolik, viel Tiefgang. Die gleiche Lage von Wegeler hat ein feines Bitterl, das den Wein sehr belebt. Kesselstadts Josephshöfer ist ein 2018er Bulle, ein Monster, aber dann wieder so mineralisch, dass ich das Geschoss interessant finde. Schloss Liesers Graacher Himmelreich als Hai im Walfischbecken: das hat Zug und phenolische Frische, richtig schlank ist aber auch das nicht. Dann noch zwei Mal Weltklasse für diejenigen, die diese Art Weltklasse mögen: Himmelreich und Domprobst von Loosen.
Mehringer Layet vom St. Urbanshof löst bei mir Kaureflexe aus. Man ist das vielversprechend, aber im Moment noch sehr verschlossen. So, und jetzt mal ganz im Ernst: Dr. Loosen, Bernkasteler Lay. Das ist großes Kino, Ich habe eine Gänsehaut beim Tippen, weil ich an Sachen wie Präzision, Fokus, mineralische Frische, die von der Frucht nicht überdeckt wird und so weiter denke. Bei seinem Bernkasteler Johannisbrünnchen GG denke ich da eher nicht so dran. Da grüble ich, warum mir diese weltberühmte GG-Lage bisher nicht begegnet ist. Von neun vorgestellten Loosen GGs könnte man vier ruhig auf Erste Lage zurückstufen. Die deutsche Weinkultur würd‘s überleben. Letzter Wein im Flight: Lieser Niederberg Helden von Schloss Lieser. Eher warme Aromatik, sehr gut.
Haag total im nächsten Flight. Fritz Haag (geführt von Sohn Oliver) mit einer guten, klassischen Juffer und einer großartigen – weil feiner, leiser und länger – Juffer-Sonnenuhr. Reifer, malzig, ganz anders die Juffer-Sonnenuhr von Bruder Thomas, Inhaber des Weingutes Schloss Lieser. Auf der molligen Seite von Großartig. Dann wieder Fritz-Oliver mit seinem Versteigerungs-GG Juffer-Sonnenuhr ‚Im Falken‘. Und jetzt sind wir wieder da, wo wir beim Uhlen L und Knebels Uhlen vorhin waren: ganz ironiefreie Weltklasse. Setzt auf die schon feine Juffer-Sonnenuhr noch mehr Feinheit und eine ganz feine Kreidenote drauf und singt dazu ein Liedchen. Sein Paulinshofberg stinkt dagegen ab, ist aber wohl eigentlich auch ganz gut. Grans-Fassian komplettiert den Flight mit einem Hofberg der Kategorie Monster-Säure, was zwischendurch ganz gut tut.
Ein Stück den Fluss hinauf macht Thomas Haag/Schloss Lieser dann seinen besten Wein: Piesporter Goldtröpfchen mit Zug und Tiefgang, mineralischem Finish bei angenehmer Fruchtigkeit. Toll. In der Leiwener Laurentiusley baut Nik Weis vom St Urbanshof einen kuriosen Wein: der riecht nach Botrytis, hat das milde Mundgefühl eines BSA-Weines, wirkt im Abgang wie ein guter Meursault aus feinem Holz und ist doch die ganze Zeit als Riesling erkennbar. Das muss man mal probiert haben.
Maximin Grünhaus Abtsberg und Herrenberg sind leise und fein, sehr gut, aber auch schwer zu unterscheiden. Von Hövels Hütte (die Lage, nicht seine Bude) ist erstaunlich schmelzig, aber nicht zu weich. Gefällt mir. Van Volxem liefert im Goldberg ein grundsolides GG – ebenso im Altenberg, Gottesfuß und Volz.
Von Othegravens Altenberg sehr typisch, also kräftig, aber nicht fett, mit dieser leicht rauchig-geheimnisvollen Mineralik. Bin ich seit jeher ein Fan von. Der Kupp aus gleichem Hause – dieses Jahr ein Versteigerungswein – ist die etwas fröhlichere Interpretation eines Riesling GGs.
Fünf Scharzhofberger in Flight 15. Kesselstadt schmeichelnd, von Hövel leicht blumig und sehr elegant, van Volxem mit einem karg-steinigen Monolithen, der mich packt und die anderen Flight-Weine überstrahlt, auch die beiden aus der ‚Pergentsknopp‘-Parzelle (Kesselstadt (2018), van Volxem).
Mein ‚Kupp‘ von Lauer ist zu warm, zeigt daher wenig Biss, ist ansonsten tadellos. Der Schonfels ist bei besserer Temperatur sehr kompakt, fest und ein Wein zum kauen. Und dann hat der Wein eine Länge! Ich bin beeindruckt. Der Ockfener Bockstein hat 2019 anscheinend eine Extraportion Sonnenschein abbekommen, denn so warm und üppig habe ich ihn selten erlebt, völlig egal ob von von Othegraven, van Volxem oder St. Urbanshof.
Feils von Lauer ist erstaunlich süß in der Frucht und sehr zugänglich. Und dann zum Abschluss noch ein kleines Highlight. Zillikens Rausch mit tropischer Exotik, aber viel Zug am Gaumen. Gefällt mir außerordentlich.
Fazit: Es gibt Riesling-GGs und es gibt Mosel-GGs. Wenn Sie sich auf die Unterscheidung einlassen mögen, gibt es an der Mosel viel zu feiern. Andernfalls ham‘se was zu meckern.
Nahe
Im direkten Vergleich der beiden Münster-Sarmsheimer von Kruger-Rumpf wirkt der Im Pitterberg ziemlich süß, kriegt zum Abschluss immerhin die mineralische Kurve. Sein Problem ist der Wein davor: Der Dautenpflänzer ist straff, gelbfruchtig, fein, lang und ganz schön groß. Diels Pittermännchen ist dunkel, würzig, sehr tief und ernsthaft, ‚der hat überhaupt keine Schminke mehr‘ ruft Hofschuster über den Gang – und hat Recht. Großartig. Joh. Bapt. Schäfers Version ist ganz anders, gefällt mir aber ähnlich gut: unter einem Sponti- und Hefeteppich liegt präzise Frucht und tolle Struktur. Dreifach großes Kino im ersten Flight.
Das Goldloch zeigt: so ein klein bisschen Schminke gibt es auch bei Diel manchmal. Das ist aber nur im Antrunk bemerkbar, zum Abgang wird‘s dann wieder rauchig, tief und unglaublich gut. Und dieses Mal kommt Schäfer nicht mehr mit, sein Goldloch ist aber immerhin ein sehr gutes GG mit viel Potential. Burgberg (2018) ist das ‚hellste‘ der drei Diel-GGs, gelbfruchtig und eher stahlig, mit kreidiger Phenolik im Abgang ist es der erste 2018er, den man nicht sofort als solchen erkennt. Durchaus ähnlich, obwohl 2019, der Wein von Kruger-Rumpf aus gleicher Lage, der etwas blumig-bunter wirkt. In fünf Jahren wird man davon nichts mehr merken und ein Vergleich der beiden Weine sollte hochspannend sein. Dönnhoffs Höllenpfad im Mühlenberg und Krötenpfuhl kommen nicht ganz mit und würden doch in vielen anderen Flights das Treppchen erklimmen. Ein Flight aus der Champions-League (Gruppenphase).
Klare Frucht und fester Kern, so kann man fast jedes junge Crusius-GG beschreiben, doch beim Mühlberg im Rotenfels ist der Kern so vielschichtig, deutet so viel Potential an, dass ich noch ein Wort zur Beschreibung hinzufügen muss: wunderbar! So unruhig die beiden Dönnhoffs im Flight zuvor waren, so saftig, geordnet und charmant, dank kantiger Säure aber nicht belanglos ist das Dellchen. Man hat das Zug. Der Rotenberg von Gut Hermannsberg wirkt danach ein bisschen weich, hat aber enorm Substanz. Sollte man nicht unterschätzen.
Die Hermannshöhle von Dönnhoff müsste ich länger im Glas haben, um mir ein qualifiziertes Urteil zu bilden, denn einerseits wirkt sie sehr typisch, andererseits wirkt die Frucht ungewöhnlich süß. Dafür ist die Brücke selbsterklärend: ‚Hallo, ich bin ein richtig gutes GG aus dem Hause Dönnhoff!‘ Klare Frucht, rauchige Mineralik, stolze Säure für ein gerades Rückgrat. Ich finde das auf kräftige Art nobel.
Schäfer-Fröhlichs Kupfergrube mit viel Schwefel für ein langes Leben, darunter süße Frucht und schöne Säure, die ein Tänzchen wagen – normalerweise nicht die erste Assoziation, die Weine dieses gutes bei mir hervorbringen, aber Hauptsache der Wein ist gut. Crusius Felsenberg danach ist dann vor allem saftig. Idealer Reparaturwein. Große Klasse. Dönnhoff, Gut Hermannsberg und Schäfer-Fröhlich tuten bei ihren Kupfergruben durchaus ins gleiche Horn, aber Crusius ist der straffste der vier (und klar, das ist ein bisschen verkehrte Welt).
Schäfer-Fröhlichs Felseneck ist dann auch rihtig straff, zeigt ganz viel Potential und will – wie viele der Weine aus den letzten Flights – besser über Tage verkostet werden. Ich halte den aber auch nach Minuten schon für den besten bisher gezeigten S-F. Daran ändert auch der etwas weichere Stromberg im nächsten Glas nichts, den ich aber äußerst charmant finde. Emrich-Schönlebers Frühlingsplätzchen wirkt jetzt zwar auch ein bisschen charming, baut aber eine phenolische Wand auf, die Reifezeit erst einreißen muss, bevor der Blick frei wird. Ich glaube an eine gute Zukunft. Auch der Halenberg von E-S ist dieses Jahr besonders verschlossen. Der ist extrem typisch und ganz sicher groß, aber ob er ganz groß ist, das lässt sich in der Kürze der Zeit nicht bestimmen. Schäfer-Fröhlichs Wein aus gleicher Lage ist so unruhig, dass ich gerne zugebe, an die Grenzen meiner Verkosterfähigkeiten zu stoßen.
Fazit: An der Nahe viele großartige Weine, doch sämtliche Winzer nehmen sich mit mindestens einem GG eine (kleine) Auszeit – außer Caroline Diel, die drei Fehlerlose vorlegt und folgerichtig im Finale gegen sich selbst antreten muss.
Rheinhessen
Bischel macht guten Wein. Deswegen durften sie in den VDP. Und jetzt machen sie gute GGs. Letzteres ist keine Selbstverständlichkeit, also dachte ich, ich erwähne es mal. Anlass ist der erste Rheinhessen-Flight, in dem der erste Wein, Bischels Scharlachberg, ziemlich fruchtig anfängt um dann mitsamt einem animierenden kleinen Bittertönchen ins Mineralische zu kippen. Das erzeugt Spannung – und Freude beim Verkoster. Kruger-Rumpf kann das mit dem Scharlachberg auch ganz gut. Hier hält die knackige Säure die Frucht im Zaum. Wagner-Stempel wiederum legt der Frucht sofort einen Mund-Nase-Schutz aus Würze an – ungemein kleidsam. Was besser ist, können wir in zirka acht Jahren diskutieren. (Spaß beiseite: dafür liebe ich diese Veranstaltung, wenn drei Winzer, die wissen wie das geht, die gleiche Lage ganz unterschiedlich interpretieren. Leider gibt es das immer seltener, weil die Lagen in immer kleinere Parzellen zerlegt werden.) Bischels Hundertgulden ist straffer und strenger als der Scharlachberg – und er hat Punch. Wieder sehr gut. Gunderlochs Rothenberg mit der typisch malzig-rauchigen Aromatik der Lage und wunderbar steinigem Abgang. Ganz viel Potential.
Der Pettenthal aus gleichem Hause ist ebenso typisch: heller in der Aromatik, kreidig statt rauchig, frischer, aber für 90 Prozent der Menschen auch kleiner. Ich bin da anderer Meinung, hab aber auch vier Mal mehr Pettenthal als Rothenberg im Keller, also nehmen Sie mich besser nicht zum Maßstab. Gleiche Lage, Kühling-Gillot: ein bisschen weicher, ein bisschen ‚dreckig‘ (umstrittenes, ausnahmslos positiv gemeintes Attribut) und sehr gut. Schätzel, eigentlich für das Thema ‚dreckig‘ zuständig, legt seinen diesmal klar und saftig an. St. Antony hat tatsächlich eine Mischung aus Schätzel und Kühling-Gillot gebaut. Um hier einen Sieger zu küren, müsste ich mich ein paar Stunden mit den Weinen einschließen und man, wäre das ein Vergnügen. Tolle Weine. Kühling Gillot Ölberg wieder etwas weicher beim Ölberg, während Schätzel sich traut, krass Säure ins Spiel zu bringen – wieder zwei spannende, unterschiedliche Interpretationen der gleichen Lage.
Im Hipping finde ich Schätzels Säure gewöhnungsbedürftig, Hier hat der Kühling-Gillot feinste Phenole, die die weiche Säure unterstützen und mir Hoffnung auf eine große Zukunft machen. Gunderloch zeigt mehr Säure und dazu ganz viel Substanz. Ein Kopf an Kopf-Rennen. St. Antonys Orbel ist in der Säure wieder moderat, am Gaumen aber sehr würzig, auch das finde ich spannend.
Gutzlers Liebfrauenstift Kirchenstück mit etwas Frucht und ganz viel Phenolik, samt akzeptablen Bittertönchen, Wiedervorlage in einem Jahr, dann weiß man mehr, ich tendiere zu Euphorie. Bischels Heerkretz sehr gelbfruchtig, mit zackiger Säure, müsste ich länger im Glas haben, um final zu sagen, ob er so gut ist, wie der erste Eindruck. Bei Wagner-Stempel ist das leichter: etwas wärmere Aromatik, viel Tiefe, Substanz und Potential. Ähnliches gilt für seinen Höllberg, der eine ganze Ecke saftiger ist. Zwei tolle Weine.
Battenfeld-Spaniers Frauenberg ist großes Kino – in zehn Jahren. Alle Anlagen sind da und jetzt kriegte ich keinen Schluck davon runter, so soll das sein. Im Ernst: das hat Tannin, das trocknet aus, aber das ist null bitter, hat schöne Frucht, aber keinen dienenden Zucker und zupackende Säure. Das wird! Wittmanns Aulerde hat ähnliche Anlagen, ist aber vielleicht zwei Jahre früher trinkreif und kriegt dann einen Punkt weniger (zum Glück haben bis dahin alle meine großspurige Prognose vergessen). Battenfeld-Spaniers Kirchenstück legt unter vergleichbares Potential noch eine rauchige Note – im letzten Flight des Tages geht es noch einmal hoch her. Wittmanns Kirchspiel kontert mit viel gelber Frucht. Vier wahrhaft Grosse Gewächse.
Brunnenhäuschen von Wittmann wieder etwas karger als das Kirchspiel, tolle Säure, viel mineralischer Biss, Riesling ‚in your face‘ um mal modern zu sprechen, oder altmodisch: umwerfend. Dann drei mal Morstein. Gutzler mit charmanter Nase und viel Saft am Gaumen, fruchtig aber nicht süß und im Abgang dann mit dem nötigen Ernst, sehr gut. Keller mit leichtem Schwefelstinker in der Nase, am Gaumen mit reifer Frucht, ansonsten ziemlich verschlossen, leicht malzig, mit einem festen Kern, den man lange kauen will. Hat Potential für ein langes Leben und große Klasse. Wittmanns Wein aus der Lage ist ein superduperklassischer Wittmann-Morstein. Schnappatmung, weil das jetzt schon so gut ist. Wer das kriegt, muss eine Flasche noch vor Weihnachten trinken. Das ist ein Befehl. Totale Begeisterung. Battenfeld-Spaniers Zellerweg am schwarzen Herrgott fällt aus dem Rahmen: ganz würzig mit wenig Betonung auf Frucht, anders als die meisten Weine aus dem Hause eher knackig. Bei dem macht die Flasche vor Weihnachten keinen Sinn, ihn zu kaufen aber in jedem Fall. Ein weiterer Gigant in einem gigantischen Flight.
Fazit: Olli Kahn würde sagen: In Rheinhessen haben die Winzer Eier! Lauter Typen, die einen klaren Stil entwickelt haben und jetzt Ihr Ding durchziehen. Da denkt man eine Sekunde: Wer bin ich, hier jetzt Sternchen und Tadel zu verteilen? Aber halt nur eine Sekunde, denn wozu sonst sitze ich hier (und lesen Sie das)? Also: Wittmann, Klasenprimus, aber Schätzel kriegt eine Eins in Kunst…
Danke für Deine Berichte! Da ich in diesem Jahr keine Gelegenheit haben werde, Teile des Angebots selbst zu probieren, bin ich auf solche Empfehlungen angewiesen. Wittmann steht bei mir ganz vorn auf der Liste in diesem Jahr, und dann habe ich bei Lobenberg das Paket mit den 12 verschiedenen GGen (für die, die sich nicht entscheiden können) geordert.
Lieber Felix,
großartiger Überblick – vielen dDank!
ich verstehe die Bemerkungen zur Mosel nicht recht. Hast Du generelle Vorbehalte gegen (manche/zahlreiche) Mosel-GG? Sind sie Dir nicht GG-würdig? Wenn ja, warum? Du lobst diese Weine oft unter einem gewissen, mir nicht ersichtlichen Vorbehalt. (s. Fazit). Auch die Bemerkung zu Clemens Busch verstehe ich nicht. Muss man Mitglied im „Club“ sein, um die Weine toll zu finden? Und was hieße das? Zu Dr. Loosen: Die GG’s sind ja eigentlich Fassmuster, sie liegen ein Jahr auf der Vollhefe, werden vermutlich erst so im November gefüllt (das Johannisbrünnchen meist noch ein halbes Jahr später). sie entwicklen sich also anders als viele andere Weine.
Aber ansonsten: Großes Lob für diesen profunden Schnellschuss?
Ja klar, aber GGs sollen nicht nur analytisch, sondern auch geschmacklich trocken sein. Und auch überreife Üppigkeit ist keine Tugend von GGs.
Glauben Sie wirklich, dass man zu faul sein kann, um Ihre interessanten Berichte zu Ende zu lesen ?
Na, Morgens um 9 braucht der eine oder andere vielleicht etwas Anfeuerung 😉
Yeah! Endlich Riesling und Spätburgunder! Bin auf die Pfalz, Nahe und natürlich auf den Rheingau gespannt. Dein Preview auf Weils neuen Iconwine hat mich auch schon seeeehr neugierig gemacht!